Flüchtlingsprotest gegen Gutscheinsystem

Protestaktion in der Konstanzer Steinstraße: Die dort kasernierten Flüchtlinge wollen die Annahme der Gutscheine verweigern, mit denen die Sozialbehörde die ihnen zustehenden Leistungen verrechnet. In einem offenen Brief werfen sie Landrat Frank Hämmerle und seinen Beamten vor, Versprechen gemacht und nicht eingehalten zu haben; auch Widersprüche seien bis heute unbeantwortet. Für kommende Woche sind weitere Proteste angekündigt. Hier der Brief im Wortlaut

Sehr geehrte Herren Goßner, Egenhofer und Landrat Hämmerle,

Wir Flüchtlinge aus Konstanz protestieren!

Im August haben wir die Annahme von Essensgutscheinen verweigert, weil wir uns unwürdig behandelt und in unserer Freiheit eingeschränkt fühlen. An der Kasse müssen wir unseren Ausweis vorzeigen und fallen jedesmal als irgendwie anders auf. Das ist uns unangenehm.

Ein Gutschein ist 15 Euro wert. Wenn die gekauften Sachen weniger kosten, bekommen wir nur bis zu einem Euro Rückgeld. Der Rest verfällt. Wenn wir dann im Laden noch schnell etwas holen, um nichts zu verlieren, muss die ganze Schlange an der Kasse warten. Dann gibt es böse Blicke und aggressive Bemerkungen. Das ist uns unangenehm und macht uns Angst. Wir können auch nichts sparen, weil die Gutscheine verfallen.

Wir haben gehört, dass Sie uns einen vernünftigen Umgang mit Bargeld nicht zutrauen, ja sogar Missbrauch unterstellen. Wir finden es schlimm, dass Sie solche Vorurteile über uns in die Welt setzen. Wir sind erwachsene Menschen. Wir möchten nur wie ganz normale Menschen leben.

Eigentlich wollen wir gerne arbeiten und etwas zur Gesellschaft beitragen. Doch wir dürfen nicht und das ist schwer auszuhalten. Weil wir nicht unser eigenes Geld verdienen dürfen, sind wir auf Sozialleistungen angewiesen.

Als wir im August protestiert haben, kam Herr Goßner vom Landratsamt und hat uns eine Lösung bis zum ersten Oktober versprochen. Eine Antwort haben wir bis heute nicht bekommen. Einige von uns haben schriftlich Widerspruch eingelegt und auch darauf noch keine Antwort bekommen.

Wir fühlen uns von Ihnen nicht ernst genommen! Das macht uns hilflos und traurig, aber auch wütend. Weil wir verzweifelt sind und so nicht mehr leben können, bitten wir Sie jetzt noch einmal:

Zahlen Sie uns die Sozialleistungen ab sofort – wie jedem anderen Menschen auch – in Bargeld aus.

Wir werden sonst am 18.11.2013 in der Steinstraße 20 wieder protestieren und die Gutscheine verweigern. Unser Protest ist friedlich. Von uns geht keine Gewalt aus.

Mit freundlichen Grüßen

Die Flüchtlinge aus der Steinstraße 20