Es geht um Menschenwürde
Immerhin 120 BürgerInnen zeigten gestern ihre Solidarität mit den Flüchtlings-Familien in Konstanz. Der Arbeitskreis Roma-Solidarität hatte zu einer Kundgebung auf die Marktstätte gerufen, um über das Schicksal der von Abschiebung bedrohten Familien zu informieren. Und nicht nur die betroffenen Roma nutzten die Chance des „moderierten Mikrophons“
Jürgen Weber vom Arbeitskreis Roma-Solidarität Konstanz warnte vor allzu großer Zuversicht: „Am 24. Februar steht der nächste Abschiebeschub bevor.“ Und dann werden wieder Flüchtlinge auch aus Baden-Württemberg in die Obdachlosigkeit, in die Arbeitslosigkeit, in die Krankheit ohne Fürsorge abgeschoben. Wie alle anderen Redner kritisierte er die Abschiebepolitik der grün-roten Landesregierung und geißelte den Begriff der ‚Armutsflüchtlinge‘: „Für diese Armut gibt es Ursachen – und die liegen vornehmlich in der Diskriminierung der Roma“.
Für die betroffenen Familien sprachen deren Väter Ersin Kazimov und Sloboda Selimi. Beide bedankten sich für die Hilfe der deutschen Freunde, beide sprachen für ihre Kinder, die so froh seien, endlich eine Schule besuchen zu dürfen. Auch Sloboda Asamovic berichtete vom Leid der Flüchtlinge – sein Haus in Serbien sei mutwillig zerstört worden, würde er abgeschoben, wisse er nicht wohin: „Sie brauchen nur die youtube-Beiträge zu schauen, um zu wissen, wie es meinem Volk auf dem Balkan geht.“
Das haben offensichtlich die Verantwortlichen in Stuttgart nicht getan – sich über die Lebensumstände der Roma in den Balkanstaaten zu informieren, kritisierte Simon Pschorr von der Linken Liste Konstanz. Er forderte nicht nur die Landesregierung, sondern auch den Kreistag auf, endlich einen Abschiebestopp während des Winters zu realisieren: „Werden Sie sich ihrer Verantwortung bewusst“, rief er den Bürgermeistern des Landkreises zu, die erst kürzlich gegen einen solchen Abschiebestopp im Kreistag votiert hatten.
„Es geht um Menschenwürde“, rief Rudy Haenel, Anwalt der von Abschiebung bedrohten Familien, den Demonstranten zu. Er nannte die Drittstaaten-Regelung, nach der Asylbewerber abgeschoben werden dürften, „perfide und bürokratisch“, bemängelte die juristischen Eingriffsmöglichkeiten und forderte die Demonstranten auf, in ihrer Unterstützung für die Flüchtlinge nicht nachzulassen: „Nur der Druck der Öffentlichkeit kann die Herren in Stuttgart belehren“. Er jedenfalls, alter Grünen-Wähler, würde Herrn Kretschmann kein zweites Mal wählen.
Autor: hpk
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