„Faschismus entschlossen bekämpfen!“

Trauer, aber auch Wut – und vor allem die Forderung nach Konsequenzen. So lässt sich die Stimmungslage der um die 400 Menschen zusammenfassen, die sich am Freitagabend auf der Marktstätte in Konstanz einfanden. Gemeinsam gedachten sie der Opfer des rechtsextremistischen Attentäters, der am 19.2. in der hessischen Stadt Hanau gezielt neun Menschen ausländischer Herkunft ermordete und im Anschluss seine Mutter und sich selbst tötete.

Einem vom Solidaritätsbündnis Rojava über die sozialen Netzwerke verbreiteten Kundgebungsaufruf hatten sich in kürzester Zeit zahlreiche Konstanzer und Kreuzlinger Gruppen angeschlossen, darunter etliche antifaschistische Organisationen (VVN-BdA, OAT, Stolperstein-Initiative), Gemeinderatsfraktionen (LLK, FGL, SPD), Jugendorganisationen von Parteien (Linksjugend, Jusos), Religionsgemeinschaften (beide jüdische Gemeinden, muslimische Gemeinde) sowie einige weitere zivilgesellschaftliche Gruppen (Seebrücke) und Kultureinrichtungen.

In Redebeiträgen, die sich an eine Schweigeminute zum Gedenken an die Opfer anschlossen, klangen immer wieder die Angst und Verunsicherung an, die Menschen mit „Migrationshintergrund“ mittlerweile auch in Konstanz befällt. Anna Blank als Vertreterin der OrganisatorInnen und selbst nichtdeutscher Herkunft verwies auf den Rassismus, den viele Menschen alltäglich erfahren. „Ungleichheit kann uns täglich in Form von Diskriminierungen, Ausgrenzungen – und, ja, auch Mord treffen.“ Robert Ogmann, der für die liberale jüdische Gemeinde sprach, berichtete von der Angst und Unsicherheit, in der JüdInnen inzwischen in Deutschland leben. Viele fragten sich, „kann ich hier noch bleiben?“. Als roter Faden durch alle Reden zog sich der etwa von Zahide Sarikas, SPD-Rätin mit kurdischen Wurzeln, formulierte Appell, der grassierenden rassistischen Hetze im Alltag entgegenzutreten und Werte wie Toleranz und Humanität zu verteidigen. Andere RednerInnen wie Jürgen Geiger, der für das Rojava-Bündnis sprach, griffen die Verantwortlichen in Politik und Staat an, die das rechtsterroristische Bedrohungspotenzial seit Jahren kleinredeten, und wiesen auf die geistigen Brandstifter etwa aus den Reihen der AfD hin, die durch das Schüren von Fremdenhass als Stichwortgeber für die faschistischen Mordtaten agierten. Auch die bekannt gewordenen Verstrickungen staatlicher Akteure in die kriminellen Nazi-Aktivitäten etwa in Person von Verfassungsschutzagenten wurden mehrfach thematisiert.

Viel Beifall erntete ein Vertreter des Offenen antifaschistischen Treffens (OAT) für die Feststellung, die Täter von Halle und Hanau seien zwar allein aber keine Einzeltäter gewesen. „Denn einer Tat geht immer ein gesellschaftliches Klima voraus, und solange wir Teil einer Gesellschaft sind, sind wir für dieses Klima verantwortlich – und damit auch dafür, ob solche Taten geschehen oder nicht.“ Musterlösungen dafür gebe es nicht, aber es müsse „langsam dämmern“, dass der Weg nicht sein könne, mit den Hetzern im Bundestag und im Bekanntenkreis weiter verständnisvoll zu reden. „Nur wer die Erfahrung macht, für seine Ansichten radikale gesellschaftliche Ablehnung zu erfahren, hat die Chance zu begreifen, dass manche Dinge indiskutabel sind. Nicht diskutierbar ist die Menschenwürde, nicht diskutierbar ist die Freiheit des Individuums und ebenso wenig steht die Freiheit unserer Gesellschaft zur Diskussion. Lasst uns diese nicht diskutierbaren Freiheiten gemeinsam verteidigen!“

Ein Großteil der TeilnehmerInnen schloss sich nach dem Ende der Kundgebung einem spontanen Demonstrationszug an, der vor der fasnächtlich geprägten Kulisse der Innenstadt unübersehbar dem Willen Ausdruck verlieh, jede Art von Faschismus entschlossen zu bekämpfen.

jüg (Fotos: Andreas Sauer)