FFF-Demos: Politikversagen, Artensterben, Plastikmüll

(red) Wieder haben sie massenhaft den Unterricht bestreikt und stattdessen für Nägel mit Köpfen in der Klimapolitik demonstriert: Rund 1000 TeilnehmerInnen, darunter inzwischen auch Angehörige der Eltern- und Großelterngeneration, zählte am 12.4. die bereits sechste Fridays-For-Future-Demo in Konstanz. Auch unter dem Hohentwiel hatten sich am vergangenen Freitag erneut knapp 100 jugendliche TeilnehmerInnen zum Protest eingefunden, auch hier begleitet von verzeinzelten SympathisantInnen deutlich älterer Jahrgänge. Wir berichten aus Singen und dokumentieren eine Mitteilung der Konstanzer FFF-Ortsgruppe.

In Singen führte die dritte Friday-for-Future-Demonstration durch die Fußgängerzone zum Heinrich-Weber-Platz vor den Tafelladen, wo die AWO Lautsprecher und Mikrofon zur Verfügung gestellt hatte. Organisiert wurde diese Protestaktion von ElftklässlerInnen des Friedrich-Wöhler-Gymnasiums. Leider haben sich auch dieses Mal nur wieder knapp einhundert jugendliche TeilnehmerInnern eingefunden sowie vereinzelte SympathisantInnen deutlich älterer Jahrgänge.

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Demonstrieren, nicht bloß glotzen

Mehr Aktive waren leider nicht zu motivieren, da half auch in der August-Ruf-Straße kein aufmunterndes Zurufen in Richtung Passanten „Leute lasst das Glotzen sein, reiht euch in die Demo ein“. Schade, denn wer nicht dabei war, hat drei fundierte Redebeiträge verpasst. Damit der eine oder die andere im Nachhinein erfährt, was ihm bzw. ihr entgangen ist, wird hier der Beitrag von Daniel Stoll auszugsweise widergegeben:

„Sehr geehrtes Publikum, ich möchte diese Rede allen Umweltschützern dieser Welt widmen, die aktiv und mutig gegen die Trägheit und Apathie vorgehen, die leider so viele Teile unserer internationalen Gesellschaft plagen.

Allein in Deutschland protestierten über 300.000 Menschen in 200 Städten. Jedoch gibt es auch Städte, in denen Fridays-for-Future als Ordnungswidrigkeit angesehen wird. Nehmen wir mal das Wilhelm-Hausenstein-Gymnasium München-Bogenhausen, wo Schülern wegen verletzter Schulpflicht Bußgelder angedroht werden. So bizarr wie das für manche hier vielleicht klingen mag, viele ranghohe Politiker wie Annegret Kramp-Karrenbauer und Wolfgang Kubicki können sich dem nur anschließen.

Jedoch möchte ich einen besonderen Fürsprecher dieser Maßnahmen heute nennen, nämlich unseren Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann. Nach seinen eigenen Worten … können diese Proteste nicht ewig so weiter gehen. Wenn ziviler Ungehorsam zum Dauerzustand werden würde, könne doch einfach jeder sich ein Thema suchen und es politisch aufladen.‘

Im Voraus möchte ich Herrn Kretschmann in einem Punkt zustimmen: ‚Diese Proteste können nicht ewig so weiter gehen!‘ Denn ich kann mir keinen demokratischen Staat vorstellen, der es schafft, eine so große Bewegung über Monate oder Jahre hinweg weg zu verschweigen, und das, während seine Grünen-Parteikollegen im ganzen Land in die Charme-Offensive gehen, um Wählerstimmen abzufangen. Dies ist eine Versammlung, in der mal wir reden. Wenn es eine Partei gäbe, die unsere Interessen zufriedenstellend vertritt, dann würden wir hier doch gar nicht rumstehen, oder?

Und um den Politikern eine kleine Verschnaufpause zu geben, widme ich mich mal einem anderen Umweltsünder. Die Automobilindustrie produziert massenweise Fahrzeuge, die gesundheitsschädlichen Feinstaub auspusten, in einem Maße, das so illegal ist, dass man jeden VW-Vorstandsvorsitzenden gleich drei Mal lebenslänglich ins Gefängnis setzen müsste. Reagiert hat die Politik, indem sie die Dieselfahrer mit Bußgeldern bestraft. […] Der große Einwand, den jede Partei von der FDP bis zur AFD bringt, ist das Wirtschaftswachstum: ‚Wir können doch nicht so eine wichtige Branche mit Produktionsverboten belasten, bis sie anfangen, gesetzeskonform zu produzieren.‘ An die habe ich eine Eilmeldung: ‚Umweltschutz sichert unser Wirtschaftswachstum nicht nur für das nächste Quartal, sondern für die ganze nächste Generation!‘
Man muss in die Zukunft investieren, wenn man in 30 Jahren noch Marktführer sein will und die Zukunft besteht nun mal aus erneuerbaren Energien, und wenn du willst, dass Unternehmen in diese neuen Produkte investieren, muss der Staat dafür Anreize schaffen. Wisst ihr, woher ich diese Weisheit habe: ‚Aus Volkswirtschaft für Dummies!‘

Ich kann mir nicht vorstellen, dass der CSU-Parteivorsitzende Markus Söder, das nicht begreift! Doch gerade er ist eingeladen, im Klimakabinett teilzunehmen, wo sich führende Politiker versammeln, um bei Kaffee und Kuchen über die Zukunft zu plaudern. ‚Liebe Politiker, für den Normalbürger heißt das Mittagspause!‘
Als Schlusswort möchte ich mich bei all denen bedanken, die sich für die Umwelt engagieren, an Orten, an denen es nicht so einfach ist wie in Deutschland. Mein Dankeschön geht an die Demonstranten in Beijing, die eine erträgliche Luftqualität von der Parteiführung fordern, an die Wildschützer in Zentralafrika, die aussterbende Arten vor Wilderern schützen und an die Ureinwohner des Amazonas, die sich mit aller Kraft gegen die Vertreibungsmaßnahmen des brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro wehren, und natürlich an mein Publikum.“

Klare Worte, die doch gerade jetzt in den Wochen des Kommunal- und Europawahlkampfs PolitikerInnen aller Couleur zum (Nach-)Denken bringen sollten.

Fakten, nicht bloß Meinungen

Matteo Müller, zugleich Moderator der Aktion, zitierte in seinem Redebeitrag Barack Obamas bekannte Mahnung von 2015: „Wir sind die nicht die letzte Generation, die den Klimawandel erleben wird, aber wir sind die letzte Generation, die etwas gegen den Klimawandel tun kann.“ Der „kleine Eisbär“ und der „Clownfisch Nemo“, so Matteo Müller, seien die Begleiter seiner Kindheit gewesen und heute aufgrund des Klimawandels vom Aussterben bedroht, ebenso wie die heimischen Amseln. Denn das todbringende Usutu-Virus stammt ursprünglich aus Afrika und wird übertragen durch Stechmücken. Seine Verbreitung in unseren Breitengraden wird erst möglich aufgrund der Klimaerwärmung seit den 2000er-Jahren. Wissenschaftliche Fakten seien dies und nicht bloß Meinungen.

Plastik und Mikroplastik beschäftigten Carla Fidlesthaler. Sie formulierte klare Forderungen an die Regierung: höhere Recycling-Quoten – Einführung einer Plastiksteuer – höhere Gebühren für und schärfere Kontrollen bei der Plastikmüll-Entsorgung „sodass die Konzerne ihren Müll nicht mehr einfach in Länder wie Bangladesch verschiffen können, wo die Regulationen so gering sind, dass schlussendlich doch alles im Meer landet“ – kein Mikroplastik in Kosmetik bzw. solange dies rechtlich nicht durchsetzbar ist, entsprechende Kennzeichnung. Und worauf sie inzwischen selbst achtet und allen rät: Immer und überall hin eine Tüte mitnehmen – Wasser aus Glas- bzw. Mehrweg-Flaschen trinken – beim Einkaufen möglichst immer die unverpackte Variante wählen: auf Wochenmärkten bekomme man so ziemlich alles auch unverpackt – so wenig „Take-Away“ wie möglich konsumieren und auf „Coffe-to-go“ verzichten.

Sie wollen Veränderung, und zwar jetzt. Die nächste Demo wird daher schon vorbereitet und soll am Freitag, den 26. April (noch während der Schulferien!) stattfinden.

Uta Preimesser


Vereint in Wut und Hoffnung

Pressemitteilung der Konstanzer FFF-Ortsgruppe vom 12. April

Der vergangene Dienstag, der 9. April 2019, war ein spannender Tag für Fridays For Future Konstanz, aber auch für die gesamte Bewegung mit ihren Ortsgruppen in ganz Deutschland. In einer Pressekonferenz im Naturkundemuseum Berlin, vor dem Hintergrund eines 150 Millionen Jahre alten Dinosaurierskeletts, stellten Vertreter von FFF den Forderungskatalog unserer Bewegung vor- Forderungen, die sich an die politischen Entscheidungsträger auf Kommunal-, Landes- und Bundesebene richten.

Konkret fordert Fridays For Future die Ergreifung von Maßnahmen, welche das Erreichen folgender Ziele möglich machen:

• Emmission Nettonull 2035 erreichen
• Kohleausstieg bis 2030
• 100% erneuerbare Energieversorgung bis 2035
und konkret bis Ende 2019:
• Das Ende der Subventionen für fossile Energieträger
• 1/4 der Kohlekraft abschalten
• Eine Steuer auf alle Treibhausgasemissionen. Der Preis für den Ausstoß von Treibhausgasen muss schnell so hoch werden wie die Kosten, die dadurch uns und zukünftigen Generationen entstehen. Laut UBA (Umweltbundesamt) sind das 180 € pro Tonne CO2.

Der Bewegung ist bewusst, dass das Erreichen dieser Ziele große politische und gesellschaftliche Anstrengungen erfordert. Umso wichtiger ist es deshalb, dass unter allen Umständen die Sozialverträglichkeit jeglicher Maßnahmen gewährleistet wird. Denn es sind heute die sozialschwächeren Mitglieder der Gesellschaft, die nur unterproportional für die ausgestoßenen Emissionen verantwortlich sind.

Max Herzog (einer der Aktivisten, d. Red.) meinte nach der Veröffentlichung der Forderung: „Wir erliegen nun keineswegs der Naivität, dass unsere Forderungen es überflüssig machen, Woche für Woche zu streiken- zu groß ist die Skepsis, dass nun wirklich nachhaltiger Wandel in der Politik jenen Stellenwert erlangt, den er verdient. Im Gegenteil, der Forderungskatalog gibt uns jetzt zusätzliche Kraft, gemeinsam auf die Straße zu gehen und für den Erhalt unseres Planeten, der Ökosysteme und unsere Zukunft zu kämpfen! Denn wir sind vereint in der Wut, wie mit unserer aller Lebensgrundlage umgegangen wird aber auch in der Hoffnung, gemeinsam durch unserer Stimmen nachhaltigen Wandel hervorzurufen“.

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Diese Kraft und Hoffnung war auch bei der Demonstration am 12. April zu spüren. Vom Herosé-Park führte der Protest über die Laube, die Bodanstraße, die Marktstätte schließlich zum Stadtgarten, wo eine Abschlusskundgebung stattfand. 1000 Schüler*innen, Studierende und viele weitere Protestierende der Eltern- und Großelterngeneration brachten ihren Unmut deutlich und vor allem laut und bunt zum Ausdruck. Auf der Abschlusskundgebung beschrieben die Redner ihre Träume für eine lebenswerte Zukunft, nachhaltige Gesellschaftssysteme und ein geeintes Miteinander. Auch wurde auf das große Missverhältnis zwischen den derzeitigen jährlichen Ausgaben für Umweltschutz und jenen für die Bundeswehr hingewiesen.

Im Rahmen eines Kuchenverkaufs auf Spendenbasis wurden darüber hinaus 270 € für die Opfer der Flutkatastrophe in Mosambik gesammelt. Die Spenden kommen in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Roten Kreuz direkt den Hilfsbedürftigen vor Ort zugute.

Auch während der Bürgersprechstunde des Gemeinderats am 11. April betonten Vertreter*innen der Bewegung in Konstanz die Wichtig- und Dringlichkeit, den Klimanotstand auszurufen und dem Klimaschutz endlich einen weit höheren Stellenwert zu verschaffen. So sagte ein Teilnehmer: „Wir werden nicht aufhören, vereint die politischen Entscheidungsträger an ihre Verantwortung zu erinnern!“.