(Ex-)Sprachendienst produziert ein Theaterstück mit der GEMS

Die „Transnationale Geschichte“ ist eine Art der Geschichtsschreibung, die die nationalstaatlich begrenzte und definierte Geschichtsdeutung überschreitet und die Ausrichtung der Geschichte global(er) betrachtet. Die EU hat sich dieser Thematik angenommen und über das ERASMUS+ Bildungsprojekt Gelder für ein regionales Projekt bereitgestellt.

Seit 2009 hat der Sprachendienst Konstanz mit europäischen PartnerInnen in der Erwachsenenbildung kooperiert und darüber wiederholt auch auf seemoz berichtet. Seit Ende 2021 gibt es die Sprachenschule nicht mehr, aber es gibt noch ein EU-Projekt, das bis August 2023 läuft. Für dieses wurde eine neue Heimat gefunden, das Kulturzentrum GEMS in Singen, welches unter anderem für seine Theaterarbeit weit über die Region hinaus bekannt ist. Erinnert sei nur an die Stücke von Gerhard Zahner „Aby Warburg“, „Die Reis“, „Verlorene Bilder“ und die beeindruckende Theaterarbeit mit benachteiligten Jugendlichen und Schulen.

Transnational History – Transnationale Ansätze und multi-perspektivische Methoden in der Geschichtsvermittlung

Das ERASMUS+ Bildungsprojekt für die Erwachsenenbildung – als Kooperation von sieben Partnern in sechs europäischen Ländern (Belgien, Deutschland, Kroatien, Österreich, Polen, Schweden) – geht der Frage nach, wie in Europa vor dem Hintergrund der heterogenen ethnischen und nationalen Zusammensetzung von Lerngruppen Geschichte vermittelt werden kann. Abgesehen von lang ansässigen ethnischen Minderheiten hat die Globalisierung zur Migration innerhalb Europas, aber auch zu räumlichen Bewegungen von Menschen aus außereuropäischen Ländern in die EU beigetragen. Dazu kommen geflüchtete Menschen aus verschiedensten Teilen der Welt, die in den Mitgliedsländern Aufnahme gefunden haben.

Ein Großteil der Personen im europäischen Bildungssystem bringt vielfältige transnationale Erfahrungen mit, die in einem eng gefassten nationalen Geschichtsunterricht keinen Platz finden. Historische Ereignisse und Entwicklungen müssen transnational und multiperspektivisch aufgearbeitet und vermittelt werden. Ziel des Projekts ist es, verschiedene Methoden einer Geschichtsvermittlung, die transnationale und multiperspektivische Fragestellungen berücksichtigt, auszuprobieren und Anleitungen für den Unterricht auszuarbeiten.

Jedes Partnerland hat ein Thema gewählt, das Teil der eigenen Geschichte ist. Belgien befasst sich mit seiner Kolonialgeschichte und der heutigen musealen Darstellung dieses düsteren Kapitels. Deutschland hat als Schwerpunkt den Themenkomplex Flucht und Vertreibung nach 1945. Kroatien geht zurück in die Zeit des Zweiten Weltkriegs und arbeitet die Folgen der italienischen Besatzung für die Bevölkerung auf. Die slowenische Minderheit in Kärnten ist Thema des österreichischen Partners. Im März 1968 erlebte Polen erneut antisemitische Umtriebe, die in den Jahren bis 1972 zu einer Massenemigration von polnischen Jüdinnen und Juden, insbesondere nach Israel und Schweden, führten. Eine innereuropäische Migration, nämlich die Arbeitsmigration von Griechenland nach Schweden in den sechziger Jahren, hat der schwedische Partner als seinen Schwerpunkt gewählt.

Die Methoden verschränken sozial- und geisteswissenschaftliche Zugänge mit künstlerischen Ausdrucksweisen: in Form von Videoclips, einer Ausstellung und einer Theateraufführung. Basis dafür bilden – in Anlehnung an die Herangehensweise der Oral History – biografische Interviews mit ZeitzeugInnen. Das Führen, Bearbeiten und Editieren biografischer Interviews für Ausstellungen, Videoclips und Theaterproduktionen steht im Mittelpunkt des Projekts.

Die Ausstellung wird im Mai 2023 zeitgleich in Konavle (Kroatien) und Norrköping (Schweden) gezeigt. Das Theaterstück wird derzeit unter Anleitung des Theaterpädagogen Albert Bahmann entwickelt und im Juni 2023 in der GEMS uraufgeführt. Die entsprechenden Termine werden rechtzeitig veröffentlicht.

Text: Iris Frank und Brigitte Walz-Richter
Bild: Mamadou Traore  auf Pixabay