Flattern Hammer und Sichel über dem Rathaus?
Verdutzt rieben sich viele JournalistInnen dieser Tage ihre Augen: Eine Pressemeldung der Stadt verhieß nämlich einen „Strategiewechsel für das Döbele-Areal“ und sprach gar von einem „lokalen und spekulationsfreien Konzept“. In einer Welt, in der normalerweise auch noch die raffgierigsten Heuschrecken von der Stadtspitze unterwürfig als „Investoren“ willkommen geheißen und beweihräuchert werden, sind das ganz neue Töne aus dem Rathaus. Darf man also seinen Augen trauen?
Was die Stadt für das Döbele ankündigt, dürfte etlichen KonstanzerInnen aus dem Herzen gesprochen sein, die von immer höheren Mieten bedroht sind oder sich mit den Machenschaften kleiner und großer Spekulanten herumschlagen müssen.
Hier die Medienmitteilung der Stadt im vollen Wortlaut:
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Strategiewechsel für das Döbele-Areal. Lokales und spekulationsfreies Konzept
Die Stadtverwaltung plant einen Strategiewechsel für das Döbele-Areal. Wichtigster Punkt: Das Döbele soll spekulationsfrei entwickelt werden. Statt eines einzelnen Investors soll eine Konzeptvergabe im Wohnungsbau erfolgen, wodurch z.B. lokale und regionale gemeinwohlorientierte Wohnbaugesellschaften, Baugenossenschaften und Baugemeinschaften die Möglichkeit erhalten, auf dem Areal zu bauen.
Bezahlbares Wohnen auf dem Döbele
Politik und Verwaltung fassten 2012 den Plan, das Döbele-Areal, welches bisher als Parkfläche sowie Bus- und Wohnmobilstellplatz genutzt wird, in ein zukunftsfähiges und lebendiges Wohnquartier umzugestalten. 2013/2014 wurde deshalb ein zweiphasiger städtebaulicher Ideenwettbewerb mit dem Ziel ausgelobt, Pläne für eine Wohnbebauung des Areals mit anteiliger Gewerbenutzung und öffentlichem Parken zu entwickeln. Als Sieger des Ideenwettbewerbs kürte eine Fachjury den Entwurf des Konstanzer Architektenbüros Bächle Meid mit Stötzer Landschaftsarchitekten aus Freiburg. Dieser sah unter anderem eine Blockrandbebauung mit Innenhöfen wie im Paradies vor, einen zentralen Boulevard über das Döbele und eine Tiefgarage für privates sowie öffentliches Parken unter dem gesamten Areal. Dieser Entwurf wurde unter Berücksichtigung der Punkte Statik, Parken, Verkehrsführung, Grünkonzept sowie Anzahl und Qualität der Wohneinheiten überarbeitet. Hierbei wurden Tiefgaragenvarianten mit 500, 1.000 und 1.500 Stellplätzen untersucht.
2017 beschloss der Gemeinderat, das Döbele-Areal im Rahmen eines förmlichen Vergabeverfahrens europaweit auszuschreiben und seine Entwicklung in die Hände eines Investors zu legen. Gründe dafür waren u.a. die geplante Tiefgarage mit etwa 1000 Stellplätzen unter dem gesamten Areal und die Errichtung des Döbeleboulevards auf Kosten des Investors.
Zukunftsstadt als Vorbild
Die neue Zielsetzung ist es, am Döbele ein nahezu spekulationsfreies Quartier zu entwickeln. Ausschlaggebend dafür sind die Erkenntnisse, die aus der Teilnahme am Wettbewerb Zukunftsstadt seit 2015 gewonnen werden konnten. Als Zielsetzung für die gesamte Stadtentwicklung kristallisierte sich die Entwicklung flächeneffizienter, bezahlbarer, nachhaltiger und sozialverträglicher Wohnbauquartiere heraus. Ein Schwerpunkt der innovativen Quartiersentwicklung im Sinne der Zukunftsstadt liegt dabei auf dem Sharing Prinzip. Im Fokus stehen dabei z.B. allgemeinwohlorientierte Wohnungsbaugesellschaften, Baugenossenschaften und Baugemeinschaften. Ihre unterschiedlichen Wohnformen für verschiedenste Zielgruppen sichern die Vielfalt und soziale Mischung neuer Stadtquartiere wie das Döbele-Areal und fördern Gemeinschaft.
Verschiedene Bauherren anstelle eines Investors
Auf dieser Grundlage hat die Verwaltung das städtebauliche Konzept mit dem Büro Bächle Meid auf Grundlage des Siegerentwurfes weiterentwickelt. Hiernach können die Errichtung eines Mobilitätspunktes, einer Quartiergarage und die weiteren Infrastrukturmaßnahmen, wie z.B. der Bau des Döbeleboulevards, losgelöst vom eigentlichen Bau der Wohngebäude erfolgen.
Die Investorlösung ist damit vom Tisch. Vielmehr ist es nun möglich, die Wohnbebauung mittels einer Konzeptvergabe an verschiedene Bauherren vorzunehmen. So können die einzelnen Verfahrensschritte entzerrt und das Areal in Abschnitten entwickelt werden. Angestoßen durch das aktualisierte Handlungsprogramm Wohnen 2018 und das Konstanzer Modell zur Baulandmobilisierung soll das Döbele-Quartier in besonderem Maße dem gemeinschaftlichen Bauen mit bis zu 60 Prozent zur Verfügung stehen. Für geförderten Mietwohnungsbau sind bis zu 40 Prozent vorgesehen. Mit der Entwicklung des Wohnquartiers u.a. mit und für lokale und regionale Akteure wie die Konstanzer Wohnungsbaugesellschaft, Baugenossenschaften und Baugemeinschaften soll eine Spekulation auf dem Immobilienmarkt weitestgehend vermieden werden. Ziel ist es, im Bebauungsplanverfahren einen stabilen Rahmen zu entwickeln, der den Bauherren in der noch zu definierenden Konzeptvergabe größtmögliche Kreativität erlaubt.
Energieoptimiertes Quartier
Das städtebauliche Konzept fußt nach wie vor auf dem Wettbewerbsergebnis. Auf dem Döbele-Areal wird das Paradies mit seiner prägnanten Block-Rand Bebauung aus der Gründerzeit weitergebaut. Die Wohnbebauung sieht vier- bis sechsgeschossige Baukörper vor, die als zwei kleinteilig aufteilbare Blockrandbebauungen mit je einem grünen Innenhof das neue Quartier mit Stadelhofen und dem Paradies verbinden. Rund 300 Wohneinheiten sowie Gewerbeeinheiten in den Erdgeschosslagen sollen wie bisher geplant auch weiterhin entstehen.
Ziel ist, ein energieoptimiertes Quartier zu entwickeln, das sich an den Vorgaben der so genannten 2000-Watt Quartiere orientiert. Der Einsatz regenerativer Energien, flächensparende Wohnformen und klimafreundliche Mobilität sollen dies möglich machen. Zum Zuge sollen möglichst lokale regenerative Energiequellen kommen. So könnte der Kreuzlinger Abwasserhauptsammler mit seinem Abwasserwärmepotential genutzt werden.
Mobilitätskonzept
Das Mobilitätskonzept vernetzt ressourcenschonend öffentliche und private Mobilität. Öffentliche Quartiersparkplätze werden im südöstlichen Bereich in einem oberirdischen, mehrgeschossigen und flexiblen Mobilitätspunkt angesiedelt. Diese Lösung kann bei Bedarf umgebaut oder rückgebaut werden. In diesem öffentlichen Mobilitätspunkt werden die bisherigen 630 Bewohner- und Döbeleparkplätze eingerichtet und bieten Entlastung als Quartiersgarage für Stadelhofen und das Paradies. Um die Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum zu stärken, sind die Stellplätze von der Oberen Laube und dem Stephansplatz, die hier zukünftig konzentriert werden, inbegriffen. Zudem soll hierdurch eine Reduktion des Verkehrs in der Altstadt erreicht werden. Der Mobilitätspunkt soll ein Standort für verschiedene nachhaltige mobile Angebote sein, wie zum Beispiel Car-Sharing oder eine Service- und Mietstation für Fahrräder. Hier findet der Umstieg auf eine veränderte Mobilität Raum. Der Mobilitätspunkt ist über die Grenzbachstraße erreichbar. Außerdem gibt es private, eingeschossige Tiefgaragen in Kombination mit Kellerräumen unter den Wohnbauten. Im Zuge des Mobilitätskonzepts wird die Anzahl der privaten Stellplätze pro Wohnung zugunsten von ÖPNV, Fahrrad und Car-Sharing deutlich verringert, der Komfort nachhaltiger Mobilität dafür deutlich gesteigert.
Der neue Döbeleboulevard soll zentral durch das Quartier leiten und dieses an die Obere Laube und die Bodanstraße anschließen. Außerdem soll die Anbindung an die Freiflächen in die Schweiz verbessert werden. Die bestehende Verbindung von der Grenzbachstraße zum Schnetztorknoten wird durch den neuen Boulevard ersetzt. Dabei wird die Planung eng mit der Umsetzung des C-Konzepts abgestimmt. Die Verlegung der Bus- und Fernbushalteplätze soll nach dem Bau des Fernbusbahnhofs am Brückenkopf-Nord stattfinden.
Umplanung wegen Hochwasser- und Artenschutz
Am Döbele-Areal fließt der Grenzbach aus Kreuzlingen kommend (Schoderbach) vorbei. Bei Starkregenereignissen kann es hierbei zu Überschwemmungen kommen, wie die Hochwassergefahrenkartierung des Kantons Thurgau 2013 feststellte. Damit liegt das Döbele laut Wassergesetz Baden-Württemberg im Überschwemmungsgebiet. Diese neuen Informationen wurden erst während der Überarbeitung des städtebaulichen Entwurfs bekannt. Deshalb mussten seitens der Verwaltung neue Planungen beauftragt werden, um den Grenzbach hochwassersicher zu machen und die Maßnahmen mit dem städtebaulichen Entwurf in Einklang zu bringen.
Verlegung des Grenzbachs
Die verschiedenen Varianten der Verlegung des Grenzbachs prüfte ein externes Büro gemeinsam mit der Stadt Konstanz, dem Kanton Thurgau, dem Landratsamt Konstanz und der Stadt Kreuzlingen im Hinblick auf Auswirkungen auf den Naturhaushalt, auf die Gewässergüte und das Landschafts- und Stadtbild. 2018 wurde auf dieser Grundlage der städtebauliche Entwurf von Bächle Meid in Teilen angepasst. Unter anderem wurde die Gebäudekante des östlichen Blockrandes reduziert. Teil der Planung war auch eine leichte Verlegung der Grenzbachstraße, durch die der Bach mehr Raum erhält. Im Juni 2018 stimmte der Gemeinderat zu, das Genehmigungsverfahren zur notwendigen Verlegung des Grenzbachs durchzuführen. Ein aktueller Vorentwurf, der mit dem Landratsamt Konstanz und den Schweizer Behörden abgestimmt ist, sieht ein deutlich breiteres Flussbett und insgesamt eine ökologischere Gestaltung für den Grenzbach vor. Die Situation für den Natur- und Artenschutz sowie die Gewässerökologie kann durch diese Variante deutlich verbessert werden, womit die Genehmigungsfähigkeit der Planung gewährleistet wird. Damit erreicht die Stadt Konstanz in Kooperation mit Kreuzlingen die nötige Einstufung, die Hochwassergefahr auf unter ein Mal in 100 Jahren zu bringen und somit das Döbele-Areal hochwasserfrei und bebaubar zu machen.
Das Thema Döbele-Areal kommt am 24. Oktober in den Gemeinderat. Dann wird über die Verbesserung des städtebaulichen Entwurfs, den Aufstellungsbeschluss des Bebauungsplans und die Änderung der Grundstücksvergabe entschieden.
Der weitere Zeitplan
Mitte 2019 bis Anfang 2021: Anpassung Hochwasserschutz am Grenzbach
Mitte 2019 bis Mitte 2021: Bebauungsplanverfahren Döbele
Anfang 2020 bis Ende 2022: Planung und Umsetzung der Verkehrserschließung
Anfang 2020: Vorbereitung und Ausschreibung zum Mobilitätspunkt
Anfang 2020: Vorbereitung und Ausschreibung zur Konzeptvergabe für den Wohnungsbau
Ab Anfang 2023: Realisierung Wohnungsbau und Mobilitätspunkt
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Soweit die Medienmittelung der Stadt.
Stehen wir also am Beginn eines ökologisch-sozialen Paradieses in der Wohnraum- und Stadtplanung? Beginnt hier nach der Pleite mit dem Vincentius-Areal ein Umdenken und Umplanen, das der Stadt ein menschlicheres Gesicht geben soll? Zumindest die Zahl der Parkplätze steht nicht gerade für einen radikalen Wandel der Mobilität. Wenn es heißt, „öffentliche Quartiersparkplätze werden im südöstlichen Bereich in einem oberirdischen, mehrgeschossigen und flexiblen Mobilitätspunkt angesiedelt. Diese Lösung kann bei Bedarf umgebaut oder rückgebaut werden“ ist damit wohl kaum etwas anderes gemeint als ein Parkhaus, das man ja irgendwann später, wenn es nicht mehr gebraucht werde, auch wieder abreißen könne.
Zu konstatieren ist, dass offenbar selbst hartleibigsten VerfechterInnen des Investoren-Modells in der Verwaltung zu dämmern beginnt, dass der Wohnungsmalaise so nicht beizukommen sein wird. Dies gilt es festzuhalten, gestehen die Stadtgewaltigen doch damit ein, über Jahrzehnte auf dem wohnungspolitischen Holzweg gewesen zu sein, wie KritikerInnen von links zu betonen nicht müde geworden sind. Indes zieht man aus dieser Einsicht nur sehr begrenzt die naheliegenden Konsequenzen. Die würden darin bestehen, das Areal in kommunaler Hand zu behalten und bei der Bebauung selbst Regie zu führen.
Verbindliche Quoten für das Engagement der städtischen WOBAK, den Anteil von gemeinnützigen Genossenschaften und ebensolchen Baugemeinschaften wären gefragt, um Spekulation wirklich auszuschließen, vor allem aber das Festzurren von dauerhaften Preisobergrenzen bei den Wohnkosten. Doch davor scheut die bürgerliche Mehrheit noch immer zurück wie der Teufel vorm Weihwasser. Stattdessen flüchtet man sich in wolkige Verwaltungslyrik, die (fast) alle Türen offen lässt: „bis zu 40 Prozent“ geförderter Mietwohnungsbau etwa ist genau gelesen eine Grenze, die nach oben nicht überschritten werden soll, nach unten indes viel Spielraum offen lässt.
Noch nicht einmal die Frage, ob die Flächen in Erbpacht vergeben oder verkauft werden sollen, beantwortet der Verwaltungstext. Vor allem die LLK hat im Stadtrat immer wieder gefordert, kommunale Grundstücke nur noch in Erbpacht zu vergeben und so dauerhaft der Spekulation zu entziehen. Gerade bei einem derartigen Filetstück wie dem Döbele wäre es wichtig, Grund und Boden dauerhaft in städtischer Hand zu behalten und für künftige Generationen zu sichern.
Die Wohnungsmisere ist in erster Linie eine soziale Krise: Je niedriger die Einkommen, desto härter trifft sie die Menschen. In dem (ungewöhnlich langen) Text der Stadt findet sich das Wort „sozial“ ganze zweimal: „Im Fokus stehen […] z.B. allgemeinwohlorientierte Wohnungsbaugesellschaften, Baugenossenschaften und Baugemeinschaften. Ihre unterschiedlichen Wohnformen für verschiedenste Zielgruppen sichern die Vielfalt und soziale Mischung neuer Stadtquartiere wie dem Döbele-Areal und fördern Gemeinschaft.“ Damit ist nicht unbedingt sozialer Wohnungsbau fest in die Hand versprochen, denn es heißt hier „z.B. allgemeinwohlorientierte Wohnungsbaugesellschaften“ usw., und hinter einem „z.B.“ lässt sich ziemlich viel vermuten.
Besonders blumig wird das Papier beim Thema Mobilität. Da wird fast kein Schlagwort ausgelassen, mit dem PolitikerInnen, aufgeschreckt durch die Klimaproteste, gegenwärtig punkten wollen. Dass man das geplante neue Parkhaus modisch als „Mobilitätspunkt“ verniedlicht, kann aber nicht über die Weigerung der Stadt hinwegtäuschen, nötige Maßnahmen für eine radikale Verkehrswende einzuleiten. Im Gegenteil: Das Konzept, soweit es sich aus dem Wust an Unverbindlichkeiten herausschälen lässt, will mit einem neuen Döbele-Parkhaus Ersatz für den (noch in den Sternen stehenden) Wegfall von Stellplätzen am Stephansplatz und der Oberen Laube schaffen. Noch nicht einmal zaghafte Schritte in Richtung autofreie Stadt wollen die Verantwortlichen wagen – mehr „Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum“ sieht anders aus, von entschiedenen Beiträgen zum kommunalen Klimaschutz ganz zu schweigen.
Man sollte bei all dem eines nicht vergessen: Im nächsten Jahr sind OB-Wahlen, und Uli Burchardt und seinem Team dürfte nicht entgangen sein, dass das Wahlvolk angesichts der Horrormieten, die in Konstanz teils verlangt werden, ebenso aufmuckt wie in Fragen der Ökologie. Grün ist gerade das neue Rot, und so dürfen wir WählerInnen uns denn sicher sein, dass wir zumindest bis zu den OB-Wahlen noch einiges grüne Gesäusel aus dem Rathaus hören werden. Da gilt es, ganz genau hinzuschauen, ob dem auch entsprechende Taten folgen.
Unsere Bürgerlichen können also ruhig schlafen. So revolutionär, wie der städtische Text sich anlässt, ist er gar nicht gemeint.
MM/jüg (Foto: Das Planungsgebiet im Luftbild © Stadt Konstanz)