Fehlschlag, Fehlstart oder Fehltritt am Seerhein?
Kaum eröffnet, hagelt es Pannen beim Bodenseeforum am Konstanzer Seerhein: Schon kommt dem Eventtempel der Geschäftsführer abhanden, zudem häufen sich Klagen über die Sanitäranlagen und den Catering-Service. Außerdem wollen Gerüchte über eine Kosten-Überschreitung nicht verstummen. Fragt sich höchstens noch: Ist das ein Fehlstart oder schon ein Fehlschlag?
Geschäftsführer Thomas Karsch ließ sich bereits zwei Wochen nach Eröffnung des Hauses krankschreiben – wie man hört, rechnet in der Stadtverwaltung niemand mit seiner Rückkehr, vielmehr wird fieberhaft nach Ersatz gefahndet. Das ist nicht nur peinlich, sondern kann auch richtig teuer werden. Da offensichtlich versäumt wurde, die bei solchen Arbeitsverhältnissen übliche Probezeit vertraglich zu regeln, könnte es jetzt neben einer zu bezahlenden Freistellung auch zu Abfindungsverhandlungen kommen – der Schaden für die Stadtkasse dürfte sich, so munkelt man, im sechsstelligen Bereich bewegen.
Personal im Abflug
Damit aber nicht genug: Auch technisches Personal soll nach seemoz-Informationen dem Prunkbau bereits den Rücken gekehrt haben. Das ist auch deshalb besonders bemerkenswert, weil in diesem Bereich die meisten Pannen aufgetreten sind, die stärkste Kritik laut wird: So sollen die Toilettenanlagen längst nicht für einen Ansturm von mehr als 1000 Menschen ausreichen, bemängeln die ersten Besucher. Kritik wird auch immer wieder laut, dass der Catering-Service dem Ansturm nicht gewachsen sei – Wartezeiten von bis zu 30 Minuten für ein läppisches Bier seien keine Seltenheit, vermelden enttäuschte Gäste gegenüber seemoz, die zudem „die unverschämten Preise“ kritisieren.
Zusätzliche Geldsorgen stehen offensichtlich auch ins Haus: Gerüchte wollen nicht verstummen, dass eine Kostenüberschreitung nur durch eine Umfirmierung zu einer GmbH nicht ans Tageslicht kommt. Und auch die Personalkosten dürften steigen: Wie man hört, soll die Geschäftsführer-Vakanz kurzfristig durch die Herren Schaal (Wirtschaftsförderung), der seine Management-Qualitäten bereits bei der Vermarktung des Kompetenzzentrums unter Beweis gestellt hat, und Maugé (vormaliger Realisierungsmanager) abgefedert werden. Man darf vermuten, dass deren Dienste nicht umsonst zu haben sein werden.
Imageschaden absehbar
Wie diese Probleme ohne absehbaren Imageschaden abzuwenden sind, bleibt das Geheimnis von OB Burchardt. Immerhin wird bereits vorab und offiziell für 2017 mit einer Unterdeckung von 140 000 Euro kalkuliert, jetzt laufen zusätzliche Kosten auf. Und es kommen weitere Großveranstaltungen – von 12 Terminen mit angepeilten 2000 Besuchern ist hinter vorgehaltener Hand die Rede – auf das Forum ohne Führung zu. Womöglich schlägt der Hang zum Größenwahn schon bald auf die Erfinder in der Stadtverwaltung zurück – die verpulverten Ausgaben sollen anderswo eingespart werden.
Denn schon im Vorfeld der anstehenden Haushaltsberatungen werden Finanzierungsprobleme deutlich. So sollen nach Vorstellung der Verwaltung wichtige Sanierungsmaßnahmen (Altstadtring, Marktstätte, Geschwister-Scholl-Schule, Zähringerplatz) auf die Zeit nach 2020/2022 verschoben werden.
Aber die seemoz-Redaktion ist nicht stolz darauf, Recht behalten zu haben: Schon nach wenigen Wochen ist das Bodenseeforum auf gesichertem Weg zum Eurograb – die Zeche aber zahlen wieder einmal nicht die Verantwortlichen.
hpk
Es fällt mir schwer, hier Verständnis für die Stadt zu zeigen. Ich finde es wirklich unglaublich, dass die Stadt hier keine Probezeit vereinbart. Ich habe jetzt schon einige Verträge mit der Stadt gesehen und überall wird immer versucht, jedes auch nur absurd geringere Risiko auf die Nutzer (also Privatpersonen und Vereine oder kulturelle Institutionen) abzuwälzen. Wer ein Beispiel sehen will, darf sich gerne mal beim Sportamt umhören, was einem da alles so vorgelegt wird, wenn man eine Mehrzweckhalle anmieten will. ich gehe davon aus, dass bei einem Neubau wie dem Bodenseeforum die Maßstäbe an Mieterinnen der Räumlichkeiten mindestens genauso streng sind.
Und dann lässt man so völlig offensichtliche Risikos, die jedem Zweisemestler Jura auffallen würden (wie eine Probezeit) einfach hinten runterfallen, weil das möchte man einem armen Geschäftsführer nicht zumuten? Aber gleichzeitig hat man in dieser Stadt keine Probleme, Leute wegen „geklauter“ Buletten oder geleerter Mülltonnen zu entlassen.
Und warum man dem Herrn Geschäftsführer eine Abfindung zahlen sollte, das verstehe auch, wer will. Welcher normaler Arbeitgeber bekommt das denn in so einer Konstellation? Entweder, der Herr Karsch ist krank, dann wird die Krankenkasse ja sein Gehalt in Zukunft übernehmen, oder er ist eben nicht krank, dann hat er wie jeder andere auch zur Arbeit zu erscheinen.
Und wenn das irgendwelchen anderen Leuten nicht passt, dann hoffe ich, dass diese irgendwann einmal erwachsen werden und sich ein bisschen zusammenreißen und schlicht profesionell zusammenarbeiten. Hier für den Steuerzahler wieder absurde Kosten zu verursachen, nur weil sich zwei nicht leiden können, finde ich hanebüchen.
Und zu den Toiletten, da frage ich mich auch: Da gibt es schon mal die Versammlungsstättenverordnung und noch dazu mehr als genug Erfahrungswerte, wie viele Toiletten man denn braucht. Warum man bei einem Millionenbudget nicht in der Lage ist, eine ausreichende Anzahl Toiletten einzubauen, ist mir unklar.
Frank sei Dank!
Es hätte einmal alles gut werden können. LAGO und Kongresshaus (alles ein bisschen kleinspuriger!) rechtsrheinisch an den Seerhein, wo auch die Autobahnanbindung da wäre und dort am P&R-Parkplatz ein großes Parkhaus anstatt der teuren Gutachterkosten und dem teuren Umbau des Centrotherm, ein bis zwei weitere Wohnblocks im einstigen Herosegelände (aber nicht Zweitwohnungen!), eine viertestündige Busverbindung – ja, wenn man das Pferd von vorne, nicht von hinten aufzäumen würde.
Ich kann mich nur anschließen: Ohhh My God!
Zum Thema Kostenüberschreitung kann ich zumindest bestätigen, dass tatsächlich Herr Maugé bei einer Führung durchs unfertige Bodenseeforum im Juli 2016 genau den hier beschriebenen Eindruck auch bei mir hinterlassen hat. Wenn ich mich richtig entsinne, hat Herr Maugé auf meine Nachfrage, wie es bei all den unerwarteten Problemen, von denen er zuvor berichtet hatte, sein kann, dass der Kostenrahmen eingehalten wird, sinngemäß geantwortet, dass dies nur durch den „Glücksfall“ Gesellschaftsformwechsel möglich war, denn dadurch sei wohl die Mehrwertsteuer anders ausgewiesen worden und dieser Mehrwertsteuerpuffer, reiche wohl aus, um die – wenn ich mich recht erinnere – ca. 2 Millionen Mehrkosten zu decken. Es sei sogar noch eine teurere Soundanlage als ursprünglich geplant „drin gewesen“.
Ich fand es damals erstaunlich, dass darüber in der Presse nichts zu lesen war, obwohl Herr Maugé daraus kein Geheimnis gemacht hat, insofern finde ich es gut hier etwas zu lesen. Eine „offizielle“ Stellungnahme und Konkretisierung zu diesem Punkt fände ich sehr begrüßenswert. Letztendlich ist es das Geld der Konstanzer mit dem hier umgegangen wird. Vielleicht liest ja Herr Dr. Rügert hier wieder mit und kann auch die Mehrkosten genauer aufschlüsseln?
Ohhh My God,
ist das mehr als peinlich für die GRÖßte STADT AM BODENSEE ;-(
Hauptsache die Sesselfurzer haben ihr achsooo tolles möchtegern Veranstaltungshaus was sich nicht mal in 20 Jahren selbst tragen wird. Wie auch wenn ja nicht mal das Catering funktioniert geschweige (…)
Freut mich, dass wenigstens eine Zeitung mal wieder recht hatte und die Obersten der städtischen Führung haben absolut null ahnung von dem, was sie machen. Wenn man schon liest, dass andere wirklich wichtige Sanierungsmassnahmen komplett zurückgestellt werden nur wegen so einem Projekt, was eh von anfang an zum Scheitern verurteilt war und das vollkommen zu recht.