Eso-Touch im Konstanzer Gemeinderat

Claudia Zunker

Nur noch Unangenehmes aus Konstanz. Wochenlang bestimmte die Debatte um die Kündigung von Gert Müller-Esch die Schlagzeilen, nun gerät die vhs zunehmend in den Fokus des öffentlichen Interesses. Hier wie dort wurden Personalentscheidungen getroffen, die kaum nachvollziehbar sind und für die im Zweifel der Steuerzahler gerade stehen muss. Aber bald wird alles besser, denn für den flüchtigen Stadtrat Klaus Frank rückt eine Esoterikerin nach.

Noch vor wenigen Monaten ließ Klaus Frank verlauten, dass mit ihm bei den kommenden OB-Wahlen erneut als Kandidat zu rechnen sei. Daraus wird nun nichts, Frank kehrt Konstanz aus beruflichen Gründen den Rücken und scheidet damit ab sofort aus dem Gemeinderat aus. Er war seit 2009 für die Liste „Frank und Freie“ (FuF) in diesem Gremium, seine Nachfolgerin heißt Claudia Zunker, ehemals Claudia Kraus. Ein pikanter Wechsel, denn Claudia Kraus machte im Sommer 2009 negativ auf sich aufmerksam. Mit ihrer Kollegin Katja Groetsch trat sie an mehrere Konstanzer Schulen heran und bot ein Gewaltpräventionsprojekt an, für das die EU angeblich Millionen locker machen würde. Beide bezeichneten sich als „Direktorinnen“ eines ominösen Konstanzer Instituts, das sich „Vita Adiutorium“ nannte.

Der Vorgang entpuppte sich schnell als Rohrkrepierer, denn die angesprochenen Schulleiter lehnten das obskure Angebot wohlweislich ab. (seemoz berichtete am 7.7. und 19.7.2009). Einzig der Südkurier fiel auf die Mogelpackung rein und titelte: „EU-Millionen für Konzept gehen flöten“. Ohne kritisch nachzufragen, hatte die Lokalredaktion den vollmundigen Ausführungen von Claudia Kraus Glauben geschenkt. Weitere Recherchen von seemoz brachten ans Licht, dass die Kontakte von Kraus und Groetsch Richtung EU eher Wunschdenken waren und auch andere angebliche Kooperationspartner wie Uni Konstanz, HTWG oder Archäologisches Landesmuseum von dem Projekt gar nichts wussten. Die Luftnummer, die eher nach EU-Abzocke roch, löste sich dann schnell in Rauch auf und geriet in Vergessenheit.

Nun, rund zwei Jahre später, zieht die gelernte Krankenschwester Claudia Kraus/Zunker durch die Hintertüre in den Konstanzer Gemeinderat ein. Beruflich hat sie sich rundum erneuert und bietet seit geraumer Zeit über ihre alte Firma IVA (Institut „Vita Adiutorium“) Kurse für Persönlichkeitsentfaltung und Lebenskompetenz an. Sie bezeichnet sich neuerdings als „Omega-Health-Trainerin“, und „Elite-Omega-Coach“ – allesamt eigenartige Praktiken aus dem esoterischen Absurditätenkabinett. Herzlich willkommen im grobstofflichen Rathaus.

Dem Vorstoß der Linken Liste, über die katastrophale Personalpolitik der vhs-Verantwortlichen im Gemeinderat zu beratschlagen, haben sich mittlerweile auch andere Fraktionen angeschlossen. Möglich, dass schon am Dienstag im Kulturausschuss das Thema zur Sprache kommt. Ähnlich wie im Fall Müller-Esch glaubten die Verantwortlichen, sie könnten ihre Unfähigkeit aussitzen. Nicola Ferling und Dorothee Jakobs-Krahnen, beide im vhs-Vorstand, haben sich bislang nicht erhellend über die Hintergründe der Kündigung von Reinhard Zahn geäußert. Auch Landrat Hämmerle hüllt sich in Schweigen und der Konstanzer Sozialdezernent Claus Boldt ist ebenfalls sehr ruhig geworden.

Das allerdings kann man durchaus verstehen, der Mann hat seit der Gerichtsklatsche wg Müller-Esch andere Sorgen. Laut geworden sind allerdings viele vhs-DozentInnen, die unter anderem die Wiedereinstellung Zahns fordern. Sollte sich der Gesamt-Gemeinderat in Bälde mit der Angelegenheit befassen, dann darf man gespannt sein, was genau die Verwaltung in den nichtöffentlichen Teil abzuschieben gedenkt. In der Regel bemüht sie in immer hektischer werdender Schnappatmung den Passus, dass Personalangelegenheiten in der Regel nichtöffentlich behandelt werden. Doch in diesem Fall besteht bei der Aufklärung der Hintergründe ein überaus starkes öffentliches Interesse. Ein Ausgemauschel verbietet sich, Transparenz ist angesagt. Außerdem sollte dem vhs-Dozentenrat die Möglichkeit eingeräumt werden, öffentlich Stellung zu beziehen.

Ganz große Bauchschmerzen hat dabei die FGL. Ihre Fraktion, so Fraktionssprecherin Christiane Kreitmeier auf Anfrage, möchte darüber schon reden, aber eben nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Ein seltsames Gebaren einer Fraktion, die mal für ein „gläsernes Rathaus“ stand. Der Hintergrund der massiven grünen Verzagtheit: Die FGL möchte ihr Fraktionsmitglied Jacobs-Krahnen, die ja für das vhs-Desaster mitverantwortlich ist, halbwegs schützen. Und das, obwohl sie einige MitstreiterInnen in ihrer Fraktion regelmäßig auf eine ganz hohe Palme bringt. Angeblich soll JK intern sogar damit geliebäugelt haben, sich als OB-Kandidatin ins Gespräch zu bringen. Da rappelte es aber vernehmlich im Büro der FGL. Seit der KKH-Debatte, bei der die FGL gespalten und zutiefst zerstritten war, geht ein tiefer Riss durch die zahlenmäßig stärkste Gruppierung im Gemeinderat, der nur noch mit allergrößter Mühe zu kitten ist. Grüner Abgesang auf breiter Front?

Nicht genug damit: Wohin man auch sein Auge lenkt, torkelt einem Jacobs-Krahnen über den Weg. So auch bei der Absicht des „Club of Rome“, in Konstanz ein Büro auf Kosten der Stadt einzurichten. Die durchaus honorige Organisation, die bereits vor knapp 40 Jahren mit ihrem Bericht „Die Grenzen des Wachstums“ für internationales Aufsehen gesorgt hat, drängt es offensichtlich mit Macht an den See. Also hat sich die Stadt bereit erklärt, für den CoR ein Büro zu suchen: „mit etwa 80 – 100 qm“. Die Kosten hierfür, so stand es in der Vorlage für den Haupt- und Finanzausschuss (HFA) „müssten durch die Stadt Konstanz getragen werden und lägen bei einem geschätzten Quadratmeterpreis von 4,50 (!) – 12,50 Euro bei 80 qm zwischen 4320 – 12 000 Euro jährlich (zuzüglich Nebenkosten und Mehrwertsteuer)“. Was, fuck the hell, hat nun JK damit zu tun? Ganz einfach: Vor einiger Zeit hielt ein Prof. Dr. Dr. irgendwie, der mit dem CoR verbandelt ist, einen Vortrag bei der vhs. JK kam dann auf die spontane Idee, dem Manne den Standort Konstanz schmackhaft zu machen und setzte die Verwaltung in Gang. Scheint gelungen zu sein.

Hartnäckig in nonverbaler Kommunikation übt sich Graf Björn Bernadotte. Vor allem, wenn es um die NS-Geschichte seiner Insel Mainau geht. Mehrmals wurde er bereits angefragt, ob er denn nicht mit einer Gedenktafel daran erinnern möchte, dass auf der Mainau nach Ende des Krieges 33 ehemalige französische KZ-Häftlinge gestorben waren. Man hatte sie mit vielen anderen im Frühjahr 1945 auf die Mainau gebracht, um sie dort gesund zu pflegen. Die 33 Verstorbenen wurden auf der Mainau bestattet, aber dann sorgte Graf Lennart Bernadotte, einst ein überzeugter Nazisympathisant, dafür, dass die sterblichen Überreste der KZ-Opfer von der Insel kamen und auf den Konstanzer Hauptfriedhof umgebettet wurden. (seemoz berichtete ).

Und auch Lennart Bernadottes Sohn Graf Björn will sich mit der NS-Last der Mainau nicht befassen, stellt sich taub und schaltet seine gräflichen Ohren seit Wochen auf Durchzug. Telefonisch ist er nicht zu erreichen, eine schriftliche Anfrage blieb unbeantwortet. Diese Ignoranz der Nachgeborenen gegenüber der eigenen Geschichte ist höchst ärgerlich. Dabei könnte es so einfach sein: Die 33 hatten Namen und viele werden noch Nachkommen haben, die dankbar dafür wären, wenn man in einem würdigen Rahmen an die tragischen Schicksale ihrer Vorfahren erinnern würde.

Dadurch bekäme auch die Konstanzer Städtepartnerschaft mit Fontainebleau einen aktuellen Sinn. Doch momentan herrscht gesammeltes Schweigen bei den Bernadottes. Die profitable Verwertung des Mainauwaldes als Klettergarten scheint der gräflichen Familie weitaus wichtiger zu sein.

Autor: H.Reile