Familienfest mit Geschichtsunterricht
Vor 80 Jahren überfielen SA-Horden überall in Deutschland die Gewerkschaftshäuser, verhafteten und verprügelten Gewerkschaftsfunktionäre, von denen viele den 2. Mai 1933 nicht überlebten – daran erinnerte Jan Engelhardt vom IG Metall-Vorstand in seiner bemerkenswerten Rede zum 1. Mai in Singen. Vor mehr als 300 Gewerkschaftern schlug er in seiner Rede den Bogen zur heutigen Lage im Land: „Ich erwarte, dass die NPD und alle faschistischen Organisationen endlich verboten werden“
„Am 1. Mai 1933 haben die Nationalsozialisten den internationalen Tag der Arbeiterbewegung zum ‚Feiertag der nationalen Arbeit‘ umgedeutet. Am 2. Mai 1933 wurden die Gewerkschaften zerschlagen. Dieser Tag besiegelte das Ende der Demokratie“. Jan Engelhardt aber beließ es in seiner Mai-Rede auf dem Singener Rathausplatz nicht beim historischen Rückblick – unmissverständlich forderte er ein NPD-Verbot, eine lückenlose Aufklärung der NSU-Morde und Konsequenzen aus dem Versagen der Sicherheitsbehörden. Denn: „Faschismus ist ein Verbrechen“.
Vor über 300 Gewerkschaftern auf der Mai-Kundgebung in Singen – Pflichttermin für die Bundestagskandidaten Nese Erikli (Bündnis 90/Die Grünen), Marco Radojevic (Die Linke) und Tobias Volz (SPD) sowie für die Singener OB-Kandidaten Häusler und Ehret (der übrigens wurde zum ersten Mal beim 1. Mai gesehen) – sprach sich IG Metall-Funktionär Engelhardt aber auch für eine Reform der EU und eine Entmachtung der „selbst ernannten Elite“ aus. „Das gilt für spanische Bauunternehmer ebenso wie für griechische Unternehmer, für italienische Industrielle genauso wie für deutsche Fußballpräsidenten“.
Und er stimmte auf die laufenden Tarifverhandlungen in der Metallindustrie und im Einzelhandel gerade in Baden-Württemberg ein. Bei einem Jahresprofit von 50 Milliarden Euro der betreffenden Unternehmen forderte er einen angemessenen Anteil für die Beschäftigten. Deutlich wurde, dass die beteiligten Gewerkschaften auch im Monat Mai vor Streiks nicht zurückschrecken wollen, zumal die Arbeitgeber-Angebote von unter zwei Prozent an Lohn- und Gehaltserhöhung nur noch beschämend seien.
Ansonsten wurde der 1. Mai in Singen wie ein Familienfest gefeiert: Mit selbst gebackenem Kuchen und Tanzeinlagen der Kinder, mit Zirkus-Darbietungen und Musik der Stadt-Kapelle. Ein gemütlicher Hock ohne Regen und später sogar wärmender Sonne. Nix mehr mit „Brüder, zur Sonne, zur Freiheit…“
Autor: hpk