FfF: Zwischen Radikalisierung und Realpolitik
Fridays-for-Future-Demos haben auch in Konstanz regen Zulauf. Der Soziologe und Organisationsforscher Jun.-Prof. Dr. Sebastian Koos hat mit der Wissenschaftlerin Franziska Lauth und einem Studierenden-Team DemonstrationsteilnehmerInnen befragt. Die Ergebnisse zeigen, dass aus der Jugendbewegung eine breite gesellschaftliche Bewegung geworden ist, in der eine Mehrheit die Zukunft nicht in einer Radikalisierung, sondern in der Mitarbeit in politischen Organisationen sieht.
Die Ergebnisse der Fallstudie „Die Entwicklung und Zukunft der Fridays for Future-Bewegung“ zeigen, dass die Bewegung sich längst nicht mehr nur aus den Schulen und Hochschulen rekrutiert. Zahlreiche Berufstätige sowie Rentnerinnen und Rentner haben sich mittlerweile der Bewegung angeschlossen. Insofern hat eine Transformation von einer ursprünglichen Jugendbewegung zu einer breiteren gesellschaftlichen Bewegung stattgefunden – „zumindest in der Konstanzer Fallstudie“, so Sebastian Koos. Waren bei der Mai-Demonstration nach 61 Prozent der Teilnehmenden unter 20 Jahre alt, machte diese Altersgruppe im September nur noch 19 Prozent aus. Mehr als die Hälfte der Teilnehmenden besuchte zum ersten Mal eine Freitagsdemonstration.
Die Ergebnisse des Berichts basieren auf Befragungen am 24. Mai 2019 und am 20. September 2019 in Konstanz. Bei beiden Befragungen handelte es sich um globale Freitagsproteste. Ein Team aus jeweils fünf bis sechs Studierenden befragten die Demonstrierenden – im Mai waren es 147 Personen, im September 184 Personen.
Unterstützung von Erwachsenen
Zu Anfang der Bewegung gingen in Konstanz vor allem Schülerinnen und Schüler aus Gymnasien auf die Straße, die nun von Erwachsenen mit zumeist hohen Bildungsabschlüssen und gehobenen Berufen unterstützt werden. Personen mit niedrigeren Bildungsabschlüssen sind bei den Freitagsprotesten in Konstanz unterrepräsentiert. Mehr als jeder Dritte der teilnehmenden Berufstätigen wurde für die Teilnahme an der Demonstration vom Arbeitgeber freigestellt. Jeder Fünfte hat Urlaub genommen.
Radikalisierung ist umstritten
Was die zukünftige Entwicklung der Bewegung betrifft, hält eine deutliche Mehrheit der Befragten die Fortführung regelmäßiger Schulstreiks für notwendig. Allerdings fordert mit 80 Prozent eine große Mehrheit der befragten Demonstrierenden auch, dass sich die Bewegung etwa über die Mitarbeit in politischen Parteien oder Nichtregierungsorganisationen stärker in klassische politische Prozesse einbringt. Eine Radikalisierung der Bewegung im Sinne zivilen Ungehorsams ist unter den Teilnehmenden sehr umstritten. Sie findet keine mehrheitliche Unterstützung. Jedoch würde etwas mehr als ein Drittel der Befragten eine friedliche Radikalisierung im Sinne zivilen Ungehorsams unterstützen. Ein gewalttätiger Protest wird hingegen von den Befragten fast universell abgelehnt.
Sozialverträgliche Umsetzung
Darüber hinaus haben Teilnehmende der Fridays for Future-Demonstrationen unter dem Einfluss der Bewegung ihren eigenen Lebensstil verändert. So gaben sie beispielsweise an, weniger Fleisch zu essen und auf Flugreisen zu verzichten. Was die Unterstützung politischer Klimaschutz-Maßnahmen anbelangt, spielt für die Befragten die mögliche Zunahme sozialer Ungleichheit durchaus eine Rolle: Eine hypothetische CO2-Steuer in Höhe von 180 Euro pro ausgestoßener Tonne würde eine höhere Zustimmung erfahren, wenn sie sozialverträglich umgesetzt werden würde und beispielweise mit einem Umverteilungsmechanismus verbunden wäre.
„Unseren Ergebnissen entsprechend scheint es durchaus eine Basis für eine ‚friedliche Radikalisierung‘ zu geben“, sagt Sebastian Koos. Das zeige sich auch in den zunehmenden Aktionen zivilen Ungehorsams der Gruppe Extinction Rebellion in den letzten Wochen. Franziska Lauth, die Koautorin der Studie, sieht gleichzeitig, dass die junge Klimabewegung angesichts der klimapolitischen Beschlüsse und der nicht abnehmenden kritischen Stimmen gegenüber der Fridays for Future-Bewegung vor neuen Herausforderungen steht.
MM/red (Bild: Universität Konstanz)
Die Ergebnisse der Konstanzer Studie finden sich hier.
Die Ergebnisse einer deutschlandweiten Untersuchung finden sich hier.