Es geht bergab
Morgen soll der Konstanzer Gemeinderat den Haushaltsplan für 2021 beschließen, der deutliche Einschränkungen mit pauschalen Minderausgaben um 10 Prozent vorsieht. Natürlich sorgt Corona bei den HaushaltsplanerInnen für eine gewisse Panik, und derzeit weiß niemand genau, wie sich die wirtschaftliche Situation der Stadt in den nächsten Monaten entwickeln wird, aber der Haushalt zeigt deutlich auf, wo auch im nächsten Jahr die Schwerpunkte der städtischen Politik liegen werden – und wo eben nicht.
Der städtische Haushaltsplan 2021 ist wie ein Lebenspartner in den mittleren Lebensjahren: schwer zu verstehen, ziemlich dick und zumindest auf den ersten Blick verdammt langweilig. Aber letzteres täuscht, denn der Haushalt einer Stadt hat wesentlichen Einfluss auf das Leben ihrer BewohnerInnen, und so gilt es denn, am morgigen Donnerstag genau hinzuschauen, was der Gemeinderat da nach ausgiebigen Vorberatungen beschließt und welche Änderungsvorschläge welches politische Lager unterbreitet, nachdem es zumeist langatmig der Verwaltung für ihre Mühewaltung Dank und nochmals Dank gesagt hat.
[the_ad id=“70230″]
Intergenerative Gerechtigkeit
Die Stadt Konstanz ist (unter anderem) auch eine größere Wirtschaftseinheit, deren Sachvermögen 2019 mit 552 Millionen Euro, als mehr als einer halben Milliarde, veranschlagt wird, die vor allem in Grundstücken, Bauten und Infrastruktur steckt. Dazu kommen noch einmal rund 200 Millionen Euro an Finanzvermögen, zu dem etwa Unternehmensanteile und Wertpapiere zählen. Dies zu den wirtschaftlichen Dimensionen unserer Kommune. Sie sieht ihren Haushalt dem Ziel der „‚intergenerativen Gerechtigkeit‘, wonach jede Generation die von ihr verbrauchten Ressourcen ‚erwirtschaften‘ soll,“ verpflichtet, das heißt, sie will, dass „nachfolgende Generationen nicht belastet werden“. KlimaschützerInnen werden dazu eher genervt lächeln, denn der für künftige Generationen überlebenswichtige Ressourcen- und Umweltverbrauch der heute Lebenden wird von der städtischen Buchhaltung in ihrem jährlichen Zahlenwerk gar nicht erst quantifiziert. Wie heißt es doch zu Beginn der Verwaltungsvorlage zum Haushalt? „Auswirkungen auf den Klimaschutz?“ „Nein“. So sieht ein zukunftsträchtiger Haushalt aus.
Natürlich ist es die Taktik der Verwaltung, die finanzielle Lage ihrer Kommune stets als bedrohlich darzustellen – einerseits um Begehrlichkeiten, die der Verwaltung nicht in den Kram passen, abzuwehren, und andererseits, um missliebigen Maßnahmen den Geldhahn abzudrehen. Und das ist naturgemäß in Zeiten von Corona besonders leicht. „Das ordentliche Ergebnis ist im Haushaltsjahr 2021 lt. Planentwurf mit -15.846.315 Euro nicht ausgeglichen (Plan 2020: +3.430.570 Euro)“, heißt es denn auch drohend.
Spare in der Not
In dieser Situation soll es eine globale Minderausgabe von 10 Prozent gegenüber 2020 richten, und das heißt, dass auch vor Ausgaben für Bildung und Soziales, so unzureichend sie bisher auch schon gewesen sein mögen, nicht Halt gemacht wird. „Darüber hinaus wurde durch die Dezernenten festgelegt, dass der Stellenplan 2020 ‚eingefroren‘ wird. Das bedeutet, im Doppelhaushalt 2021/2022 sind grundsätzlich keine Stellenmehrungen möglich.“ (Ausnahmen können etwa für die Feuerwehr gemacht werden.)
Wer von der Stadt also etwa eine Digitalisierungsoffensive erwartet hat, um SchülerInnen aus wirtschaftlich schwächeren und daher bisher noch nicht digitalen Haushalten gleichberechtigt an digitaler Bildung teilhaben zu lassen und von der derzeitigen Situation besonders geforderte Kinder und Jugendliche gezielt pädagogisch zu unterstützen, wird voraussichtlich enttäuscht. Es ist schon jetzt ziemlich deutlich abzusehen, wer durch Corona schulisch noch weiter abgehängt werden dürfte und wessen Chancen für ein ganzes Erwerbsleben sich damit erheblich verschlechtern könnten. Trotzdem bleiben die Bereiche Kinder-, Jugend- und Familienhilfe/Kindergärten sowie die Kultur und der Tiefbau die drei größten Haushaltsbrocken, während der städtische Anteil an der Einkommen- und Umsatzsteuer sowie die Zuweisungen vom Land rund 40% der Einnahmen ausmachen, gefolgt von der Gewerbesteuer, die 35 Millionen Euro und damit rund 13 Prozent der Erträge einbringt.
Bodenseeforum wie gehabt
Bei den Aufwendungen ragt der gedeckelte Personalaufwand heraus, mit knapp 70 Millionen Euro macht er 24 Prozent des Aufwands aus und wird natürlich dank absehbarer Tariferhöhungen ein wenig steigen. Es folgen auf den nächsten Plätzen die Kreisumlage mit 45 Millionen sowie die Zuschüsse an freie Träger für Kindertageseinrichtungen, also etwa an die Kirchen, deren Nächstenliebe sich den Kinderlein bekanntlich dann am wärmsten zuwendet, wenn die Stadt kräftig dafür zahlt.
Natürlich gibt es auch Haushaltsposten, die gegen den Trend kräftig wachsen, denn das ist es der Stadt wert: Für das Bodenseeforum ist 2021 bei wie gehabt minimalen Erträgen ein Betriebskostenzuschuss von 2.627.900 Euro angesetzt (nach 1.600.000 Euro im Jahre 2019 und 2.346.000 Euro in 2020). Wenn es in der Vorlage heißt, „beim Bodenseeforum waren in der Vergangenheit höhere Beträge aus dem städtischen Kernhaushalt erforderlich als ursprünglich unterstellt“ kann mensch ob der dezenten Bescheidenheit dieser Formulierung nur schmerzvoll grinsen, denn die ursprüngliche Unterstellung war in der Tat ziemlich bösartig.
O. Pugliese (Text und Bild)