Frankreich: Wie weiter mit Macron?
Kurzfristig ergab sich für seemoz e.V. die Gelegenheit, für den 6.5. mit Bernard Schmid einen profunden Kenner der französischen Innenpolitik für einen Vortrag zur Situation Frankreichs zwischen den beiden Wahlen zu gewinnen. In seinen Ausführungen soll es ebenso um eine Einschätzung der derzeitigen politischen Konstellation gehen wie eine Bewertung der jüngsten Wahl des Präsidenten und eine Einordnung der möglichen Folgen der anstehenden Wahl des Parlaments.
Die Veranstaltung wird von einem breiten Bündnis von Organisationen unterstützt, neben seemoz e.V. ist auch die Deutsch-französische Vereinigung Konstanz e.V. (DFV Konstanz), die Linke Liste Konstanz (LLK), der DIE LINKE KV Konstanz und die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN-BdA) Konstanz beteiligt.
Auch nach der Wahl des Präsidenten wird Frankreich schwerlich zur Ruhe kommen: Die Vielzahl politischer, ökonomischer und sozialer Probleme führten bereits in den vergangenen Jahren zu teils eskalierenden Protesten. Neben den Unruhen in den Pariser Banlieus und den Platzbesetzungen von Nuit debout waren sicherlich die „Gelbwesten“ das markanteste Beispiel für die gespannte Lage.
Das Aufatmen der Regierungen der europäischen Nachbarländer nach Emmanuel Macrons erneuter Wahl zum Präsidenten und seinem Sieg gegen Marine Le Pen wird nur von kurzer Dauer sein, findet doch Macrons politischer Kurs und insbesondere seine Wirtschafts- und Sozialpolitik nur bei einer Minderheit der Französinnen und Franzosen Zustimmung. Zwar ging Macron als Sieger hervor, Marine Le Pen konnte jedoch 41,5 % der abgegebenen Stimmen gewinnen. Der Stimmenanteil der bürgerlichen Mitte hat folglich seine Mehrheit eingebüßt. Nicht nur die französische extreme Rechte wird immer stärker, auch aufseiten der Linksparteien hatte z.B. Jean-Luc Mélenchon mit 22% der Stimmen ein beachtliches Ergebnis zu verzeichnen. Was bedeuten die Verschiebungen für die Parlamentswahlen am 12. und 19. Juni 2022?
Bernard Schmid, 1971 in Radolfzell geboren, promovierter Jurist, lebt seit Mitte der 90er Jahre in Paris. Von 2007 bis 2014 arbeitete er als angestellter Jurist bei einer antirassistischen Nichtregierungsorganisation, danach 2014/15 als juristischer Berater für die CGT, den stärksten französischen Gewerkschaftsdachverband. Seit Februar 2017 ist er als Anwalt in Paris niedergelassen und daneben als freier Journalist tätig. Er ist Autor mehrerer Bücher. Seine Themenschwerpunkte sind die extreme Rechte in Frankreich und Europa, Algerien, das französisch-sprachige Afrika, Gewerkschaften und soziale Bewegungen in Frankreich.
Wann? 06.05.2022, 19:30
Wo? Im Bürgersaal am Stephansplatz
Text: Medienmitteilung
Bild: Privat
Hintergrundinformationen zu den Unruhen in Frankreich liefert kundig Bernard Schmid, der in Paris lebt und für seemoz immer wieder berichtete, aktuell auf der Online-Plattform telepolis:
https://www.telepolis.de/features/Unruhen-in-Frankreich-Neuer-Trouble-in-Pariser-Vorstadt-dehnt-sich-rasant-aus-9203716.html
Und hier bei Radio Dreyeckland:
https://rdl.de/beitrag/ein-gezielter-schuss-auf-den-17-j-hrigen-nahel-m
Mehr zum in Radolfzell geborenen Bernard Schmid unter
https://de.wikipedia.org/wiki/Bernhard_Schmid_(Autor)
Da über die heutige entscheidende Parlamentswahl in Frankreich in deutschen Medien wenig oder ziemlich kümmerlich berichtet wird, ein Hinweis auf einen aktuellen Artikel von Bernard Schmid, der am 6. Mai im Bürgersaal ausführlich und kundig über die Situation vor den Parlamentswahlen referierte. https://www.heise.de/tp/features/Frankreich-Wahl-Linksbuendnis-koennte-eigentlicher-Gewinner-sein-7139400.html
Zu den Chancen und der Politik, für den Fall eines wenig wahrscheinlichen Wahlsieges, des aus deutscher Sicht ‘Leibhaftigen’ Jean-Luc Mélenchon trifft er eine sehr nüchterne Einschätzung:
«Fragen wirft, neben dem Zustand der französischen Demokratie, aber auch die problematische Kommentierung von Teilen der deutschen Presse auf. Da wird etwa in der Frankfurt Rundschau ohne Abstriche behauptet, der linksnationalistische Sozialdemokrat Jean-Luc Mélenchon sei – Gottseibeiuns – angeblich „Linksradikaler“, ja sogar ein „bekennender Trotzkist“.
Das ist absurd. Von in Kürze bevorstehenden Revolutionsfeierlichkeiten in Paris braucht man jedenfalls – egal, wie die Wahl am kommenden Sonntag ausgeht – nicht zu träumen oder, je nach Standpunkt, auch nicht zu albträumen.»
( Zum Nachhören ein thematisch gleicher aktueller Beitrag von Bernard Schmid auf Radio Dreyeckland https://rdl.de/beitrag/frankreich-f-r-die-extreme-rechte-ist-das-parlament-nebensache-trotzdem-war-sie-bei )
Und in Zeiten des Krieges soll auch ein Hinweis auf eine gelungene(?) Versöhnung nach Jahrhunderten immer wieder leidvoller gewalttätiger Beziehung zum Nachbarland nicht fehlen, wobei es im letzten Jahrhundert deutsche Angriffskriege waren. Den jüngeren Generationen vermutlich völlig unbekannt ist die französische Chansonnière Barbara. «Ein Konzert in Göttingen 1964. Die Chansonsängerin Barbara überwindet die Barriere zwischen den einst verfeindeten Nationen. Ihr Lied „Göttingen“ wurde zu einer Hymne der Versöhnung.» https://www.deutschlandfunkkultur.de/chanson-barbara-goettingen-100.html
Barbara mit «Göttingen» https://www.youtube.com/watch?v=s9b6E4MnCWk (1967).