FfF: Integriertes Klimaschutzkonzept des Landkreises greift zu kurz

Das Klimaschutzkonzept des Landkreises Konstanz soll ausführlich beschreiben, wie der Landkreis seine Treibhausgasemissionen „nachhaltig und schnellstmöglich“ reduzieren kann. Wir als Fridays for Future Konstanz begrüßen diesen längst überfälligen Schritt und die Aufmerksamkeit, die dem Thema nun endlich geschenkt wird.

Leider müssen wir jedoch feststellen, dass das vorliegende Konzept nicht weit genug geht. Das Konzept enthält eine ausführliche Analyse des Ist-Zustands und zwei Szenarien, wie die Zukunft aussehen könnte: das Trendszenario (weiter wie bisher) und das Klimaschutzszenario. Doch selbst im sogenannten Klimaschutzszenario werden, wie auf Seite 5 des IKK beschrieben, noch 146 Prozent des 1,5°-konformen Treibhausgasbudgets (THG-Budget) emittiert. Mit anderen Worten: Selbst im Klimaschutzszenario plant der Landkreis mit einem rund eineinhalbfach zu hohen THG-Ausstoß. Das ist in der Konsequenz ein Todesurteil für unzählige weitere Klimakatastrophenopfer. (Bereits heute fordert die Klimakrise Todesopfer, aktuell zum Beispiel durch die seit vier Jahren anhaltende ostafrikanische Dürre oder im Jahr 2022 durch die Überschwemmungen in Pakistan. Klimatote gibt es inzwischen auch in Deutschland, z.B. Hitzetote oder Opfer von Flutkatastrophen.)

Zudem steigt mit jedem Zehntel Grad mehr die Wahrscheinlichkeit, dass die Erde durch unkontrollierbare Rückkopplungseffekte dauerhaft in eine sogenannte Heißzeit gerät. Dies ist für FFF und auch im Sinne zukünftiger Generationen schlicht nicht akzeptabel. Statt als prosperierende Region mit gutem Beispiel voranzugehen, würde der Landkreis mit diesem Konzept weiterhin eine Bremserrolle im weltweiten Kampf gegen die Klimakrise einnehmen.

Zudem stellt das Konzept aus unserer Sicht nicht einmal die gesamte Emissionswahrheit des Landkreises dar, da es sich auf die Emissionen aus der Energieerzeugung beschränkt. Treibhausgase aus industriellen Prozessen, aus der Landwirtschaft (Stickoxide aus der Düngung), aus der Tierhaltung (Methan) und aus der Forstwirtschaft (z.B. Sulfuryldifluorid als Pestizid) werden nicht berücksichtigt.

Doch selbst im Energiebereich geht aus dem Konzept nicht hervor, inwieweit die Maßnahmen ausreichen, um die THG-Neutralität des Landkreises zu erreichen. Angesichts des Maßnahmenkatalogs haben wir daran erhebliche Zweifel.

Ein guter Teil der Maßnahmen konzentriert sich auf den verwaltungsinternen/-eigenen Bereich. Dies ist einerseits aufgrund der leichteren Umsetzbarkeit verständlich. Andererseits ist dies wenig zielführend, da laut S. 42 die öffentlichen Liegenschaften nur ein Prozent des gesamten THG-Ausstoßes des Landkreises ausmachen.

Und die anderen 99 Prozent? In den gut 100 Seiten vor Beginn des Maßnahmenkatalogs werden alle anzugehenden Bereiche ausführlich beschrieben. Diese werden aber in den Maßnahmen kaum berücksichtigt.

  • Wie bringen wir Industrie und Gewerbe im Landkreis dazu, ihre Prozesse klimaneutral und energiesparend zu gestalten?
  • Wie bringen wir Gebäudeeigentümer im Landkreis dazu, PV aufs Dach zu bauen und die Gebäude zu dämmen? (Weitgehend klimaneutrales Heizen ist zum Glück auf Bundesebene schon geregelt.)
  • Wie bringen wir landwirtschaftliche Betriebe dazu, klimaschädliche Tierhaltung und Gewächshausnutzung zu reduzieren und Flächen idealerweise auch für Photovoltaik zu nutzen (z.B. auch mit Agrivoltaik)?
  • Wie können wir die Attraktivität, Kapazität und Auslastung des ÖPNV im Landkreis steigern, sodass gemäß dem Klimaschutzszenario viermal so viele Menschen den ÖVNV nutzen?

Das sind die Kernfragen, die der knapp 80-seitige Maßnahmenkatalog leider nur sehr unzureichend beantwortet. Zwar finden sich viele Maßnahmen zur Kommunikation. Aber das ist vereinfacht gesagt nur ein: „Bitte tut mehr für den Klimaschutz, denn wir wollen euch weder verbieten, die Welt weiter zu zerstören, noch wollen wir euch Anreize für nachhaltiges Handeln geben.“ Das wird nicht ausreichen, um alle relevanten Akteure zu den notwendigen Maßnahmen zu bewegen. Die meisten Menschen und Unternehmen sind sich vieler Klimaprobleme bewusst. Aber wenn Unternehmen mit klimaschädlichem Verhalten mehr Profit macht, und wenn klimaschädliches Verhalten für den Einzelnen billiger und bequemer bleibt, werden wir die Treibhausgasemissionen nicht ausreichend reduzieren.

Und noch ein Punkt, der im Klimaschutzkonzept fehlt: Alles, was nicht komplett klimaneutral ist, muss unterlassen werden, wo immer es möglich ist. Das betrifft insbesondere den Neubau von Gebäuden mit Beton (die Betonherstellung ist extrem klimaschädlich) und den Straßenaus- und -neubau (denn der führt zu mehr Pkw-Verkehr, nicht zu weniger).

Zum Erreichen und Erhalten von THG-Neutralität muss man:

  • alle Nettoemissionen in allen Bereichen auf Null senken,
  • Neuemissionen verhindern und
  • notfalls Emissionen mit THG-Speicherung kompensieren.

All dies muss möglichst schnell passieren, denn es kommt auf den Gesamtausstoß bis zum Erreichen von Netto-Nullemissionen an, und nicht auf einen bestimmten Zielzeitpunkt in der Zukunft.

Zusammenfassend lässt sich zum vorliegenden Klimaschutzkonzept deshalb festhalten:
Es betrachtet nur den ersten Punkt und dort nur den Anteil durch Energie, und selbst dabei wird das 1,5°-Ziel krachend verfehlt. Trotz dieser grundsätzlichen Mängel wäre es wünschenswert, wenn wenigstens das Klimaschutzszenario erreicht würde. Die Maßnahmenvorschläge decken jedoch nur einen kleinen Bruchteil der Energie-Emissionen ab, und für den Fall von Abweichungen sind keine Korrektur-Instrumente vorgesehen. Wir halten es daher für äußerst unwahrscheinlich, dass die genannten Ziele mit den genannten Maßnahmen erreicht werden können, und sehen einen dringenden Bedarf an weitergehenden Maßnahmen und Steuerungsinstrumenten.

Wir hoffen inständig, dass Sie unsere Kritikpunkte berücksichtigen und das Konzept entsprechend nachbessern. Sonst steht der Landkreis in ein paar Jahren da, wo die Stadt Konstanz mit ihrer Klimaschutzstrategie heute schon steht: Es wurde schon ein wenig getan, aber die THG-Emissionen sind kaum gesunken oder sogar gestiegen und die Lücke zum Zielszenario und die THG-Schuld werden täglich größer.

Text: Fridays for Future Konstanz, Symbolbild: