Fahrraddemo „Tour de Natur 2023“ erobert den Süden

„aktiv – umweltbewegt – unaufhaltsam“ ist das Leitmotiv der seit 1991 jährlich stattfindenden „Tour de Natur“. Vom 29. Juli bis 13. August führt diese zweiwöchige Fahrrad-Demonstration in diesem Jahr erstmals durch den Süden unserer Republik entlang des Bodensees und durchs Allgäu. Start ist die „Hegau-Metropole“ Singen und Ziel die bayerische Landeshauptstadt München. Verkehrs-, Klimaschutz- und Friedensthemen werden auf der Agenda stehen.

Radeln für eine bessere Welt – unaufhaltsam seit 32 Jahren

Und dennoch ist diese zum 32. Mal stattfindende Fahrrad-Demonstration selbst unter Umweltaktivist:innen hier in der Hegau-/Bodenseeregion wenig bekannt. Die einfache Erklärung (insofern auch keine „Bildungslücke“): Bislang verliefen die Routen zu weit nördlich, um hier Aufmerksamkeit zu erregen. Zuletzt wurde 2022 von Lützerath nach Frankfurt a.M. geradelt. 2023 gibt es also eine Premiere südlich der Mainlinie.

Nicht den von der Tourismus-Werbung ausgeschlachteten und inzwischen vielerorts bereits markierten und beschilderten „Selfie-Points“ der jeweils besuchten Landstriche gilt das Interesse dieser vom Umweltverband „Grüne Liga / Netzwerk Ökologischer Bewegungen“, Dresden, organisierten Radtour. Sondern ihren Widerparts: Klimakrise und stagnierende Energiewende, Agrarindustrie kontra zukunftsfähige Landwirtschaft, Überkonsum, Risikotechnologie Atomkraft, Autowahn statt Verkehrswende sind Beispiele für Themen, auf welche die Teilnehmenden alljährlich „am Wegesrand“ stoßen und genauer hinschauen.

Begonnen hat alles 1991 mit einer von rund 30 Umweltaktvist:innen spontan organisierten Radtour gegen den Bau der „Thüringer-Wald-Autobahn“ (A71/73), in welcher sie lediglich Naturzerstörung und Autowahn sahen. „Autobahn = Wirtschaftsaufschwung“ war das Credo für dieses „Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nr. 16“. Verhindert werden konnte es nicht. Gegen das sakrosankte Gebot „Freie Fahrt für freie Bürger“ helfen auch massivste Proteste von Bürgerinitiativen und namhaften Umweltverbänden bekanntlich selten (jüngstes Beispiel: die Rodung des Dannenröder Forsts für die A49).

Die Autobahn kam, aber auch die Initiative „Tour de Natur“ blieb und die Zahl der Teilnehmenden wuchs. Jahr für Jahr radeln seitdem im Sommer für zwei Wochen in mehreren Etappen 100 bis 150 Menschen durchs Land. Gemeinsam Politik machen, sich mit regional aktiven Menschen über ökologische und soziale Fragen austauschen und sich dauerhaft vernetzen, lokale Bürgerinitiativen unterstützen, mit Expert:innen über Alternativen diskutieren, steht im Fokus dieses besonderen Demozuges. Doch es wird nicht nur in die Pedale getreten: Musik, Tanz, Straßentheater u.v.m. gehören ebenso zum Programm wie Kundgebungen an diversen Brennpunkten und informative Abendveranstaltungen.

„Tour de Natur 2023“: Stationen und Themen

Die Auftaktveranstaltung findet am Samstag, 29. Juli, in Singen am Hohentwiel statt. Für manche der Teilnehmenden von weiter weg vielleicht eher Terra incognita. Oder allenfalls durch die berühmt-berüchtigte „Maggiwürze“ bekannt. Oder als die Stadt, die ab jetzt Anreisende aus Stuttgart monatelang nicht mehr durchgehend bequem mit der Gäubahn, sondern nur via Schienenersatzverkehr erreichen können! Abgesehen davon, dass dank „Stuttgart 21“ die bisher bestehende durchgehende Verbindung Stuttgart – Singen – Zürich auf lange Jahre oder gar für immer gekappt sein wird.

Doch nicht der Bahn, sondern dem Radverkehr gilt in Singen das Interesse: Was wurde bisher geleistet in der seit den 1960er-Jahren traditionell autofreundlichen Stadt, die 2021 als „Fahrradfreundliche Kommune“ in Bronze ausgezeichnet wurde? Wie soll und muss es weitergehen, um die Mobilitätswende vielleicht doch noch zu schaffen?

Am Sonntag, 30. Juli, macht sich die Tour auf den Weg nach Bodman zu einem Besuch bei Peter Lenk und nach Überlingen zur Kundgebung der Initiative Bodensee-S-Bahn. – Die Themen Saatgut-Forschung und Radschnellweg als Alternative zum Ausbau der B31 neu stehen am Montag, 31. Juli, in Immenstaad und Friedrichshafen auf der Agenda, wo dann für einen Tag Radelpause eingelegt wird. – Vom 2. bis 5. August wird Station in Hardt bei Bregenz gemacht, um mit dem Busknotenpunkt Dornbirn ein gutes Beispiel für ÖPNV im ländlichen Raum kennen zu lernen, ein Wasserkraftwerk im Montafon zu besichtigen und einen eigenen Eindruck von der Landschaft zwischen Bodensee und alpiner Bergwelt zu gewinnen. – Zum Abschluss der ersten Woche schließlich wird die „Tour de Natur“ am Samstag, 5. August, in Lindau die Friedensradtour der DFG-VK Bayern treffen und gemeinsam zu einem Friedenscafé einladen, ehe es in der zweiten Woche ins Allgäu und weiter Richtung München geht. Agrophotovoltaik und Geothermie, Kiesabbau und industrielle Tierhaltung sind weitere geplante Themen entlang der Tourenstrecke. Zum Abschluss am Sonntag, 13. August, in München soll nochmals für eine Verkehrswende und die Stärkung des Radverkehrs in die Pedale getreten sowie für das Thema Rüstungsindustrie und Friedenspolitik sensibilisiert werden.

Ehrenamtlich organisierte Mitmach-Tour

Mitmachen kann jede:r, Jung und Alt, Familien mit Kindern – gern auch spontan und bei einzelnen Etappen. Benötigt wird nur ein tourentaugliches Fahrrad. Das Tempo ist so moderat (etwa 10 km/Std.), dass alle mithalten können. Gefahren wird ausschließlich auf eigens für die Demo gesperrten Autostraßen, mit Polizeibegleitung. Übernachtet wird in Gemeinschaftsunterkünften, Schlafsack und Isomatte daher nicht vergessen. Für die Verpflegung (vegan, vorwiegend regional, saisonal und bio) sorgt das Orga-Team mit seiner auf Lastenrädern transportierten mobilen Küche.

Weitere Informationen zu Anmeldungen und (den sehr günstigen) Kosten gibt es unter www.tourdenatur.net oder telefonisch unter 0351-21 78 90 36 bzw. während der Tour unter der Hotline 0176-96 52 34 08.

Text: Uta Preimesser / PM und Flyer Tour de Natur
Abbildungen: Skizze Streckenverlauf Singen – München © Tour de Natur; Fotos: Tour de Natur auf der Autobahn (2019) © Frank Vogelsteller; bepacktes Lastenrad (2018) © Tour de Natur; Blick vom Hohentwiel über Singen bis zum Bodensee © Dieter Heise

Weitere Quellen und Informationen
– Flyer 2023 als PDF zum Download: www.tourdenatur.net
– Grüne Liga Dresden / Oberes Elbtal e.V.: http://www.grueneliga-dresden.de/