Frei.Wild: Bitte nachlesen
Unser digitaler Papierkorb quillt über: Dutzende Kommentare zu unserem kurzen Artikel vom Frei.Wild-Konzert – wie auch auf Facebook zumeist anonym – und tausende Klicks auf den Text belegen: Da wurde ein Wespennest getroffen. Auch wir blieben weiter am Ball und fragten bei den Stadtwerken und beim Oberbürgermeister nach.
Uli Burchardt deshalb, weil er Aufsichtsratsvorsitzender der Stadtwerke ist, die ihr Fährschiff der umstrittenen Rechtsrockgruppe vercharterten. Die Antwort des Oberbürgermeisters auf unsere Frage, ob er vorab über den Auftritt informiert wurde, war kurz, klipp und klar: „Nein, das war mir nicht bekannt.“ Somit kamen die Konstanzer Stadtwerke ins Spiel, deren Geschäftsführer Norbert Reuter schon ausführlicher, aber nichtsahnend antwortete.
„Wir haben im Vorfeld der Anfrage selbstverständlich recherchiert und hierbei keine Auffälligkeiten festgestellt, die eine rechtsextreme oder anderweitig extreme Haltung der Band ergeben haben.“ Auch ansonsten sei das Konzert „durchweg professionell und friedlich“ abgelaufen
Da haben aber offensichtlich die Stadtwerke-MitarbeiterInnen nicht sorgsam genug recherchiert. Sonst hätten sie beispielsweise von dem Eklat erfahren, den die Nominierung der Gruppe für den Echo-Preis 2013 ausgelöst hatte. Damals boykottierten etliche Rockbands die Veranstaltung wegen der Teilnahme von Frei.Wild, was dann zum Abbruch führte. Oder sie hätten das TV-Magazin „Aspekte“ gefunden, das der Band vorwarf, „sich nicht von rechten Gedankengut zu distanzieren“. Oder sie hätten Dirk Wilking gelesen: Der Geschäftsleiter des Brandenburgischen Instituts für Gemeinwesenberatung beurteilt die Band als rechtsextrem, da sie „Nazi-Ideologien“ verbreite. Als Beispiel dafür nannte er das Lied Südtirol: „Im Lied ‚Südtirol‘ etwa wird eindeutig Italien angegriffen: Südtirol soll nicht mehr zu Italien gehören, vielmehr wollen sie etwas Grossdeutsches.“
Demnächst also, lieber Dr. Reuter, bitte genauer nachlesen und konsequenter reagieren. Aber wenigstens den Aufsichtsrat informieren. Der hätte ohne die seemoz-Veröffentlichung von diesem Auftritt nichts erfahren. Und die Öffentlichkeit auch nicht.
hpk
Mehr zum Thema:
22.04.13 | Wochenend-Rebellion der jungen Spießer
18.03.13 | Lasst uns endlich die lästigen Fesseln der Logik abstreifen …
Ich begrüße, dass „seemoz“ über die Veranstaltung berichtet hat. Denn auch wenn ich große Zweifel daran hege, dass die Band „Frei.Wild“ tatsächlich durch und durch rechtsextrem eingestellt ist (die Belege für solch eine Ideologie sind mir zu vage und nicht konsistent genug), muss gerade dieser Tage über Ereignisse informiert werden, die zumindest hätten hinterfragt werden müssen.
Dass man bei den Stadtwerken offenbar nur recht oberflächlich recherchiert hat und dem Oberbürgermeister wohl überhaupt nicht klar war, welch zumindest umstrittene Musikgruppe auf dem Fährschiff aufgetreten ist, zeigt deutlich, dass hier in Zukunft mehr Achtsamkeit und Kommunikationsgeschick vonnöten ist.
In Zeiten, in denen Rechtsrock-Konzerte zu immer größeren Anlässen werden, muss jede Anstrengung unternommen werden, den Anschein zu vermeiden, man dulde diese auch in Konstanz. Und selbst wenn man zu dem Ergebnis kommt, dass eine Band nicht „rechtsextrem“ ist, so lohnt sich zumindest eine offizielle Stellungnahme, in der man seine Bedenken gegenüber einer doch zweifelhaften Musikgruppe äußert – denn zu schweigen, das ist im Zweifel stets die schlechteste Lösung.