Frauen im Nationalsozialismus: Opfer und Täterinnen

Die BildungsBude e.V. in Singen setzt sich in zwei Veranstaltungen mit Frauen in der Zeit des Nationalsozialismus auseinander. Die Sozialwissenschaftlerin Randi Becker geht am Donnerstag, 15. Oktober, in einem Vortrag der Frage nach, wie Frauen als Täterinnen am Nationalsozialismus beteiligt waren. Am Samstag, 17. Oktober, leitet sie einen Workshop, bei dem anhand verschiedener weiblicher Biografien ein differenziertes Bild vom Verhältnis von Geschlecht und NS-Regime erarbeitet werden soll.

Diskussionsveranstaltung: Die Gnade der weiblichen Geburt?

Immer noch gelten Frauen in der öffentlichen Wahrnehmung als friedliebend und wenig gewalttätig. Debatten um Beate Zschäpe und andere Neonazistinnen forderten in den letzten Jahren das Geschlechterbild vom männlichen, gewalttätigen Nazi heraus und machen deutlich, dass eine geschlechterreflektierende Perspektive auf Rechtsextremismus notwendig ist, um die Akteurinnen und Akteure des aktuellen Rechtsextremismus in den Blick nehmen zu können. Der Widerwille, sich auch mit mordenden Frauen auseinanderzusetzen, wird auch historisch im Hinblick auf NS-Täterinnen sichtbar.

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Es existieren bislang nur wenige Forschungen zu Frauen als Täterinnen, die diese tatsächlich in ihrem Beitrag zum Massenmord ernstnehmen. Dieser Forschungslücke widmete sich die Referentin Randi Becker, die in ihrer Masterarbeit untersuchte, wie Frauen als Täterinnen von 1945 bis heute in der NS-Aufarbeitung und in Gedenkstätten verhandelt wurden und werden. Am Donnerstag, 15. Oktober, wird sie in ihrem Vortrag „Die Gnade der weiblichen Geburt? Frauen als Täterinnen im Nationalsozialismus“ der Frage nachgehen, wie Frauen am NS-Regime beteiligt waren, und wie diese Beteiligung nach 1945 bis heute aufgearbeitet wurde.

Zur Referentin

Randi Becker studierte Sozialwissenschaften, Soziologie und politische Theorie in Gießen, Frankfurt und Darmstadt und promoviert an der Universität Passau. Sie ist Referentin für politische Bildung mit den Schwerpunktthemen Antisemitismus, Nationalsozialismus, Rassismus und Geschlecht.

Einführender Workshop: Frauen im Nationalsozialismus

Feminismus, das heißt nicht nur unbedingte Solidarität mit Frauen, es heißt viel mehr, Frauen in ihrem politischen Handeln wahr- und ernst zu nehmen – in ihren Kämpfen für Emanzipation ebenso wie in ihren politischen Verbrechen.

Im Nationalsozialismus spielten Frauen ganz unterschiedliche Rollen: im Widerstand, als Opfer der NS-Vernichtungspolitiken als Jüdinnen, Sintezza oder Romnja, als „asozial“ Stigmatisierte, als Sexarbeiterinnen, aber auch als KZ-Aufseherinnen und Mörderinnen.

Im Feminismus wurde der Nationalsozialismus aber – genau wie im Mainstream der 1950er bis 70er Jahre – kaum reflektiert. Erste Forschungen der 80er Jahren von Frauen fokussierten sich in der beginnenden Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus vor allem auf weibliche Opferschaft. Auch wenn das Frauenbild des Nationalsozialismus rassistisch, antisemitisch und durchaus frauenfeindlich und sexistisch war, bot er Frauen auch Spielräume für sozialen Aufstieg, Karriere und Aufwertung im Kampf gegen als Minderwertige oder Gegenrasse imaginierte.

Der am Samstag, 17. Oktober stattfindende Workshop will anhand verschiedener weiblicher Biografien erarbeiten, wie Frauen im Nationalsozialismus geschlechtsspezifisch unterdrückt wurden, aber auch in anderen Fällen ihre Machtpositionen für die Unterstützung des NS-Regimes und dessen Vernichtungspolitik einsetzten. Die Teilnehmenden sollen so ein differenzierteres Bild vom Verhältnis von Geschlecht und Nationalsozialismus erhalten. Der Workshop soll in das Thema einführen, es wird kein Vorwissen vorausgesetzt.

Zu den Veranstaltern

Vortrag und Workshop werden veranstaltet von Bildungsbude e.V., der VVN-BdA Konstanz und der Initiative Stolpersteine. Beide Projekte werden im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert und durch die Singener Kriminalprävention (SKP) unterstützt.

Aufgrund der aktuellen Situation ist die Teilnehmenden-Zahl entsprechend den Räumlichkeiten begrenzt. Aus diesem Grund bitten wir um eine vorherige Anmeldung an: info@bildungsbude.org.

MM/UP

Bild: Mutter mit zwei Mädchen und einem Jungen des „Deutschen Jungvolks“ (SS-Leitheft 9/2, Februar 1943); Quelle: Bundesarchiv, Bild 146-1973-010-31 / CC-BY-SA 3.0 / CC BY-SA 3.0 DE


Was: Die Gnade der weiblichen Geburt? Frauen als Täterinnen im Nationalsozialismus, Vortrag von Randi Becker mit anschließender Diskussion.
Wann: Donnerstag, 15.Oktober 2020, 19.00 Uhr
Wo: Singen, Zunftschüür, Lindenstr. 13a

Was: Einführender Workshop: Frauen im Nationalsozialismus, Referentin Randi Becker
Wann: Samstag , 17.Oktober 2020, 12 bis 17 Uhr
Wo: Singen, Zunftschüür, Lindenstr. 13a

Wichtig: Einlass zu den Veranstaltungen kann nur nach vorheriger Anmeldung erfolgen.