„Es wird zu wenig für Baumpflege getan“

jointDie Konstanzer Naturschutzverbände Nabu und BUND sind in die Kritik geraten: Empörte BürgerInnen meinen, nicht erst seit der überflüssigen Fällaktion im Tägermoos, die Verbände agierten zu unpolitisch, zu zögerlich und obrigkeitshörig. Im seemoz-Interview weisen die beiden Geschäftsführer Antje Boll (BUND) und Eberhard Klein (Nabu) die Vorwürfe zurück und beklagen sich über teils beleidigende Anfeindungen

Frau Boll, Herr Klein, warum, meinen Sie, drängt es plötzlich so viele Menschen auf die Straße, wenn Bäume gefällt werden. Das passiert tagtäglich – an der Seestraße, in Hockgraben, am Seerhein…und niemand kümmert sich.

Klein: Da wurden Emotionen frei, weil Liebgewordenes wegfällt – das gilt für einen so attraktiven Spazierweg wie im Tägermoos allemal. Aber Sie haben schon Recht: Andere Entwicklungen rund um unseren Baumbestand interessieren weit weniger.

Boll: Ich finde es toll, dass sich plötzlich so viele Leute für die Natur interessieren. Wir würden uns freuen, wenn das bei jeder unserer Aktionen so wäre. Aber leider stehen Nabu und BUND bei anderen Aktivitäten, sei es bei aktuellen Bebauungsplänen oder beim Handlungsprogramm Wohnen, oftmals mit ihrer Kritik allein auf weiter Flur.

Und es gab Irritationen um eine Einladung bei der Stadtverwaltung.

Boll: Dieses Gespräch bei Herrn Wichmann…

Klein: …der ansonsten ein vehementer Verteidiger in Naturschutzfragen ist,

Boll: …ist auf unser Betreiben für die Bürgerinitiative geöffnet worden. Viele der späteren Darstellungen entsprechen schlicht nicht der Wahrheit. Wie ich ohnehin sagen muss, dass etliche Kommentare – auch auf seemoz – höflich ausgedrückt unsachlich, etliche sogar persönlich arg verletzend gewesen sind…

…das muss ich bestätigen: Die schlimmsten Beiträge haben wir gar nicht veröffentlicht. Doch zurück zum Streitpunkt: Was sollte Ihrer Meinung nach mit der Pappelallee jetzt geschehen?

Klein: Unsere Kritik am Kahlschlag bleibt bestehen. Denn die Notwendigkeit zum Kahlschlag ergibt sich erst aus der Forderung einer Nachpflanzung mit Schwarzpappeln, die extrem lichthungrig sind. Da braucht es dann mehr Platz und weitere Abstände zwischen den Bäumen. Unser Vorschlag eines arten-durchmischten Auwaldes könnte den Charakter der Pappelalle erhalten und gleichzeitig für zusätzliche Sicherheit sorgen. Denn das scheint das Kernproblem: Viele Bäume könnten länger erhalten bleiben, wenn entsprechende Mittel im Haushalt bereits gestellt würden – die Mittel für die Technischen Betriebe zur Baumpflege müssten deutlich aufgestockt werden. Dann kommen wir gar nicht erst in solche „Kahlschlag-Diskussion“. Doch das ist eine politische Entscheidung.

Boll: Denn auch das ist klar: Das von seemoz in die Diskussion eingeführte BGH-Urteil würde auf Schweizer Boden nicht gelten. Wobei die reine Haftungsfrage eher zweitrangig ist – die moralische Fürsorgepflicht ist ausschlaggebend.

Klein: Der Baumbestand hätte Stück für Stück ersetzt werden sollen. Mit einer sinnvollen Aufforstung entsteht erst dann ein lebendiger Organismus. Wobei wir nichts gegen Schwarzpappeln haben – dieser wunderschöne Baum ist vom Aussterben bedroht und sollte gehegt werden. Nur als alleiniger Alleebaum taugt er nicht. Denn die Sicherheit muss Vorrang haben.

Boll: In der Schweiz gibt es ein Erhaltungsprogramm für Schwarzpappeln. Von daher ist das Plädoyer des Schweizer Sachverständigen auch nur zu gut verständlich. Nur darf eben nicht übersehen werden, dass bei Pappeln wie bei anderen Weichhölzern ein erhöhtes Astbruch-Risiko besteht, denn kerngesunde Bäume werfen kerngesunde Äste ab, um sich besser zu vermehren. Und das ist bei Schwarzpappeln noch deutlicher ausgeprägt als bei den Hybridpappeln, die jetzt im Tägermoos stehen.

Sie sprachen von politischer Verantwortung bei solchen Entscheidungen. Meint das: Der Konstanzer Gemeinderat sollte das letzte Wort haben?

Klein: Eindeutig ja. Sowohl bei Fragen der Haftung als auch bei den Kosten – Stichwort: Mehr Geld für Baumpflege – und natürlich bei einer derart gravierenden Entscheidung einer solchen Großfällung sollte das letzte Wort zukünftig ausschließlich beim Gemeinderat liegen.

Boll: Und dabei sollte, um auf das Tägermoos zurück zu kommen, von den Politikern auch die Erholungsfunktion eines solchen wunderschönen Landstrichs nie außer Acht gelassen werden.[modal id=“19250″ style=button color=default size=default][/modal]

Autor: hpk