Fontainebleau und Konstanz: Bürgermeister kritisieren Amtskollegin in Lodi

Die Stadtoberhäupter der partnerschaftlich verbundenen Gemeinden Fontainebleau und Konstanz haben auf die aktuellen Vorgänge in der gemeinsamen Partnerstadt Lodi reagiert. In einer heute veröffentlichten Erklärung fordern Fontainebleaus Bürgermeister Frédéric Valletoux und der Konstanzer OB Uli Burchardt die dortige Lega-Bürgermeisterin Sara Casanova zur Rücknahme einer Regelung auf, die Kinder aus Flüchtlingsfamilien faktisch von öffentlichen Schulleistungen ausschließt. Gestern hatte die Linke Liste Konstanz gefordert, die Partnerschaft auszusetzen. Die Bürgermeistererklärung im Wortlaut:


Wir, der Bürgermeister von Fontainebleau und der Oberbürgermeister von Konstanz,
Wir, engagierte europäische Kommunalpolitiker,

sind aufgrund der Tatsache, dass unsere Städte Fontainebleau und Konstanz eine Partnerschaft mit Lodi, in Italien, unterhalten, über die aktuellen Ereignisse in Lodi ganz besonders berührt und betroffen.

Unsere italienische Partnerstadt Lodi hat eine Regelung erlassen, welches die ausländischen Einwohner ihrer Stadt verpflichtet, nachzuweisen, dass sie in ihrem Herkunftsland über keinerlei Besitz verfügen. In diesen Ländern herrscht teilweise Krieg oder aber in den Verwaltungen Chaos. Ohne einen solchen Nachweis wird diesen Familien der Höchstsatz an Kosten für Schulkantine, Schultransport und Hausaufgabenbetreuung angerechnent.

Ein solcher Nachweis ist nahezu unmöglich, so dass diese Entscheidung de facto – laut Presse – 300 Kinder von der Schulkantine und dem Schultransport ausschließt.

Diese Maßnahme wird in einem bestimmten staatlichen Kontext getroffen und sie ist auf lokaler Ebene ein konkreter Ausdruck eines fremdenfeindlichen und diskriminierenden politischen Programms. Dieses schlägt hier erbarmungslos zu und trifft in erster Linie die Kinder.

Wir sind der aufrichtigen Überzeugung, dass man in Europa Kinder nicht nach ihrer Herkunft einordnet.

Die Städtepartnerschaften waren nach dem Zweiten Weltkrieg, der unsere Länder zerrissen hat, ein wichtiger Akt der Versöhnung der europäischen Völker.

Die Städtepartnerschaft ist nicht nur eine symbolische Geste, nicht nur ein Zeugnis des Friedens und der Brüderlichkeit. Sie ist ein konkreter Akt, der Beziehungen zwischen den Institutionen, den Vereinen und den europäischen Bewohnern fördert. Viele der gemeinsam inititierten Projekte richten sich an die Jugend.

Die Städtepartnerschaft beruht auf den Werten Europas, davon sind von besonders großer Bedeutung der Respekt der Person, die Brüderlichkeit und der Humanismus.

Wir sehen in Italien ein öffentliches Handeln, welches uns an die düstersten Stunden unserer Geschichte erinnert. Was in diesem Bruder-Land geschieht, einem Mitbegründer Europas, betrifft uns, macht uns nachdenklich und bedrückt uns.

Wir wollen weder als Ankläger, noch als Richter auftreten, aber durch unsere Städtepartnerschaft und deren Förderung gegenüber unserer Bevölkerung, unserer Schüler und Schulen, durch unsere Beziehungen, die uns verbinden, ist es uns wichtig, unseren europäischen Werten treu zu bleiben.

Wir rufen daher unsere Amtskollegin, die Bürgermeisterin von Lodi, auf, alles zu unternehmen, damit diese Entscheidung zurückgenommen wird und dieser unwürdigen Situation ein Ende gesetzt wird, in der in den Schulen ihrer Stadt manche Kinder vom Essen in der Kantine profitieren, andere aber aufgrund ihrer Herkunft auf eine andere und weniger gute Art behandelt werden. Wir können uns nur solidarisch gegenüber den Bewohnern Lodis und ganz Italiens zeigen, die diesen Kindern ihre Unterstützung in Worten und Taten unter Beweis gestellt haben.

Frédéric Valletoux, Bürgermeister von Fontainebleau (Frankreich)
Uli Burchardt, Oberbürgermeister von Konstanz (Deutschland)
Zwei seit 1960 durch eine Städtepartnerschaft verbundene Städte