„Es ist doch gut, wenn es eine Auswahl gibt“
Seit der Nominierung von Nese Erikli für den kommenden Landtagswahlkampf rumort es vernehmlich bei den Grünen im Kreis Konstanz. Die Partei scheint in zwei Lager gespalten, gegenseitige Animositäten prägen den Umgang miteinander. Ziemlich unbeeindruckt davon bereitet sich Erikli auf ihre kommende Aufgabe vor: Mitzuhelfen, der ihrer Meinung nach auf allen Feldern erfolgreichen grünroten Landesregierung das Überleben zu sichern. Wie das gehen soll? seemoz hat nachgefragt.
seemoz: Frau Erikli, im seemoz-Interview am 8. Juli erhebt der noch bis März 2016 amtierende grüne Landtagsabgeordnete Siegfried Lehmann schwere Vorwürfe gegen Sie. Er bezichtigt Sie wegen Ihrer durchaus überraschenden Kandidatur gegen ihn der politischen Unfairness, spricht von moralisch und ethisch nicht korrektem Verhalten, unterstellt Ihnen einen narzisstischen Egotrip und wirft Ihnen Vertrauensbruch vor. Was entgegnen Sie ihm?
Erikli: Es gehört zum Wesen der Demokratie, dass sich mehrere Menschen um eine Kandidatur bewerben können. Es ist doch gut, wenn es eine Auswahl gibt. Ich engagiere mich seit vielen Jahren bei den Grünen und habe meinen Hut in den Ring geworfen. Meine Bewerbung habe ich vor Ablauf der offiziellen Bewerbungsfrist im Kreisverband eingereicht. Ich freue mich sehr, dass mir so viele Mitglieder ihr Vertrauen geschenkt und mich gewählt haben.
seemoz: Der Landtagswahlkampf läuft nach der Sommerpause an. Was wollen Sie tun, um bis dahin die innerparteilichen Streitigkeiten zu beenden? Lehmann hat schon signalisiert, dass er Sie im kommenden Wahlkampf auf keinen Fall unterstützen wird. Von anderen Mitgliedern Ihrer Partei hört man Ähnliches. Ein guter Wahlkampfstart sieht wohl anders aus…
Erikli: Ich schaue nach vorne und bin überzeugt, dass das auch die grünen Kreismitglieder tun. Dass mehrere KandidatInnen für die Medien sehr interessant sind, bedeutet nicht, dass wir uns im Kreisverband auch weiter damit beschäftigen, nachdem eine Entscheidung gefallen ist. Wir alle kämpfen von ganzem Herzen für die Fortführung der grüngeführten Landesregierung mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann an der Spitze, der das Land gut, verlässlich und erfolgreich führt. Viele unserer Ziele haben wir in den letzten fünf Jahren umgesetzt – man denke nur an die Umwelt-, Energie- und Klimapolitik sowie die Politik für den ländlichen Raum. Aber vor allem haben wir noch viel vor. Damit sind alle Voraussetzungen für einen spannenden Wahlkampf gegeben. Ich muss gestehen, ich freue mich darauf, den Wählerinnen und Wählern unsere Vorstellungen nahe zu bringen und sie dafür zu gewinnen, dass wir die Geschicke des Landes auch in den nächsten Jahren gestalten. Ich bin auch überzeugt davon, dass ich auch mit meinem Wahlkampfteam neue und frische Impulse setze.
seemoz: Bei öffentlichen Auftritten verweisen Sie oft auf Ihren Migrationshintergrund. Wie verträgt sich das mit der Flüchtlingspolitik des von Ihnen geschätzten Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann, der beispielsweise im Bundesrat mit dafür gesorgt hat, Abschiebungen wesentlich zu erleichtern?
Erikli: Wir Grünen sind und bleiben Anwälte der Flüchtlinge. In diesem Sinne haben die grünregierten Länder mit der Bundesregierung im September 2014 über eine Reform des Asylrechtsgesetzes verhandelt. Tatsächlich konnten in den Verhandlungen konkrete Verbesserungen für Flüchtlinge erreicht werden – die Lockerung der Residenzpflicht, der erleichterte Zugang zum Arbeitsmarkt und das Abschaffen des Sachleistungsprinzips. Für diese und weitere Verbesserungen für Flüchtlinge haben wir Grüne und auch die vielen Flüchtlingsverbände jahrzehntelang gekämpft. Winfried Kretschmann hat sich als Ministerpräsident und als Grüner dafür entschieden, dem Gesetzesvorhaben im Bundesrat zuzustimmen, in dem Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina zu sogenannten sicheren Herkunftsländern erklärt wurden. Er hat sich diese Entscheidung nicht leicht gemacht. Aber er ist von den substanziellen Verbesserungen für die hier lebenden Flüchtlinge überzeugt. Und ich hoffe sehr, dass das Thema Asyl nicht zu Wahlkampfzwecken missbraucht wird. 57 Millionen Menschen müssen vor Krieg, Gewalt und Verfolgung fliehen, so viele wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Als reiches Land sind wir in Baden-Württemberg in der Verantwortung, Fliehenden Schutz und Zuflucht zu sichern – die grüngeführte Landesregierung nimmt diese Verantwortung an. Baden-Württemberg hat als bisher einziges Bundesland entschieden, 1000 Jesidinnen und ihre Kinder aufzunehmen. Das sind höchst traumatisierte Frauen, Mädchen und Kinder. Sie haben aufgrund ihres Glaubens Vergewaltigung und Misshandlungen erfahren. Hier danke ich vor allem dem besonderen Einsatz von Winfried Kretschmann.
seemoz: Bleiben wir beim Thema. Kritiker der grün-roten Landesregierung bemängeln, dass diese bis vor kurzem die steigenden Flüchtlingszahlen weitgehend ignoriert und die Kommunen mit dem Problem allein gelassen habe. Teilen Sie diese Ansicht? Und: Auch im kommenden Wahlkampf wird das Thema Flüchtlinge viele Debatten bestimmen. Was müsste sich Ihrer Meinung nach in der Flüchtlingspolitik der Landesregierung ändern, um vor allem die Kommunen zu entlasten?
Erikli: Das Land unterstützt die Kommunen und wird es auch weiterhin tun. Deshalb begrüße ich den zweiten Flüchtlingsgipfel am 27. Juli, den Winfried Kretschmann einberufen hat und bei dem alle Akteure am Tisch sitzen, auch die Kommunen. Die Landesregierung hat die finanzielle Unterstützung für die Kommunen bedeutend erhöht – und zwar mit 122 Millionen Euro mehr für die Unterbringung. Mit den Städten und Kreisen wurde vereinbart: 2014 und 2015 zahlt das Land die vorläufige Unterbringung vollständig. Neuangekommene Asylsuchende kommen in die Landeserstaufnahmestellen – das Land hat die Plätze der LEAs mehr als verdreifacht und bedarfsorientierte Erstaufnahmestellen eingeführt. Auch das entlastet die Kommunen. Die Landesregierung unterstützt die Kommunen darin, Flüchtlinge verstärkt in Wohnungen oder kleineren Wohngemeinschaften unterzubringen. Sie hat ein Sonderbauprogramm aufgelegt – mit jeweils 15 Millionen Euro. 2015 und 2016 bezuschussen wir den Bau von Flüchtlingsunterkünften. Hand in Hand mit Kommunen und Ehrenamtlichen sorgen wir dafür, dass Flüchtlinge bei uns gut aufgenommen werden. Wir alle wissen, dass weitere große Anstrengungen notwendig sind.
seemoz: Siegfried Lehmann hat sich einen Ruf als Bildungspolitiker erworben, aber wenn man sich die konkreten Zahlen anschaut, kann man den Optimismus der Landesregierung nur schwer nachvollziehen. Die jüngst verkündete Zahl von 5750 Lehrereinstellungen ist doch weitgehend das Resultat von Wiederbesetzungen auslaufender Stellen. Experten behaupten sogar, unter dem Strich käme man gerade mal auf 713 neue Stellen. Finden Sie das nicht etwas arg mager, angesichts der zunehmenden Aufgaben im Bildungsbereich?
Erikli: Alle Kinder und Jugendlichen sollen, unabhängig von ihrer Herkunft, ihre Talente und Begabungen optimal entfalten und einen möglichst guten Bildungsabschluss erlangen können. Die grüngeführte Landesregierung investiert deshalb kräftig in die Bildung unserer Kinder – so viel wie keine andere Landesregierung zuvor: Pro Schüler gibt das Land heute 18 Prozent mehr aus als noch im Jahr 2010. Wir haben seit den 1970er-Jahren die höchste Einstellungszahl. Eine gute Unterrichtsversorgung hat für Grün-Rot höchste Priorität. Deshalb haben wir die Krankheitsvertretung deutlich verbessert: Es stehen nun 400 zusätzliche Stellen in der Krankheitsvertretung zur Verfügung. Das ist ein Ausbau um rund 30 Prozent seit 2011. Die neue Gemeinschaftsschule bietet allen Kindern die bestmögliche individuelle Förderung und ein breites Spektrum an Schulabschlüssen an. Wir haben an den Gymnasien und Realschulen die Poolstunden für die individuelle Förderung erhöht. Die Realschulen bekommen darüber hinaus in den kommenden beiden Schuljahren 350 zusätzliche Lehrerstellen. Auch die Grundschulen erhalten 180 Deputate ab Schuljahr 2015/2016, damit sie ihre Schülerinnen und Schüler stärker individuell fördern können. Und: Die Landesregierung investiert heute 25 Millionen Euro pro Jahr in den Ausbau der Schulsozialarbeit – früher wurden die Kommunen damit allein gelassen. Mit Erfolg: Über die Hälfte der Schulen im Land hat mittlerweile Sozialarbeiter.
seemoz: Andere Baustelle. Im rot-grünen Koalitionsvertrag ist von einer „bedarfsgerecht und sozial“ ausgerichteten Wohnraumförderung die Rede. Aber die Zahl der Sozialwohnungen sinkt weiter, die Kreditförderungsprogramme für sozialen Wohnungsbau wollen nicht wirklich greifen und die Baufertigstellungen liegen in der Regel unter der Zielmarke. Was unterscheidet in diesem Fall die grün-rote Politik von ihren konservativen Vorgängern?
Erikli: Uns unterscheidet von den konservativen Vorgängern, dass sich die grüngeführte Landesregierung engagiert und erfolgreich für die Renovierung und den Neubau von bezahlbarem Wohnraum für Menschen mit geringem Einkommen einsetzt. 2013 wurde ein Zweckentfremdungs- und Umwandlungsverbot verabschiedet. Es verhindert, dass Wohnraum zu lange leer steht oder Wohnraum zu Büros umfunktioniert wird. Durch Zuschüsse und Kredite der staatseigenen Landesbank in Höhe von 415,7 Millionen Euro konnte Grün-Rot 2014 den Neubau von 6 343 Wohneinheiten realisieren. Für 2015 und 2016 hat Grün-Rot die Fördermittel zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum von 63 auf 75 Millionen Euro erhöht. Die Landesbank kann den Kreditnehmern so zinsfreie Kredite für sozialen Wohnungsbau anbieten.
seemoz: Stichwort soziale Frage. Die neuesten Zahlen sind auch im eher reichen Südwesten alarmierend: 20 Prozent der Beschäftigungsverhältnisse gelten als prekär, die Armut, vor allem bei Kindern und Alten, steigt, die Zahl der Obdachlosen nimmt zu, auch im Landkreis Konstanz. Kretschmann dagegen, so der Einwand seiner Kritiker, gibt sich als Wirtschaftsversteher und schiebt die soziale Frage auf die Wartebank. Da besteht also umgehend Handlungsbedarf. Wie sähen Ihre Initiativen dazu aus?
Erikli: Die grün-rote Landesregierung arbeitet daran, Baden-Württemberg zum Musterland für gute Arbeit zu machen. Bereits 2013 brachte die Landesregierung eine Initiative zur Einführung eines Mindestlohns in den Bundesrat ein und sorgte dafür, dass Unternehmen bei Aufträgen des Landes oder der Kommunen ihren Beschäftigten Tariflöhne und mindestens 8,50 Euro pro Stunde bezahlen. Mit dem Landesprogramm „Gute und sichere Arbeit“ unterstützen wir Menschen darin, den Weg ins Berufsleben zu finden. Über 10 000 Langzeitarbeitslose, Jugendliche und Alleinerziehende haben so den Schritt in eine Ausbildung oder auf den ersten Arbeitsmarkt gemacht. Für die Zukunft müssen wir weiter daran arbeiten, dass Menschen von ihrem Lohn leben können und ihnen gleichzeitig gesellschaftliche Teilhabe möglich ist. Die Gleichstellung von Frauen und die Vereinbarkeit von Kinderbetreuung, Pflege und Beruf müssen wir ebenfalls weiter voranbringen.
seemoz: Vergleicht man Ihre landespolitischen Aussagen mit denen von Lehmann, stimmen sie weitgehend überein, denn auch Sie bezeichnen die grün-rote Landesregierung als erfolgreich und werben für deren Fortsetzung. Was unterscheidet sie eigentlich voneinander? Wo wollen Sie Ihre Schwerpunkte setzen?
Erikli: In den letzten Jahren haben wir Grünen während unserer Regierungszeit in Baden-Württemberg viel Neues angestoßen, was vorher unmöglich schien. Umwelt- und Naturschutz, ökologische und gentechnikfreie Landwirtschaft in der Region, Energiewende im Landkreis, nachhaltige Mobilität in der Fläche und möglichst langes gemeinsames Lernen in der Schule sind immer selbstverständlicher geworden. Es steht für mich außer Frage, dass wir uns hierfür auch in Zukunft mit voller Kraft einsetzen. Doch wir haben uns nicht nur dem ressourcenschonenden Umgang mit der Umwelt oder dem Klimaschutz verschrieben. Die Innenpolitik ist aktuell der Bereich mit den größten Gestaltungsmöglichkeiten im Land, hier sind unverwechselbare grüne Ideen und Ansätze gefragt. Gerade in der Innenpolitik stehen große Aufgaben bevor. In den kommenden Monaten wird die Zahl der Flüchtlinge bei uns zunehmen, das wird auch bei uns im Landkreis Konstanz so sein. Sorge macht mir auch die zunehmende Radikalisierung von Jugendlichen über das Internet. Dass junge Menschen ihr Leben in Freiheit aufgeben, wie eine 16-Jährige Schülerin aus Konstanz, und in den sogenannten Heiligen Krieg für den IS ziehen, macht mich fassungslos. Das Vertrauen der Bevölkerung in den Verfassungsschutz als Frühwarnsystem einer wehrhaften Demokratie ist angesichts der öffentlich gewordenen Problematiken ebenfalls empfindlich gestört. Ziel muss es sein, den Baden-Württembergischen Verfassungsschutz als moderne und für die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger sensibilisierte Behörde aufzustellen. Und wir können hier durchaus von anderen Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen oder Niedersachsen lernen. Ein weiteres wichtiges Feld ist die voranschreitende Digitalisierung und das unkontrollierte Sammeln von Daten. Durch Cyber-Kriminalität – also Datenklau, Internetbetrug oder Wirtschaftsspionage – entsteht weltweit jährlich ein Schaden in Höhe von etwa 330 Milliarden Euro. Laut einer Studie ist der Schaden in keinem anderen Land so groß wie in Deutschland. Aber auch die Daten eines jeden Einzelnen müssen vor Ausspähung und unkontrollierter Weitergabe geschützt werden. Auch das gehört unbedingt zu uns als Bürgerrechtspartei!
seemoz: Siegfried Lehmann hat 2011 rund 35 Prozent erreicht und das Direktmandat geholt, was als mittlere Sensation bezeichnet wurde. Da treten Sie ein schweres Erbe an. Wie schätzen Sie Ihre Chancen ein?
Erikli: Ich mache mir nichts vor – der Landtagswahlkampf 2016 wird hart. Die Wahlentscheidung liegt bei den Wählerinnen und Wählern und meine Aufgabe ist es, sie für unsere Politik zu gewinnen. Ich werde mein Bestes dafür geben und bin insofern äußerst zuversichtlich.
Das Gespräch führte Holger Reile/Bild: Patrick Pfeiffer[modal id=“19250″ style=button color=default size=default][/modal]
Hallo Herr Dietrich,
Alles ehrliche Arbeit ausschließlich der Eigentümer?
– Das meiste ja, denn wir sind noch nicht in einer Bananenrepublik, haben halbwegs funktionierende Gewerkschaften…
– Wir sollten mal den Stundenlohn der Edda Klatten ermitteln bzw. die Umstände, die zu dem stattlichen Erbe verholfen haben:
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/rezensionen/sachbuch/j-scholtyseck-der-aufstieg-der-quandts-den-profit-vor-augen-und-ueber-alle-skrupel-hinweg-11370161.html
Eine Bewertung der Gewerkschaften ist nach Reagonomics und Thatcherismus sowie dem Schröder-Blair-Papier wohl eher qualvoll. Um den Rest zu würdigen, empfehle ich die Lektüre von „Lohn, Preis und Profti“ von Karl Marx sowie die Grundrententheorie. Es muß ja nicht in die Tortur des Studiums des „Kapitals“ ausarten.
„Die Armutsschere ist sicher ein Problem, aber ohne Arbeisplätze wäre die Schere noch weiter viel weiter offen.“
– Ohne Arbeitsplätze gäbe es keinen Reichtum. Karl Theodor zu Guttenberg müßte auf seinen Ländereien SELBST Kohl und Radieschen anpflanzen. Daraus erkennen wir: Es ist eine Frage der VERTEILUNG, was mit dem Erwirtschafteten geschieht.
„…dieser Staat hat trotzdem sehr lange sehr viel mehr Ausgegeben als Eingenommen- das Problem bleibt sich gleich.“
– Es bleibt dabei. Goldman Sachs hat in Zusammenarbeit mit PASOK und Nea Dimokratia die Staatsfinanzen geschönt, um GR in den Euroraum zu bringen. Ca. 75% der „Hilfspakete“ sind zur Erledigung des Schuldendienstes draufgegangen. D hat bisher noch nicht einen Euro in dieser Sache verloren, sondern Millionen an Zinsen kassiert. Außerdem: Wenn fünf Jahre lang Spezialisten in Sachen Korruption mit Rügen konfrontiert werden, eine linke Regierung dagegen mit BEDINGUNGEN, ist das schon eigenartig, oder? Da scheint eine ganze Bande damit beschäftigt zu sein, eine unbequeme Regierung zu stürzen.
„Die Reduktion auf “Raubtierkapitalismus” ist auch nicht sehr präzise und halt linker Mainstream.“
– Wenn Sie mir vor dem Hintergrund eine zutreffendere Bezeichnung nennen können, werde ich die dankbar prüfen.
„…das Mittel der Dialektik : Die Betrachtung einer Sache in ihrem Schein und Widerschein. Das ist der heutigen Linken leider vollständig abhandengekommen.“
– Ich habe versucht, dieses Mittel ebenfalls anzuwenden. Zur Darstellung meiner Positionen eignen sich aber nur diese. Gisela Kessler vom HV der IG Druck und Papier hat das mal so formuliert: „Wer nach allen Seiten hin offen ist, kann nicht ganz dicht sein.“ Trotz der Verpflichtung, weiterhin und unentwegt dazuzulernen – ein schöner Schlußsatz.
Ebenfalls freundliche Grüße
Peter Stribl
@ Peter Stribl
Ich wollte nur bestärken, dass die Zeit der klugen Politiker der frühen Zeit bereits seit 25 Jahre vorbei ist. Was danach kam, könnte bei CDU oder SPD oder sonstwo genauso gut aufgehoben sein. Das ist doch das, was die Grünen hier im Land so stark macht. Wozu CDU wählen, wenn es doch die Grünen des Herrn Kretschmann gibt?
Nese Erikli stellt den niedersächsischen und den Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen als Vorbild hin – verwunderlich, angesichts der letzten Schlagzeilen über diese Behörden. Unlängst wurde in einschlägigen Medien berichtet, dass der nordrheinwestfälische NSU-Untersuchungsausschuss sich mit einem V-Mann des Verfassungsschutzes beschäftigen muss, der an einer der Taten der Mörderbande unmittelbar beteiligt gewesen sein soll. Und zwar bei dem Bombenanschlag 2001 auf ein Kölner Geschäft, bei dem die Tochter des iranstämmigen Ladenbesitzers schwer verletzt wurde. Im Frühsommer 2012 bat die Düsseldorfer Verfassungsschutz-Chefin Koller aus „persönlichen Gründen“ um Versetzung in den Ruhestand, vermutet wird aber, dass ihr Rückzug mit den Vorgängen um den in der Naziszene verorteten V-Mann zu tun hatte.
Und was den niedersächsischen VS betrifft: 2013 flog auf, dass mindestens sieben JournalistInnen bespitzelt wurden, wie Innenminister Boris Pistorius einräumen musste. Eine davon war die Rechtsextremismus-Expertin und Autorin Andrea Röpke. Auf Anfrage teilte ihr der Verfassungsschutz mit, dass keine Daten über sie gespeichert seien. Tatsächlich aber wurde die Akte erst aufgrund ihrer Bitte um Auskunft gelöscht, eine bewusste Vertuschung. Und auch Gewerkschafter wurden bespitzelt, zum Beispiel der Lüneburger IG-Metall-Gewerkschaftssekretär Lennard Aldag, der mindestens von 2011 bis 2013 von den niedersächsischen Schlapphüten beobachtet wurde.
Ob nun echte Aufklärung in Sachen „Rechtsblindheit“ betrieben wird und diese Dienste als Vorbild dienen können? Wohl eher nicht, die vollkommen intransparente Struktur des Verfassungsschutzes und seine Defizite, die von Skandalen und Bürgerrechtsverletzungen geprägt sind, stellen das Problem dar.
http://nordostniedersachsen.dgb.de/++co++22731ece-132e-11e5-a882-52540023ef1a
Vorweg, ich bin in VWL, Politik und Soziologie ziemlicher Laie, was sich dann wohl aufs Niveau auswirkt- dagegen stehen über 60 Jahre Erfahrung : Industrie und Hochschule.
„wo genau wird denn das Geld für die Sozialleistungen verdient ?“
– Gegenfrage: Wo, von wem genauer, wurden denn die rund acht Billionen € Privatvermögen in der BRD erwirtschaftet? Alles ehrliche Arbeit ausschließlich der Eigentümer?
Das meiste ja, denn wir sind noch nicht in einer Bananenrepublik, haben halbwegs funktionierende Gewerkschaften. Wenn jemand nach einem Studium gut verdient hat er dass in der Regel auch erarbeitet, und ein Unternehmer der Arbeitsplätze anbietet zahlt auch indirekt mit den Löhnen jede Menge Steuern Sozialabgaben. Natürlich hat auch viel Geld durch Erbschaft den Besitzer gewechselt., immobilien sind durch die Preisentwicklung wertvoller geworden.
Die Armutsschere ist sicher ein Problem, aber ohne Arbeisplätze wäre die Schere noch weiter viel weiter offen.
Die Gewerkschaften als wichtiger Gegenpol müssen jedenfalls unterstützt werden !
„Renten und Sozialhilfen, Kinder- Wohngeld u.a. auf Pump wie in Griechenland ist sicher kein Erfolgsmodell“
– Abgesehen von den Kürzungen der Renten in GR, was von dem Aufgezählten gibt es überhaupt in Griechenland?
da haben sie Recht, aber dieser Staat hat trotzdem sehr lange sehr viel mehr Ausgegeben als Eingenommen- das Problem bleibt sich gleich.
„“– Woraus erkennen Sie aus meinem Beitrag Staatsverdrossenheit? Es ist das gute Recht der Menschen, über Parteien bzw. ihre Repräsentanten Wut zu empfinden, die den Staat wie ihr Eigentum behandeln. Nebenbei kann die Mainstream-Oberflächlichkeit solcher Äußerungen ungeheuer nerven.““
Das war in meinem etwas emotionalen beitrag nicht speziell gegen sie, sondernden gegen den allgemeinen Tenor hier.
Ich spreche niemand das Recht auf Wut ab, Wut kann auch positives Freisetzen.
Mainstream vs Besserwisserei ? Nein,es geht um Logik, Plausibilität, Abwägen, Information. usw. Eine Minderheit hat nicht automatisch Recht. Dass es keine einfachen Erklärungen gibt, ist klar, aber das gilt für alle. Die Reduktion auf „Raubtierkapitalismus“ ist auch nicht sehr präzise und halt linker Mainstream.
Wenn ich aus den 68- Diskussionen und Lektüren etwas mitgenommen habe, dann das Mittel der Dialektik : Die Betrachtung einer Sache in ihrem Schein und Widerschein. Das ist der heutigen Linken leider vollständig abhandengekommen.
Auf den Rest gehe ich vielleicht heute Abend noch ein.
Mit freundlichen Grüssen
H. Dietrich
@Anselm Venedey
Hab ich doch schon vorweggenommen: „Man mag den Vorwurf erheben, daß die daraus folgende Sichtweise zu sehr dem Gestern verhaftet ist.“
Wenn Sie was anderes ausdrücken wollten, im Sinne von Neunmalklugen bspw., bitte ich um klare Darstellung.
Freundliche Grüße
Peter Stribl
@Helmut Dietrich – ein paar Anmerkungen
„wo genau wird denn das Geld für die Sozialleistungen verdient ?“
– Gegenfrage: Wo, von wem genauer, wurden denn die rund acht Billionen € Privatvermögen in der BRD erwirtschaftet? Alles ehrliche Arbeit ausschließlich der Eigentümer?
(http://www.verdi.de/themen/wirtschaft-finanzen/reichtumsuhr)
–
„Renten und Sozialhilfen, Kinder- Wohngeld u.a. auf Pump wie in Griechenland ist sicher kein Erfolgsmodell“
– Abgesehen von den Kürzungen der Renten in GR, was von dem Aufgezählten gibt es überhaupt in Griechenland?
–
„Sorry,
aber diese ständige Staatsverdrossenheit geht mir gewaltig auf den Geist.“
– Woraus erkennen Sie aus meinem Beitrag Staatsverdrossenheit? Es ist das gute Recht der Menschen, über Parteien bzw. ihre Repräsentanten Wut zu empfinden, die den Staat wie ihr Eigentum behandeln. Nebenbei kann die Mainstream-Oberflächlichkeit solcher Äußerungen ungeheuer nerven.
–
„Wir haben im Vergleich ein ziemlich gut funktionierendes System.“
– Was ist das denn für eine Einordnung? Besser als erwartet? Gute Güte… Das Grundgesetz der BRD wäre akzeptabel, würde es praktiziert werden. Aber die Sozialstaatlichkeit wird in zunehmendem Maße dem Raubtier Kapitalismus zum Fraß vorgeworfen. Den Raubtierkapitalismus will natürlich kein Mensch, logisch – aber jetzt ist er nun mal da, also, was tun? FÜTTERN! – Viel erbärmlicher kann es ja wohl nicht zugehen.
–
„Man untergräbt die letzten Reste der Bürgerlichen Solidaritaet.“
– Die, die Solidarität leben, berufen sich kaum auf Bürgerlichkeit. Wohltätigkeit dagegen im Sinne von Benefiz-Veranstaltungen usw. ist Show, Teil des „business“. Klar wird der Mittelstand von der Entwicklung hart getroffen. Diesen Fehler kann man aber nicht korrigieren, indem man nach oben schleimt und nach unten tritt.
Noch ein Tipp zur Nachtlektüre, nachdem Trampert bereits erwähnt wurde und Sie bestimmt mit Ziel seiner Zeilen sind:
http://www.rainertrampert.de/artikel/der-liberale-beobachter-ein-beitrag-zur-sloterdijk-debatte
@Peter Stribel
Nur ein kleiner Nachtrag: Die klugen Trampert, Ebermann und Ditfurth sind vor einem Vierteljahrhundert (sic!) ausgetreten.
Zitat – „“ die Sozialpolitik, die hoffnungslos hinter der Priorität der Wirtschaftspolitik herhinkt „“
wo genau wird denn das Geld für die Sozialleistungen verdient ?
Renten und Sozialhilfen, Kinder- Wohngeld u.a. auf Pump wie in Griechenland ist sicher kein Erfolgsmodell
Sorry,
aber diese ständige Staatsverdrossenheit geht mir gewaltig auf den Geist.
Wir haben im Vergleich ein ziemlich gut funktionierendes System.
Man untergräbt die letzten Reste der Bürgerlichen Solidaritaet.
Auswahl – ja worunter denn?
Was Lutz Gerster anmerkt, ist nur zu unterstreichen. Die „erfolgreiche Blablabla-Regierung“ in den Himmel loben kann jeder. Man könnte auch ein Tonbandgerät damit befassen. Die hauptsächlichen Knackpunkte scheinen mir, wie in der Fragestellung schon erkennbar
– die Flüchtlingspolitik, die beispielsweise Sinti und Roma den Strukturen der Balkanstaaten überantworten, die rassistische Haltungen beinhalten
– die Umweltpolitik, die bspw. Grube & Co. bei Stuttgart 21 unangetastet bis hin zur „Alternativlosigkeit“ lassen
– die Sozialpolitik, die hoffnungslos hinter der Priorität der Wirtschaftspolitik herhinkt
Ein Kontrastprogramm zu Lehmann ist nicht zu entdecken. Und auch der dürfte sich angesichts der überzeugend von oben nach unten praktizierten *basisdemokratischen* Rolle Kretschmanns hinter der „erfolgreichen Regierung“ verschanzen. Man mag den Vorwurf erheben, daß die daraus folgende Sichtweise zu sehr dem Gestern verhaftet ist. Dennoch: Die Zeiten eines Rainer Trampert oder einer Jutta Ditfurth bei den Grünen sind, leider, leider, unwiderruflich vorbei. Man hat die zweifelhafte Auswahl unter Neo-Libs oder Neo-Cons, alle mehr oder minder auf die „marktgerechte ‚Demokratie'“ und die transatlantischen „Werte“ hingetrimmt. Daß der Anstrich noch grün ist, ist zu vernachlässigender Ballast, kümmerlicher Rest der Gründungszeit.
Leere Politikerphrasen verbreiten, die wie ein Wahlkampfprospekt einer Werbeagentur klingen, statt progressiv und kritisch von unten zu wirken, auch der eigenen Landesregierung gegenüber, hat Frau Erikli auf jeden Fall drauf. Wo bleiben Verbesserungsvorschläge der eigenen Politk gegenüber? Mit dieser Phrasendrescherei macht man sicher Parteikarriere, aber ob man gewählt wird ist eine andere Frage. Denn gewählt wird man nur, wenn man etwas zu verbessern und zu kritisieren hat.