FGL-Casting: Scherbengericht und Wachwechsel
Außer Werner Allweiss, der für die Freie Grüne Liste (FGL) seit 1980 im Konstanzer Gemeinderat sitzt, traten alle FGL-StadträtInnen zur Wiederwahl an – und einige erlebten ein Debakel. Das Nominierungstreffen zur FGL-Liste wurde zum Scherbengericht – mit einem Ex-OB als Scharfrichter, mit Abgeordneten, die abwechselnd rot und blass wurden, und mit einem Wahlergebnis, das nach Wachwechsel riecht
Das letzte Wort haben die städtischen WählerInnen am 25. Mai, wenn ein neuer Gemeinderat gewählt wird. Doch die Weichen stellen die Parteimitglieder, wenn sie ihre Kandidaten-Liste aufstellen, von einigen Teilnehmern als „FGL-Casting“ verulkt. Die FGL, mit zehn StadträtInnen derzeit noch stärkste Fraktion im Konstanzer Gemeinderat, brauchte dafür am Dienstagabend mehr als fünf Stunden – erst weit nach Mitternacht stand die Liste (s. Kasten) fest. Und bietet etliche Überraschungen, wenn man unterstellt, dass auf die ersten zehn Plätze die Wunschkandidaten für die neue Fraktion gehievt wurden.
So dürfen die Platzierungen von Dorothee Jacobs-Krahnen und Roland Wallisch getrost als Absturz gewertet werden; auch das Abschneiden von Peter Müller-Neff, einst Stimmen-König in Konstanz, wird nicht nur von ihm selber als Enttäuschung verstanden. Überraschend hingegen die Spitzenplätze von Gisela Kusche und Stephan Kühnle (s. Foto): Die Lehrerin, die schon einmal Gemeinderätin war, und der Student, der mit einer launigen Bewerbungsrede beeindruckte, stehen für einen Neuanfang in der FGL.
Denn das wurde in der emotionalen, teils hitzigen Debatte deutlich: Die FGL-Mitglieder wollen einen Wachwechsel in ihrer Fraktion, wollen neue, unverbrauchte Köpfe mit neuen Ideen. Dafür steht beispielsweise auch der gute achte Platz von Leon Rietthaler – der Auszubildende, erst seit einem Jahr in Konstanz, konnte nicht mit kommunalpolitischer Erfahrung, wohl aber mit einem charmant-unbeschwerten Auftritt punkten. Und auch Platz 10 für Till Seiler weist den Weg in Richtung: Verjüngung. Sein Rückzug vom Berliner Mandat ist dem einstigen Stadtrat offensichtlich kaum übel genommen worden.
Eingeleitet wurde die Streitdebatte von einem Ex-OB. Horst Frank, neuerdings lässig und ohne Schlips, fragte die KandidatInnen unverblümt und unverfroren, ob sie sich eine zukünftige Zusammenarbeit mit Stadtrat Müller-Neff vorstellen könnten. Unterschiedlich deutlich und unterschiedlich offen gaben die Fraktionsmitglieder Charlotte Biskup, Christiane Kreitmeier und Charlotte Dreessen zu Protokoll, dass sie mit einer solchen Kooperation ihre Probleme hätten. Der angegriffene Müller-Neff verstand das als Mobbing und warf Horst Frank vor, „eine billige Retourkutsche zu reiten“; der hätte wohl einige Vorwürfe an die Adresse der Stadtverwaltung immer noch nicht verwunden. Günther Schäfer, einstmals grüner Landtags-Abgeordneter, hingegen wertete die Aussage des Damen-Triumvirats als „Ankündigung zur Spaltung“ und nannte das unumwunden „unmoralisch“.
Die Zerrissenheit der FGL-Fraktion – bei etlichen Abstimmungen wie zum KKH, zur Müller-Esch-Entlassung, zur Neuwahl der Philharmonie-Intendanz oder zur Besetzung des/r 1. Beigeordneten stimmten die FGL-StadträtInnen in der Vergangenheit uneinheitlich ab – blieb das Thema des Abends. Marco Walter schlug eine Geschäftsordnung für die Fraktion vor, „an die sich dann aber auch alle halten müssen“; Normen Küttner sieht die neue Fraktion „zur Zusammenarbeit verdammt“ und Peter Köhler mahnte die stimmberechtigten FGL-Mitglieder, 42 an der Zahl, den Wähler nicht aus dem Auge zu verlieren, denn der würde womöglich „andere Kandidaten wählen als diese Versammlung.“
Klar wurde nach fünfeinhalbstündiger Diskussion, dass die neue FGL-Fraktion vor neuerlichen Zerreißproben stehen wird, dass die beschworene Einigkeit längst noch nicht errungen ist und die Wählergemeinschaft ernsthaft Gefahr läuft, ihre Stellung als stärkste Fraktion im Konstanzer Gemeinderat zu verlieren. Da mutet die Einschätzung eines Sitzungsteilnehmers weit nach Mitternacht, die neue FGL-Liste sei „die beste denkbare Konstellation“, schon als Wunschdenken an.
Autor: hpk
Als Außenstehender fragt man sich, wie oft Horst Frank seine Basis in seiner Amtszeit besucht hat und basisdemokratisch sein Ohr der FGL geöffnet hat. Von außen betrachtet kommt es jetzt so an, als ob Horst Frank nun wieder als gleichgestellter Bürger seine ehemalige Kontrahenten in die Schusslinie nimmt. Ich kann nur hoffen, dass die FGL jetzt genug Selbstvertrauen hat, um diesem Ansinnen Einhalt zu gebieten. Da sollte man sich auch an Zeiten erinnern, wo Horst Frank nicht so oft basisdemokratisch seiner FGL treu war.
Dietmar Messmer spricht mir aus der Seele,in verschiedenster Hinsicht, in anderer nicht. Auch Gemeinderäte aus anderen Parteien engagieren sich für grüne und soziale Themen. Gerade Herr Fecker z.B.hat sich unter anderem außerordendlich für die Belange behinderter Menschen in Konstanz eingesetzt.
Das ist aber nur gut, dass diese Themen auf eine breitere Basis gestellt werden, nur so kann es vorran gehen. Es ist ein Erfolg wenn unsere Anliegen breit aufgenommen werden, denn wir besitzen sie ja nicht,sondern wollen etwas erreichen und auf breiterer Basis kommt man besser zum Ziel.
Abgesehen davon, dass die letzte FGL Fraktion keine unbedingt glückliche Hand in vielen Dingen hatte und uneinig war, so sollte man doch anerkennen, dass viel Arbeit geleistet wurde und nicht alles schlecht war.
Dieser Graben, der sich aufgetan hat, hat auch mit der Geschichte der letzten Jahre zu tun und im Keim sicher auch mit der Politik des AltOBs Frank und den daraus resultierenden Folgen für die Gemeindratsfrakttion.
Ich hatte mich aus persönlichen, aber auch aus diesen Gründen auf viele Jahre von der FGL abgewand. Jetzt und mit der guten Liste von Alt- und Neuengagierten, sehe ich eine echte Chance für die FGL. Die Arbeit am Wahlprogram ist in vollem Gange.
Da ist ein Licht am Horizont, das trotz schwieriger Mitgliederversammlungen, Anlass zur Hoffnung gibt und den Anschub sich wieder neu zu engagieren.
Zu Walter Bühler-Schilling – ich denke, dass Herr Müller-Neff sehr wohl eine gute Chance hat, er geniest immer noch Unterstützung von der Basis und deshalb ist er auch nicht rausgeflogen oder auf Platz 39 gelandet.
@Walter Bühler-Schilling – mit der Prophezeiung, eine Frau würde Bürgermeisterin im Jahr 2012 in Konstanz, hat es ja wegen mangelnder Unterstützung nicht geklappt.
Geschickte Grüngänse ziehen ihren Hals schnellstens aus der Schlinge. Jeder gemeinnützige Umwelt-Verein oder Bürgerbeteiligungs-Verein gibt sich mehr verbindlichere Richtlinien als die eher lose gebundenen in der Tat egozentrischen Stadträte.
Gemeinsame Ziele wie Verzicht auf Atomstrom oder Stärkung regionaler Obstbauern wurden im gestrigen Technischen und Umweltausschuss deutlich von der CDU (Fecker und Fuchs) eingefordert. Das ökologische Ziel der 2000 Watt Gesellschaft wird schon längst von allen Fraktionen eingefordert und unterstützt. Pazifistische Ziele – einst von Petra Kelly offensiv vorgelebt – verschwinden bei den Grünen zunehmend. Die Friedensbewegung wird heute von Petra Pau und Jan van Aken getragen – Jürgen Grässlin agiert mit seiner Aufschrei Aktion autonom.
Trotzdem gibt es sorgsame und emsige Bemühungen, ein passables Wahlprogramm auf die Beine zu stellen. Nach einem katastrophalem Gewitter sind nachhaltigerweise leuchtende Regenbögen zu sehen. Die besten OptimistInnen wurden jetzt nominiert. Peter Müller-Neff, der am 8.9.2013 in Kreuzlingen bei der Stolpersteinverlegung für zwei Schweizer Fluchthelfer teilnahm, wird als aufrechter und bedachter Stadtrat sicher noch einmal seine Chancen nutzen.
Grünes Ramba Zamba
Der Abend war katastrophal – auch menschlich gesehen. Da hört Werner Allweiss einfach nach langen Jahren auf – kein Wort von ihm auf den Weg für die neuen Gesichter. Und kein lobendes, anerkennendes Wort des Vorstandes oder seiner Fraktionskollegen für ihn – eine Blamage. Dann die Intrige des Alt-OB gegen Peter Müller-Neff, der die anderen Fraktionskollegen/innen aufwiegelte. Da hält einer Kurs und kämpft für mehr Grün in Konstanz, immer wieder, auch gegen die Verwaltung und gegen Frank, nun kommt die späte Rache. Aufhänger war das nicht geschlossene Auftreten der grünen Fraktion, als ob Müller-Neff da sich besonders hervorgetan hätte. Da mussten auch andere grüne Räte (Beyer-Köhler) und Rätinnen (Kreitmeier) beichten.
Katastrophal das Verhalten der Frauen in der FGL-Fraktion. Da gab es die Rädelsführerinnen Charlotte Biskup und Charlotte Dressen, die zusammen mit Kreitmeier und Mühlhäußer ziemlich unverblümt die Spaltung der Fraktion androhten. Keine von ihnen hat bisher das Format eines Peter Müller-Neff sich erarbeitet, keine sich besonders hervorgetan und profiliert. Da kam die Attacke des Horst Frank gerade recht, um dem Stimmenkönig Müller-Neff die Flügel zu stutzen und Giftpfeile zu verschicken.
Wenn da einige besonnene Alt-Mitglieder (der Vorstand hielt sich vornehm bedeckt) dem unlauteren Treiben nicht Einhalt geboten hätten, wäre die FGL an diesem Abend in zwei Teile auseinander gebrochen. Anstatt griffige und seriöse Inhalte im Wahlprogramm zu formulieren und alle Kandidaten/innen auf diese Ziele zu verpflichten, wurde nebulös über Nachhaltigkeit und Energiewende, Innenverdichtung und soziale Integration geschwafelt. Eine Geschlossenheit in der Fraktion zu erreichen muss über gemeinsame Inhalte gehen und nicht über eine Geschäftsordnung, an die sich dann doch keiner je gehalten hat (Sabine Seeliger). Hier gibt es für den Vorstand einiges zu tun. Insbesonders den Alt-OB Frank muss der Vorstand in den Griff bekommen, denn sonst wird er der FGL noch weitere Bärendienste der rächenden Art leisten. Die Wähler werden dies nicht goutieren!