Fahrradstraße: 1 Schritt zurück, 3 Schritte vorwärts
In einer Sondersitzung ging der Konstanzer Gemeinderat in Sachen Fahrradstraße im Bereich Petershauer Straße und Jahnstraße wieder zurück auf Start. Nachdem Oberbürgermeister Uli Burchardt aus juristischen Bedenken Widerspruch gegen den Gemeinderatsbeschluss pro Fahrradstraße eingelegt hatte, beschloss die Volksvertretung jetzt, das Verfahren von vorn zu beginnen – mit dem Ziel, im nächsten Sommer endgültig eine temporäre Fahrradstraße zu beschließen
Der Gemeinderat hatte in seiner Sitzung vom 20. November mit klarer Mehrheit die Umwandlung großer Abschnitte von Jahn- und Petershauser Straße in eine Fahrradstraße mit Tempo 30 für den motorisierten Anwohnerverkehr beschlossen. Der Oberbürgermeister hat seinen Widerspruch dagegen eingelegt, und in der Stadt wurde über seine Motive so manches gemutmaßt: Etwa, dass der Oberbürgermeister von notorischen Bleifüßen in der CDU in den Senkel gestellt worden sei und daher jetzt mit einem juristischen Kniff den Gemeinderatsbeschluss zugunsten der Autofahrer-Lobby zu hintertreiben versuche.
Dass dem ganz und gar nicht so ist, wurde in der Sitzung überzeugend deutlich. Uli Burchardt betonte, er persönlich sei nicht etwa gegen Fahrradstraßen, und auch der Wille des Gemeinderates, eine Fahrradstraße einzurichten, sei angesichts der 22 Ja-Stimmen ganz unmissverständlich. Der OB will aber eine rechtssichere Entscheidung, und die Entscheidung des Gemeinderates in der bisherigen Form werde seiner Ansicht nach von den Gerichten ganz schnell gekippt – die ersten Klageandrohungen lägen ihm auch schon vor.
Juristische Bedenken
Silvia Löhr, Justiziarin der Stadt Konstanz, begründete, was das für das weitere Vorgehen bedeutet: Die Gemeindeordnung (die das Tun des Gemeinderates regelt) schreibe zwingend vor, dass der Oberbürgermeister seinen Widerspruch gegen einen Gemeinderatsbeschluss innerhalb einer Woche einlegen müsse und dass darüber dann innerhalb von drei Wochen nach dem ursprünglichen Beschluss in einer Gemeinderatssitzung verhandelt werden müsse, daher die Sondersitzung. Der juristische Grund für den Widerspruch des Oberbürgermeisters sei aber, dass man eine Fahrradstraße laut Gesetz nicht einrichten dürfe, ohne vorher Daten über die tatsächliche Nutzung der Straße erhoben zu haben, und das sei hier nicht geschehen. Ohne Verkehrszählung darf also auch der Gemeinderat keine Fahrradstraße einrichten, und die letzten Daten für diesen Bereich stammen aus dem Jahr 2002.
Drei Schritte führen zur Fahrradstraße
Hans-Rudi Fischer vom Bürgeramt erläuterte, die Verwaltung brauche vom Gemeinderat jetzt zuallererst einmal einen Prüfauftrag, um eine Verkehrszählung durchführen zu können. Es muss also genau ermittelt werden, wie viele Autos, LKWs und Fahrräder diese Straßen tatsächlich benutzen. Außerdem müsse man auch die Unfalldaten erheben, um eine konkrete Bedrohung für die Radfahrer zu prüfen.
In der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur StVO heißt es: „Fahrradstraßen kommen dann in Betracht, wenn der Radverkehr die vorherrschende Verkehrsart ist oder dies alsbald zu erwarten ist. Anderer Fahrzeugverkehr als der Radverkehr darf nur ausnahmsweise durch die Anordnung entsprechender Zusatzzeichen zugelassen werden (z.B. Anliegerverkehr). Daher müssen vor der Anordnung die Bedürfnisse des Kraftfahrzeugverkehrs ausreichend berücksichtigt werden (alternative Verkehrsführung).“ Aus diesen gesetzlichen Regelungen leitet sich der Prüfwille der Verwaltung ab, die belegen muss, dass in diesem Bereich das Fahrrad die vorherrschende Verkehrsart ist oder zu werden verspricht.
Erst wenn die tatsächlichen Verkehrsströme geprüft seien, so Hans-Rudi Fischer, könne man die Fahrradstraße in zwei weiteren Schritten einrichten. Im ersten Schritt müsse für 9-12 Monate eine temporäre Fahrradstraße geschaffen werden, und man werde dann schauen, ob sich durch diese Maßnahme die Lage für die Radfahrer verbessert habe. Grundlage ist wohl §45 StVO, wo es u.a. heißt: „Die Straßenverkehrsbehörden können die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken […] beschränken oder verbieten […] zur Erforschung des Unfallgeschehens, des Verkehrsverhaltens, der Verkehrsabläufe sowie zur Erprobung geplanter verkehrssichernder oder verkehrsregelnder Maßnahmen.“
Bringe die Fahrradstraße in der beschriebenen Form tatsächlich eine Verbesserung für die Radfahrer, könne dann nach diesem Zeitraum in einem letzten Schritt über die endgültige Fahrradstraße ohne Durchgangsverkehr (abgesehen vom Anliegerverkehr) befunden werden.
Warum erst jetzt?
Den sinnvollsten Beitrag in der kurzen Debatte leistete der in Verkehrsfragen versierte Jürgen Ruff (SPD), indem er fragte, warum das alles denn nicht bereits geschehen sei und die Verwaltung den Verkehr nicht schon längst gezählt habe. Ein verständliches Murren klang bei ihm durch, dass die Verwaltung den Gemeinderat in dieser Frage durch pure Untätigkeit habe auflaufen lassen.
Das Ende der Debatte kam schnell und war absehbar: Der Gemeinderat entschied nahezu einstimmig, die Verwaltung möge die nötigen Daten erheben. Es ist damit zu rechnen, dass auf deren Basis dann bereits vor der Sommerpause 2015 die temporäre Fahrradstraße beschlossen wird.[modal id=“19250″ style=button color=default size=default][/modal]
Autor: O. Pugliese
In den zitierten Vorschriften steht kein Wort davon, dass v o r h e r gezählt werden muss!
Es genügt, dass der Fahrradverkehr nach der Maßnahme überwiegt.
Welch‘ abenteuerliche Erwartung, dass, wenn der KFZ-Verkehr durch ein Fahrradstraßenschild verboten wird, er legalerweise dann noch zahlreicher sein wird, als der Radverkehr an einer Radhauptverkehrsachse.
Wenn sich die Stadt Konstanz wirklich so vor Klagen fürchten würde, wären die seit 4 Jahren überwiegend rechtswidrigen Radwegebenutzungsschilder und unzulässige „Drückerampeln“ auf Radhauptverkehrsachsen schon lange beseitigt.
Bernhard Wittlinger
Rechtsanwalt
Während Konstanzer Bürger ausgebremst werden sollen, begeistern sich SV und GR mehrheitlich für das C-Konzept, welches laut Vortäuschung, Vorspiegelung (= Simulation)den Verkehr zukünftig besser in unsere Innenstadt „fließen“ lassen soll. Die Freude der dann ehemaligen Stausteher wird groß sein! Seht her, wir geben Millionen aus, um euch die Fahrt ins Herz von Konstanz zu erleichtern, das Oberzentrum ist eine autofreundliche Stadt, denn laut Aussage OB Burchhardts und des netten Baubürgermeisters L.-Sch. „ist es nicht das Ziel, die Auswärtigen und ihre Autos draussen zu halten“. Das ist ja mal klar und deutlich ein Bekenntnis für den Verkehr, für die Einzelhändler(die zahlen ja schließlich mehr Steuern!) und gegen eine große Anzahl von Bürgerinnen und Bürgern. Da keinerlei Anstrengungen unternommen wurden und auch nicht werden, den Verkehr zu reduzieren: Wo soll er denn hin „fließen“? Oder ist eine Rampe in den Bodensee geplant ? Lt. „Simulation“ wird durch die Sperrung Bahnhofplatz die Bodanstraße entlastet, wie auch immer, die Anwohner von Rheinsteig und Laube müssen pro „Spitzen“-Tag(nettes Wort)6000 Fahrzeuge mehr mehr verkraften u. das anliegende schon jetzt stark frequentierte Paradies wird durch Ampelanlagen u.a. an Grenzbach/Schulthaißstraße nun offiziell als „Schleichweg mit günstigen (Anwohner-)Parkplätzen“ legalisiert. Tja, und von der Laube aus bieten sich gleich mehrere Chancen, in diesen Stadtteil zu „fließen“. Ach ja, dort befindet sich übrigens die Haupt-Fahrradstraße !Allerdings ist die Nutzung dieser durch den massiv gestiegenen Verkehr, die vielen Seitenstraßen und Missachtung der Vorfahrt für Radfahrer inzwischen kein Vergnügen mehr. Eines ist sicher: Die Unfallgefahr dort ist wesentlich höher – aber sperrt deswegen jemand den Zugang zum Paradies?
Uli Burchhardt hat recht im Recht. Auch das Beispiel Glasschaden, dass zum Alkoholverbot führte, war nicht eindeutig nachzuweisen und so verlor Konstanz die juristische Auseinandersetzung. Ein juristischer Kniff kann im wohl nicht nachgesagt werden.
Im SK ist im Kommentar Rau heute nachzulesen, Unfälle in der Petershauser Straße wären wohl nicht alle dokumentiert worden. Eine eigenartige Phantasie des Fahrradstraßen-Befürworters, der wohl gerne mehr Unfälle für eine juristische Entscheidung sehen möchte. Dies Vorgang soll dann sogar als Bürgerbeteiligung herhalten.
Es ist tatsächlich viel Fahrradverkehr in der Petershauser Straße , der sich besonders vor der Bahnschranke staut. Aber muss deshalb gleich eine breite Durchgangsstraße zur Fahrradstraße umgewandelt werden? Eher sind breitere Fahrradwege und eine besserer Stauregelung an der Bahnschranke wichtig. Vielleicht endet dann die monatelange Diskussion im Interessenkonflikt.