Flüchtlinge, Integration und ein Geschmäckle

Zahlreiche Organisationen haben sich mittlerweile für die Beibehaltung der Stelle des Flüchtlingsbeauftragten ausgesprochen, die in den kommenden Doppelhaushalt ab 2019 nicht wieder eingestellt werden soll. Ein Vertreter des „Runden Tischs Flüchtlinge“ appellierte jetzt noch einmal eindringlich an den Gemeinderat, diese Stelle nahtlos zu verlängern, denn eine vernünftige Integrationsarbeit in Konstanz sei anders nicht denkbar.

Die Stelle des Flüchtlingsbeauftragten wurde in der Not neu geschaffen und auf drei Jahre befristet. Im November 2015 trat Moustapha Diop diesen Posten an und erwarb sich schnell sowohl durch seine Arbeit als auch durch seine Persönlichkeit bei allen Beteiligten große Achtung. Viele Haupt- und Ehrenamtliche halten diese Stelle ebenso wie Herrn Diop mittlerweile für unentbehrlich.

Allerdings ist diese Stelle nach Ablauf der drei Jahre im kommenden Doppelhaushalt 2019/20 nicht mehr vorgesehen – zur (bösen) Überraschung vieler Menschen, die sich für Geflüchtete engagieren und von der Stadt mehr Unterstützung erwartet hätten. Aus der Verwaltung verlautete unter anderem, ein Beweggrund für die Nichtverlängerung sei, dass man in Zukunft voraussichtlich keine Fördermittel vom Land mehr für den Flüchtlingsbeauftragten bekommen werde.

Um dem Wunsch nach einer Verlängerung nachhaltigeren Ausdruck zu verleihen, trat jetzt Rudy „Kuki“ Haenel (s. Foto) für den Arbeitskreis Runder Tisch – Begleitung von Flüchtlingen in der Stadt Konstanz vor den Gemeinderat. Er berichtete, der Runde Tisch habe bereits am 30. Juli in einem Brief die Verlängerung dieser Stelle angeregt. Eine Antwort des Oberbürgermeisters sei aber erst am 6. November eingegangen. Darin habe der OB geantwortet, dass die Verwaltung erst einmal das gesamte, annähernd zehn Jahre alte Integrationskonzept überarbeiten wolle und dass erst danach klar sein werde, ob man die Stelle der/s Flüchtlingsbeauftragten auch in Zukunft brauche. Diese werde dann im Zweifelsfall neu ausgeschrieben.

Diop hat Grundlegendes geleistet

Dagegen erinnerte Haenel für den Runden Tisch daran, dass Diop durch seine Arbeit wesentliche Grundlagen für die Integrationsarbeit in Konstanz überhaupt erst gelegt habe. Wenn man die Stelle jetzt auch nur für begrenzte Zeit „aussetze“, werde wertvolles Know-how verloren gehen, deshalb müsse sie unbedingt nahtlos weiterbestehen, egal, ob es dafür eine Förderung von außen gebe oder nicht.

Oberbürgermeister Uli Burchardt widersprach dieser Forderung. Die jetzige Organisationsform sei vor drei Jahren aus der Not heraus geschaffen worden und müsse neu aufgestellt werden. Man müsse für die Integrationsarbeit neue Strukturen schaffen und dabei auch eine klare Abgrenzung zwischen den Stellen der Integrationsbeauftragten Elke Cybulla und der/s Flüchtlingsbeauftragten vornehmen. Erst danach könne man gegebenenfalls die Stelle der/s Flüchtlingsbeauftragten neu ausschreiben. Bürgermeister Andreas Osner ergänzte, man müsse außerdem zwischen der Stelle und der Person Moustapha Diop unterscheiden, womit er sagen wollte, dass ein/e neue/r Flüchtlingsbeauftragte/r, der irgendwann kommen könnte, nicht unbedingt Diop heißen muss. Aber Anfang Dezember werde der Gemeinderat ja über den Stellenplan für die nächsten beiden Jahre befinden, und dann könne er die Stelle des/r Flüchtlingsbeauftragten wieder einrichten. Er, Osner, halte es nach dem bisherigen Diskussionsverlauf auch für wahrscheinlich, dass der Gemeinderat dies tun werde.

In diesem Punkt ist Osner zuzustimmen. Es ist deutlich absehbar, dass der Gemeinderat bei den Haushaltsberatungen im Dezember auf einer/m Flüchtlingsbeauftragten bestehen und diese Stelle mit großer Mehrheit beschließen wird – wohl gegen den Willen von Burchardt und Osner. Es ist jedenfalls immer wieder verblüffend, mit welcher Kaltschnäuzigkeit dieselben Menschen, die vor ein paar Jahren rund 20 Millionen Euro Ankauf und Renovierung des Bodenseeforums durchzogen (vom jährlichen Zuschussbedarf ganz zu schweigen) für zentrale soziale Anliegen grundsätzlich kein Geld (und keinen Kopf) haben. Und wie die Flüchtlings- und Integrationsarbeit in Zukunft organisiert werden soll, hätte man sich vielleicht auch früher überlegen können, um Diop trotz der Befristung eine Perspektive für seine Arbeit zu geben.

Das neue Integrationskonzept soll kommen

Der Gemeinderat beschloss jedenfalls die Arbeit am besagten neuen Integrationskonzept, das bereits einmal durchgefallen war. Anke Schwede (LLK) kritisierte, die Verwaltung habe versprochen, einen neuen Entwurf vorzulegen, dies sei aber der alte Entwurf. Sie beantragte daher, diesen Tagesordnungspunkt abzusetzen. Die Gegenrede hielt der zuständige Bürgermeister Andreas Osner, und er obsiegte: Schwedes Antrag wurde mehrheitlich abgelehnt, der Tagesordnungspunkt wurde also debattiert und abgestimmt.

Worum geht es? Die Stadt will (das Kind muss ja einen schmucken Namen haben) ihr Integrationskonzept „Konstanz: Internationale Stadt“ entwickeln. Die Grundidee: „Die Stadt Konstanz begegnet in unterschiedlichen Rollen Menschen mit internationalen Wurzeln: als Gastgeberin für Besucher, Studierende, Lehrende, Praktikanten, Heimat für dauerhaft in Konstanz Wohnende und Arbeitende und als Schutzraum für Flüchtlinge. Im Hinblick auf den demographischen Wandel und den Fachkräftemangel möchte die Stadt die Potentiale der Zuwanderung nutzen und deshalb als Gastgeberin, Heimat und als Schutzraum attraktiv sein.“

Kurz innegehalten: Ein wesentliches Leitmotiv des Nachdenkens über Integration ist es also, Fachkräftemangel und Verrentung zu heilen, sprich, „unserer“ Wirtschaft mehr Arbeitskräfte zuzutreiben, auf dass sie auch weiterhin ordentlich Zaster mache. Weidmannsheil!

Ein Geschmäckle hat’s scho

Der Rest der Vorlage enthält ziemlich viel heiße Luft (und kaum etwas außer dieser), aber was soll’s? Diese Vorlage ist ja auch nur der – oft unbeholfen und reichlich bürokratisch formulierte – Antrag der Verwaltung an den Gemeinderat, sich mit dem Thema beschäftigen zu dürfen, um eines Tages zu konkreten Ergebnissen zu kommen.

Konkret wurde die Vorlage allerdings in einem Punkt: Der Forderung nach 50.000 Euro für eine externe Begleitung des Prozesses. Das aber war selbst der CDU zu viel Privatwirtschaft (oder zu viel Sozialstaat, so ganz genau weiß man das bei den Männern und der Frau Gottes ja nie): Sie beantragte, diesen Betrag zu halbieren, man könne ihn ja später immer noch aufstocken, wenn es nicht reiche.

Diese Halbierung auf 25.000 Euro wurde letztlich beschlossen, und das könnte durchaus auch menschliche Gründe oder gar Abgründe haben. Die Leitung dieses Projektes Integrationskonzept wird nämlich in der Hand von Annette Ries liegen, welche als die Freundin des fürs Soziale zuständigen Bürgermeisters Andreas Osner gilt. Dieser kurze Dienstweg stinkt so manchen VolksvertreterInnen ganz gewaltig. All jene, die Osner sowieso nicht leiden mögen, können ihre Nadelstiche jetzt wirkungsvoller setzen, statt wie bisher nur klammheimlich bei ihren Fraktionssitzungen eine Voodoopuppe namens „Andreas“ in ein Nadelkissen zu verwandeln.

O. Pugliese (Text und Foto)