Fahrradverkehr: Frage des politischen Willens

Mitglieder der SPD-Gemeinderatsfraktion sind gestern Abend zusammen mit Gregor Gaffga, dem Radverkehrsbeauftragten der Stadt, sowie Ralf Seufert vom ADFC durch Konstanz geradelt, haben sich neuralgische Punkte im Radverkehrsnetz angeschaut und über Lösungsmöglichkeiten diskutiert. Eins wurde dabei klar: Elegante Lösungen für einen alle Verkehrsteilnehmer befriedigenden Verkehrsmix gibt es nicht – wie die Zukunft des Verkehrs aussieht, ist vor allem eine politische Frage.

In den Strategie-Papieren aller möglichen mehr oder weniger windigen Berater und Wirtschaftsgurus ist gern im herr(schaft)lichsten Unternehmer-Neusprech von „Win-Win-Situationen“ die Rede. Im Straßenverkehr jedenfalls scheint es solche Situationen nicht zu geben, zumindest nicht in Konstanz. Wer hier etwas für Radfahrer, Fußgänger und ÖPNV tun will, muss den benötigten Platz vielerorts den Autos abzwacken.

Dass das durchaus nicht von allen Mitmenschen goutiert wird, zeigte sich bei dieser Bildungsreise am Zähringerplatz, wo eine Anwohnerin ihrem Unmut Luft machte. Dort wurden für Radstellplätze und das kommende Mietfahrradsystem Konrad fünf Parkplätze aufgehoben, und das sei vor allem für ältere Menschen ein Problem, beklagte sie. Gregor Gaffga berichtete den TeilnehmerInnen an der Exkursion von ohnehin heftigem Gegenwind von Anwohnern gegen das Mietradsystem, wo auch immer Parkplätze dafür wegfallen.

Mieträder kommen demnächst

Wo bleiben die Mieträder eigentlich? Die Verwaltung hofft, dass sie noch in diesem Monat endlich in Betrieb genommen werden können, bisher gab es Probleme mit der Software. Wer sich wundert, dass die bereits installierten Ständer ja Felgenquetschen sind, die man eigentlich nicht mehr verwendet, kann beruhigt sein: Die Dinger haben Felgen, die das aushalten sollen, und wohl nur 20 Zoll, was sie deutlich stabiler macht.

Aber weshalb gibt es in Konstanz eigentlich zwei Systeme – TINK für Lastenfahrräder und konrad für die künftigen Mietfahrräder? Die Antwort klingt mehr nach Föderalismus und weniger nach Benutzerfreundlichkeit: TINK war ein Versuchsprojekt, das noch bis Juni 2018 läuft und weitgehend von außerhalb finanziert wird. konrad hingegen ist ein Mietfahrradsystem in der Obhut der Stadtwerke, und die wollten nicht bis Juni warten, um dann das auslaufende TINK zusammen mit den Mietfahrrädern als ein einheitliches neues System zu starten.

Aber so bürokratisch, wie es sich anhört, ist es denn doch nicht. Wenn die Förderung für die Lastenfahrräder ausläuft, kann die Stadt die Lastenfahrräder übernehmen. Im Juni soll dies Thema im Technischen und Umweltausschuss werden. Die Kosten für die Lastenfahrräder werden auf 30.000 Euro pro Jahr geschätzt, es ist also eine Frage des politischen Willens der GemeinderätInnen, diesen Betrag auf dem Weg zur Radstadt Konstanz lockerzumachen. Da sowohl Lasten- als auch Mietfahrräder vom Unternehmen „Fahrradspezialitäten“ betreut werden, sollte es am Ende ein einheitliches System an den oft ja auch gemeinsamen Standorten geben. Alles Andere wäre auch widersinnig, schließlich kann ich mir bei einer Autovermietung ja sowohl Umzugslaster als auch PKW mieten.

Die Situation am Bahnhof wird noch beschissener

Am Bahnhof gab es dann einige deprimierende Nachrichten, und die 11 TeilnehmerInnen der Exkursion schauten entsprechend verunsichert in den Frühsommerabend [siehe Foto: Herbert Weber (SPD), Ralf Seufert (ADFC), Johannes Kumm (SPD)]. Auf dem Bahnsteig 1 gibt es zwar überdachte Fahrradständer, aber dort ist das Abstellen von Fahrrädern eigentlich nicht erlaubt, sondern nur geduldet. Auf dem Bahnsteig sowie in der Parktasche hinter der Bushaltestelle werden – vor allem von Pendlern – regelmäßig rund 300-500 Fahrräder geparkt, wahrscheinlich hat irgendein lokaler DBler die Abstellanlage dort einmal vor langer Zeit eingerichtet, und dann wurde sie Gewohnheitsrecht. Und über eins sind sämtliche VerkehrsplanerInnen einig: Wenn es ein absolut unbewegliches Unternehmen gibt, dann ist es die Bahn.

Aber in diesem Fall bewegt sie sich (leider) doch. Das heißt: Bald ist Schluss mit den Fahrrädern am Bahnhof. Im Zuge von Umbaumaßnahmen (Bahnsteigerhöhung etc.) werden die Fahrradständer auf dem Bahnsteig demnächst abgeschafft, und die Parktasche wird dann als Aufstellfläche für Bauwagen und Material benötigt. Für Fahrradpendler, die nicht nach Petershausen ausweichen können, ist das eine mittlere Katastrophe. Die Stadt will zwar irgendwann im Zuge der Umbauarbeiten (C-Konzept) in der dann beruhigten Zone vor dem Bahnhof etwas mehr Platz für Fahrräder schaffen, aber Hand aufs Herz: Ein schlüssiger Plan hört sich anders an.

Ralf Seufert brachte es auf den Punkt: Als der Schweizer Bahnhof frei wurde, den jetzt ein Sportgeschäft gepachtet hat, hätte die Stadt zuschlagen müssen. Dort wäre der Platz für eine Fahrradstation gewesen, die man etwa zusammen mit „Indigo“ hätte betreiben können, einschließlich einer Fahrradwerkstatt: Morgens auf dem Weg zur Arbeit das kaputte Fahrrad gebracht, abends auf dem Rückweg ist es gemacht. Den Vorschlag, nach dem absehbaren Abriss der Ladenzeile einen Neubau mit einer Fahrradgarage zu unterkellern, kommentierte SPD-Altkämpe Herbert Weber abgeklärt mit „das erlebe ich nimmer, und von Euch erlebt’s wohl auch keiner mehr“.

Die alte Rheinbrücke als Chance

Eine wichtige Station war die Alte Rheinbrücke, und Gregor Gaffga hatte auch hierfür Pläne mitgebracht. Auf der Rheinbrücke soll die bisherige westliche Außenspur für Radfahrer in Zukunft Fußgängern gehören. Dafür soll die direkt angrenzende bisherige Autospur zu einem Zwei-Wege-Radweg (Räder also in beiden Richtungen, und damit eher unfallträchtig) ausgebaut werden. Außerdem soll es eine Verlängerung des Fußweges an der Konzilstraße dergestalt geben, dass Fußgänger direkt über eine neue Fußgängerampel über den Rheinsteig ebenerdig zum Rheintorturm kommen. Für Radfahrer soll aber an beiden Enden der Alte Rheinbrücke alles beim Alten bleiben: Enge Serpentinen. Es ist absehbar, dass sie den neuen Fußweg zum Rheintorturm benutzen werden, aber auf diesen Vorhalt zuckt die Verwaltung nur mit den Schultern.

Gregor Gaffga deutete an, dass von höherer Stelle beschlossen wurde, dass es bis auf den neuen Fahrradstreifen auf der Rheinbrücke kein nennenswertes Geld für Veränderungen im Bereich von Sternenplatz und Alter Rheinbrücke geben werde. Radstadt Konstanz ja, Kohle nein. Punkt. Dies ist erkennbar nicht seine Entscheidung. Er sagte auch, dass man in Amsterdam oder Kopenhagen ganz einfach eine weitere Brücke für Fußgänger und Radfahrer westlich neben die Alte Rheinbrücke setzen würde, aber man sei schließlich in Konstanz.

Auch sein Vorgesetzter Karl Langensteiner-Schönborn ist eigentlich ein Anhänger solch skandinavischer oder niederländischer Lösungen. Woran liegt es also in Konstanz, dass diese anderswo bewährten Lösungen nicht mal angedacht werden? Vermutlich am politischen Willen.

Ralf Seufert aber geißelte das gesamte Konzept für diesen Bereich, und das mit einigem Recht: Die Zustände an der Konzilstraße sind für Radfahrer und Fußgänger gleichermaßen unerträglich, und hier hilft kein Gefasel von „kreativen Lösungen“. Entweder baut man rechts und links ausreichend breite Fahrradwege, die man auch über die Rheinbrücke hin verlängert, um gefährliche Kreuzungen zu vermeiden, oder man flickt weiter am bisherigen Flickwerk herum, ohne etwas zu erreichen. Auch dies, man ahnt es: Es ist eine Frage des politischen Willens.

Also, was wollt Ihr? Wirklich nur Maoam?

Nein?

Das etwas angegilbte Foto zeigt, wie es künftig auf der Alten Rheinbrücke wieder zugehen soll.

Nur den Schutzmann mit den Flügelarmen, der den Verkehr regelt, den wird es nicht wieder geben. Der wurde nämlich nach Tarif bezahlt.

Auch das ist aber eine Frage des politischen Willens. Also, traut Euch.

Harald Borges (Foto: privat)