FGL-Casting: Scherbengericht und Wachwechsel

Außer Werner Allweiss, der für die Freie Grüne Liste (FGL) seit 1980 im Konstanzer Gemeinderat sitzt, traten alle FGL-StadträtInnen zur Wiederwahl an – und einige erlebten ein Debakel. Das Nominierungstreffen zur FGL-Liste wurde zum Scherbengericht – mit einem Ex-OB als Scharfrichter, mit Abgeordneten, die abwechselnd rot und blass wurden, und mit einem Wahlergebnis, das nach Wachwechsel riecht

Das letzte Wort haben die städtischen WählerInnen am 25. Mai, wenn ein neuer Gemeinderat gewählt wird. Doch die Weichen stellen die Parteimitglieder, wenn sie ihre Kandidaten-Liste aufstellen, von einigen Teilnehmern als „FGL-Casting“ verulkt. Die FGL, mit zehn StadträtInnen derzeit noch stärkste Fraktion im Konstanzer Gemeinderat, brauchte dafür am Dienstagabend mehr als fünf Stunden – erst weit nach Mitternacht stand die Liste (s. Kasten) fest. Und bietet etliche Überraschungen, wenn man unterstellt, dass auf die ersten zehn Plätze die Wunschkandidaten für die neue Fraktion gehievt wurden.

FGL-Liste zur Gemeinderatswahl 2014: 1 Gisela Kusche, 2 Stephan Kühnle, 3 Charlotte Biskup, 4 Günther Beyer-Köhler, 5 Charlotte Dreßen, 6 Normen Küttner, 7 Anne Kühlhäuser, 8 Leon Riettahler, 9 Christiane Kreitmeier, 10 Till Seiler, 11 Christel Thorbecke, 12 Peter Müller-Neff, 13 Karin Göttlich, 14 Karl Ulrich Schaible, 15 Dorothee Jacobs-Krahnen, 16 Roland Wallisch, 7 Johanna Heuer, 18 Dietmar Messmer, 19 Christa Quack-Weres, 20 Daniel Eggstein, 21 Sandra Wankmüller, 22 Patrick Brauns, 23 Dagmar Krug, 24 Christoph Krüßmann, 25 Christina Herbert-Fischer, 26 Peter Köhler, 27 Maren Graninger-Redlitz, 28 Marco Walter, 29 Christine Behrens, 30 Michael Dienst, 31 Uli Wendland, 32 Bernd Moll, 33 Birgit-Brachat Winder, 34 Oliver Trevisiol, 35 Elisa Kollenda, 36 Marius Busemeyer, 37 Christine Hähl, 38 Tom Colberg, 39 Therese Gronbach, 40 Raul-Udo Kopania

So dürfen die Platzierungen von Dorothee Jacobs-Krahnen und Roland Wallisch getrost als Absturz gewertet werden; auch das Abschneiden von Peter Müller-Neff, einst Stimmen-König in Konstanz, wird nicht nur von ihm selber als Enttäuschung verstanden. Überraschend hingegen die Spitzenplätze von Gisela Kusche und Stephan Kühnle (s. Foto): Die Lehrerin, die schon einmal Gemeinderätin war, und der Student, der mit einer launigen Bewerbungsrede beeindruckte, stehen für einen Neuanfang in der FGL.

Denn das wurde in der emotionalen, teils hitzigen Debatte deutlich: Die FGL-Mitglieder wollen einen Wachwechsel in ihrer Fraktion, wollen neue, unverbrauchte Köpfe mit neuen Ideen. Dafür steht beispielsweise auch der gute achte Platz von Leon Rietthaler – der Auszubildende, erst seit einem Jahr in Konstanz, konnte nicht mit kommunalpolitischer Erfahrung, wohl aber mit einem charmant-unbeschwerten Auftritt punkten. Und auch Platz 10 für Till Seiler weist den Weg in Richtung: Verjüngung. Sein Rückzug vom Berliner Mandat ist dem einstigen Stadtrat offensichtlich kaum übel genommen worden.

Eingeleitet wurde die Streitdebatte von einem Ex-OB. Horst Frank, neuerdings lässig und ohne Schlips, fragte die KandidatInnen unverblümt und unverfroren, ob sie sich eine zukünftige Zusammenarbeit mit Stadtrat Müller-Neff vorstellen könnten. Unterschiedlich deutlich und unterschiedlich offen gaben die Fraktionsmitglieder Charlotte Biskup, Christiane Kreitmeier und Charlotte Dreessen zu Protokoll, dass sie mit einer solchen Kooperation ihre Probleme hätten. Der angegriffene Müller-Neff verstand das als Mobbing und warf Horst Frank vor, „eine billige Retourkutsche zu reiten“; der hätte wohl einige Vorwürfe an die Adresse der Stadtverwaltung immer noch nicht verwunden. Günther Schäfer, einstmals grüner Landtags-Abgeordneter, hingegen wertete die Aussage des Damen-Triumvirats als „Ankündigung zur Spaltung“ und nannte das unumwunden „unmoralisch“.

Die Zerrissenheit der FGL-Fraktion – bei etlichen Abstimmungen wie zum KKH, zur Müller-Esch-Entlassung, zur Neuwahl der Philharmonie-Intendanz oder zur Besetzung des/r 1. Beigeordneten stimmten die FGL-StadträtInnen in der Vergangenheit uneinheitlich ab – blieb das Thema des Abends. Marco Walter schlug eine Geschäftsordnung für die Fraktion vor, „an die sich dann aber auch alle halten müssen“; Normen Küttner sieht die neue Fraktion „zur Zusammenarbeit verdammt“ und Peter Köhler mahnte die stimmberechtigten FGL-Mitglieder, 42 an der Zahl, den Wähler nicht aus dem Auge zu verlieren, denn der würde womöglich „andere Kandidaten wählen als diese Versammlung.“

Klar wurde nach fünfeinhalbstündiger Diskussion, dass die neue FGL-Fraktion vor neuerlichen Zerreißproben stehen wird, dass die beschworene Einigkeit längst noch nicht errungen ist und die Wählergemeinschaft ernsthaft Gefahr läuft, ihre Stellung als stärkste Fraktion im Konstanzer Gemeinderat zu verlieren. Da mutet die Einschätzung eines Sitzungsteilnehmers weit nach Mitternacht, die neue FGL-Liste sei „die beste denkbare Konstellation“, schon als Wunschdenken an.

Autor: hpk