Frieden schaffen durch Bewegung

Fast zwei Monate waren sie quer durch die Republik unterwegs – die TeilnehmerInnen der Naturfreunde-Wanderung „Frieden in Bewegung“. Am vergangenen Sonntag endete der Marsch in Konstanz. Auf der Abschlussver-anstaltung sprachen u.a. die grüne Stadträtin Gisela Kusche (in Vertretung des Oberbür-germeisters) und der Naturfreunde-Bundesvor-sitzende Michael Müller. Hier die Hauptrede von Jürgen Grässlin, Sprecher der „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“ und Bundesspre-cher der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK).

Was für eine grandiose Aktion ist diese bundesweite Friedenswanderung von Hannover nach Konstanz – Ihr seid in über 55 Etappen 1100 Kilometer gewandert!

Seit Jahrzehnten treten die Naturfreunde Deutschlands ein
– für Frieden und Völkerverständigung,
– für eine neue Entspannungspolitik,
– für ein Verbot von Rüstungsexporten,
– für ein Verbot aller Atomwaffen
– und für globale Abrüstung.

Wahrlich, das sind zentrale Ziele zur Erreichung des Friedens weltweit! Nur wenn es uns gelingt, ein Verbot aller Atomwaffen durchzusetzen, ist der Fortbestand der Menschheit garantiert. Einzig durch Entspannungspolitik und durch Völkerverständigung erzielen wir eine neue globale Abrüstung.

Zu Recht fordern die Naturfreunde eine globale Abrüstung.

Laut dem Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI wurden 2020 fast zwei Milliarden US-Dollar in die Rüstung gesteckt. „So viel Geld wurde seit 1988 nicht mehr für das Militär ausgegeben“, zitierte die Deutsche Welle International im April das Stockholmer Institut. „Und da herrschte noch der Kalte Krieg: 1981 Milliarden US-Dollar haben die Staaten der Welt 2020 in Raketen, Panzer, Munition und ihre Soldaten investiert. Das entspricht einer Steigerung von 2,6 Prozent zum Vorjahr.“

Diese Fehlinvestitionen in Militär und Rüstung in Höhe von fast zwei Billionen US-Dollar werden in einer Zeit betrieben, da gleichzeitig die finanziellen Mittel fehlen zur Bekämpfung von Krankheiten, der Covid-Pandemie und des weltweiten Hungers. Und was keinesfalls vergessen werden darf: „Jeden Tag sterben noch immer 14.000 Kinder, bevor sie fünf Jahre alt werden“, schreibt UNICEF, das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen.

Geld wäre genug da, um jedem Kind Nahrung, Medikamente und auch Bildung zu geben –  aber es wird wissentlich und willentlich falsch verteilt.

Schande über all die Politiker und Militärs, die Unsummen an Geld für Militär und Rüstung verprassen – das wir so dringend bräuchten, um die wahren Menschheitsprobleme zu lösen: um den Hunger zu bekämpfen, um Gesundheit und Bildung für jeden Menschen zu garantieren!

Schande über all die Politiker und Militärs!

In den aktuellen Klimadebatten kommt das Militär praktisch nicht vor, obwohl es gigantische Umweltschäden verursacht. Beim internationalen Klimaabkommen von Kyoto 1997 wurde das Militär – auf Druck der USA – praktisch ausgenommen.

Das Pentagon ist nach offiziellen Angaben der größte institutionelle Einzelverbraucher von Erdöl in der Welt. Damit ist das US-Verteidigungsministerium der größte institutionelle Erzeuger von Treibhausgasen. Allein die US-Luftwaffe verfeuert ein Viertel des weltweit verbrauchten Flugbenzins. Auch die Bundeswehr ist ein aktiver Umweltverschmutzer par excellence: So verbraucht allein ein Leopard-2-Panzer durchschnittlich 420 Liter Treibstoff auf 100 Kilometer.

Dabei sind die weitaus gewaltigeren Zerstörungen durch Kriege noch nicht einmal mit einbezogen. Denn durch Interventionen zerstört Militär weite Landstriche oder gar ganze Länder. Experte hierfür ist Maik Schluroff von der Friedensinitiative Konstanz.

Deshalb fordern wir: Zur Bekämpfung der Klimakatastrophe müssen die Regierungen – allen voran der die Industriestaaten – die benötigten Milliardensummen aufwenden für nachhaltigen Umweltschutz statt für Militarisierung und Aufrüstung!

Zu Recht fordern die Naturfreunde ein Verbot von Rüstungsexporten, wie die nebenstehende Tabelle zeigt. Basierend auf Untersuchungen von SIPRI hatten die USA einen Anteil von 37 Prozent am weltweiten Waffenhandel, Russland kommt mit 20 Prozent an zweiter Stelle, danach Frankreich (8,2 Prozent) und Deutschland (5,5, Prozent). Interessant dabei: Während Frankreich seinen Waffenexport im Zeitraum von 2016 bis 2020 um 44 Prozent steigern konnte (im Vergleich zu 2011–2015) und Deutschland seine Waffenausfuhr im selben Zeitraum um 21 Prozent erhöhte, sank der Waffenexport Chinas um 7,8 und der von Russland um 22 Prozent.

Dieses gewaltige Wachstum beim Waffenhandel ist eine Schande, allen voran für die USA, Deutschland und Frankreich!

Rüstungsexporteure tragen einen Namen – gerade hier am Bodensee. Da gibt es unter anderen Airbus Defence and Space/EADS/Cassidian/Astrium in Immenstaad und Friedrichshafen, Adlon und Hensold in Immenstad, Diehl Defence in Überlingen, ATM Computersysteme in Konstanz, General Dynamics/Mowag in Kreuzlingen, Avitech sowie Rolls Royce Power Systems/MTU/Tognum in Friedrichshafen, Liebherr Aerospace in Lindau, Rheinmetall Solider Electronics in Stockach, Zeppelin Mobile Systeme in Meckenbeuren … und viele kleinere Rüstungsbetriebe und Zulieferer. Damit ist der Bodenseeraum die Rüstungsregion Nummer 1 in Deutschland.

Mit den Gewerkschaften fordern wir die Umstellung von der militärischen auf eine sinnvolle, nachhaltige zivile Fertigung, also  Rüstungskonversion! Wir fordern die sozial-ökologische Transformation!

Deutsche Waffen, deutsches Geld morden mit in aller Welt! Die Sparkasse Bodensee finanziert nach eigenen Angaben Rüstungsbetriebe am Bodensee. Sie gibt offen zu, dass sie bei der Ausgabe von Fonds keine Kontrollmechanismen hat, um auszuschließen, dass nicht auch Zulieferer für Atomwaffen dabei sind – so eine Reaktion auf die Nachfrage der Friedensinitiative Konstanz im Frühjahr 2021.

Schande über all die Fonds und Banken, die – wie die Sparkasse Bodensee – mit ihrem Geld Rüstungsproduktion und -export erst ermöglichen!

Eine direkte Folge des Exports und Einsatzes von Kriegswaffen ist, dass Millionen Menschen ihr Heimatland verlassen müssen!

Viele US-amerikanische, asiatische und europäische Konzerne – auch deutsche, wie Rheinmetall und Airbus – liefern Waffen in Krisen- und Kriegsgebiete, sie treiben Abertausende von Menschen in die Flucht. Dabei profitieren sie – nach den Waffenexporten – ein zweites Mal durch den Bau von Grenzsicherungsanlagen, der sogenannten „Border Security“, von der Abschottung.

Hilfreich sind die Recherchen des Global Net – Stop the Arms Trade des RüstungsInformationsBüros in Freiburg. Mit unserem weltweiten Netzwerk gegen Waffenhandel haben wir in einer Untersuchung (Fall 06) aufgearbeitet, wer die Profiteure der Abschreckung an den Grenzen von Mexiko und den USA, Israel und Palästina, im Norden Afrikas und in Saudi-Arabien sind. Was hat die Bodenseeregion mit derlei Border Security zu tun? Der Airbus-Konzern hat – wohlgemerkt hier am Bodensee die Grenzsicherungsanlagen für Saudi-Arabien zur Flüchtlingsabwehr entwickelt!

Noch gelingt Tausenden von Menschen die Flucht aus Krisen- und Kriegsgebieten Afrikas, allerdings nur noch bis ans Mittelmeer. Dort verhindern die EU-Grenzschutzagentur Frontex und die Border Security vielfach die Flucht nach Europa.

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An dieser Stelle darf ich euch sehr herzlich von Konstantin Wecker, dem Schirmherrn der bundesweiten Friedenswanderung der Naturfreunde, grüßen. Er gibt heute zeitgleich ein Konzert – endlich können Kulturschaffende wieder öffentlich tätig sein. Passend zum genannten Thema, sendet uns Konstantin Wecker das Gedicht „Schäm dich Europa“, das von Ioachim Zarculea, einem Schauspieler des Theaters Konstanz, gekonnt verlesen worden ist.

Wie Wecker weiß, gelingt nur wenigen Menschen die Flucht aus den Kriegsgebieten nach Europa, nach Deutschland, nach Konstanz. Im Landkreis Konstanz verzeichnete das Landratsamt Anfang Juni 2021 insgesamt 506 Geflüchteten, die in Gemeinschaftsunterkünsten untergebracht sind. Davon kamen aus Syrien 132, aus Nigeria 74, aus dem Irak 58, aus Afghanistan 41, aus der Türkei 34, aus Gambia 32, aus dem Iran 31 und aus Somalia 19 Personen.

Wer sind die Empfängerländer deutscher Kriegswaffen? In der Gegenwart: Ägypten, die Türkei und andere. In der Vergangenheit: Afghanistan, Libyen, der Irak, der Iran, Somalia, Syrien und andere. Wer Waffen sät, wird Flüchtlinge ernten!

Wer Menschen den Verbleib in ihrem Heimatland ermöglichen will – sei es im Irak, in Syrien, in Afghanistan oder der Türkei – der muss Frieden schaffen durch Abrüstung und Entmilitarisierung!

Wer Menschen den Verbleib in ihrem Heimatland ermöglichen will, der muss Rüstungsexporte stoppen!

Liebe Naturfreunde, gerne greifen wir euer Motto der Friedenswanderung 2021 auf: „Frieden in Bewegung“. Mehr noch: Frieden schafft Bewegung! Frieden ist der Weg zum Erfolg!

Positive Aspekte langjähriger Friedensarbeit in Konstanz sind pars pro toto:

  • Konstanz ist seit Beginn der 1980iger Jahre atomwaffenfreie Zone.
  • Die Mitgliedschaft bei den „Mayors for Peace“ seit 1986 mit jährlicher Kundgebung und Beflaggung vor dem Rathaus seit 2018 – wieder am Konstanzer Rathaus am 8. Juli 2021.
  • Nach dem Friedensnobelpreis an die internationale Kampagne zur atomaren Abrüstung (ICAN) 2017 erfolgte zwei Jahre danach der Beitritt der Stadt Konstanz zum Städteappell von ICAN.
  • Auch Überlingen, Ravensburg und Lindau sind Mitglied bei „Mayors for Peace“ und Unterstützer des Städteappells.

Aber Achtung: Diese Erfolge konnten nur erzielt werden durch den ständigen Druck und das permanente Nachhaken der Friedensbewegung.

Bei unserer Kampagne „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“ mit mehr als 150 Mitgliedsorganisationen können wir mittlerweile auf viele Erfolge verweisen, aktuell durch unsere Strafzeigen gegen Heckler & Koch und SIG Sauer.

Nach den Strafanzeigen meinerseits (2010) und von Rechtsanwalt Holger Rothbauer (2012) gegen den Kleinwaffenhersteller Heckler & Koch beziehungsweise Rüstungsexport-Kontrollbehörden wegen widerrechtlicher G36-Gewehrexporte nach Mexiko verurteilte der Bundesgerichtshof H&K im März 2021 zu einer Zahlung von mehr als drei Millionen Euro – wohlgemerkt nach einem Rechtsparagrafen zu „organisierter Kriminalität“!

Nach unserer ersten Strafanzeige (2014) gegen den Kleinwaffenhersteller SIG Sauer wegen widerrechtlicher Pistolenexporte nach Kolumbien verurteilte der Bundesgerichtshof den zweitgrößten deutschen Kleinwaffenhersteller vor drei Tagen, am 1. Juli 2021, zu einer Zahlung von mehr als elf Millionen Euro, erneut nach dem Paragrafen zu „organisierter Kriminalität“!

Das Signal an die Rüstungsindustrie ist eindeutig: Illegaler Waffenhandel wird juristisch hart sanktioniert! Denn fortan müssen rechtsbrechende Unternehmen nicht nur den Gewinn, sondern den Bruttoumsatz eines widerrechtlichen Waffendeals an den Staat abführen.

Ein Unternehmen allerdings hat diese Botschaft noch immer nicht verstanden. Deshalb haben wir zum zweiten Mal Strafanzeige gegen SIG Sauer gestellt wegen des Verdachts erneuter illegaler Kleinwaffenexporte – diesmal nach Mexiko, Nicaragua und nochmals nach Kolumbien. Die Staatsanwaltschaft Kiel ermittelt.

Schande über die verantwortlichen Manager des Unternehmens SIG Sauer, die in nie gekannter Skrupellosigkeit erneut Kleinwaffen – diesmal Pistolen, Maschinenpistolen und Sturmgewehre – illegal in Krisen- und Kriegsgebiete Lateinamerikas geliefert haben sollen!

Deshalb fordert die Kampagne „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“ mit Nachdruck von der Bundesregierung: Ziehen Sie endlich die notwendigen Konsequenzen aus den Fällen des mörderischen illegalen Waffenhandels von Heckler & Koch und SIG Sauer. Verabschieden Sie ein strenges Rüstungsexportkontrollgesetz, das ein völliges Exportverbot für Kleinwaffen beinhaltet!

Kommen wir zu einem weiteren Erfolgsmodell der Friedensbewegung: den Kritischen Aktionär*innen. Als Großaktionär besitze ich Aktien von H&K, Rheinmetall, Daimler und der Deutschen Bank – genauer gesagt je eine Aktie. Mit einer einzigen Aktie haben wir die gleichen Rechte wie mit tausend Aktien. Bei den Jahreshauptversammlungen fordern wir in unseren Gegenanträgen die Nichtentlastung von Vorstand und Aufsichtsrat. Wir stellen bis zu 200 Fragen zu Rüstungsproduktion und -exporten, die beantwortet werden müssen. Bei Heckler & Koch haben wir die „Grüne-Länder-Strategie“ mitbewirkt – nie wieder Waffenhandel mit Staaten Afrikas oder des Mittleren Ostens!

Was aber kann jede*r Einzelne von uns tun? Werdet Mitglied oder Unterstützer*in bei einer der mehr als 15 Organisationen, die heute hier am Konstanzer Hafen ihre Stände errichtet haben. Werdet Mitglied bei der Friedensini Konstanz, der Friedensregion e.V. und bei Keine Waffen vom Bodensee. Macht mit bei der Kampagne „Abrüsten statt Aufrüsten!“, ich bin einer der Erstunterzeichner.

Waffenhandel wütet weltweit. Deshalb macht mit beim weltweiten Wandel zum Guten durch das Global Net – Stop the Arms Trade! Das GN-STAT ist das größte Projekt des RüstungsInformationsBüros, RIB e.V., das ihr durch eure Mitgliedschaft unterstützten könnt!

Kommen wir zu guter Letzt vom Dank an die Naturfreunde zur Aufmunterung durch die Naturfreunde: „Frieden in Bewegung“.
Bewegung für eine Welt ohne Atomwaffen und Rüstungsexporte,
Bewegung für Bildung und Gesundheit für alle Menschen,
Bewegung für eine friedliche, solidarische und gerechte Welt.
Wir schaffen Frieden durch Bewegung.
Lasst uns diese bessere Welt gemeinsam schaffen!
Vielen Dank.


Fotos: H. Reile/P. Wuhrer