Gastro-Öffnung: „Vor allem für die Kleinen wird es hart“
Ab kommenden Montag, 18.5., dürfen Gaststätten und Cafes auch in Konstanz wieder öffnen. Allerdings unter Einhaltung diverser Schutzmaßnahmen, die wohl nur unter erschwerten Bedingungen umgesetzt werden können. Ob damit der arg gebeutelten Gastro-Szene wirklich geholfen wird, bleibt abzuwarten. Klar ist jedoch jetzt schon: Vor allem die kleinen Kneipen und Bars, oft im Familienbetrieb geführt, stehen auf der Kippe.
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Der Konstanzer Wirt Anselm Venedey (55) weiß, wovon er spricht. Er betreibt seit Jahren drei Cafes und Restaurants, die auch gerne von Schweizer Gästen besucht werden. Seine Gastrobetriebe „Wessenberg“ und „Ignaz“ sind noch geschlossen, nur das „Heinrich“ bietet über ein Schiebefenster einen Straßenverkauf an, der passabel läuft und sich auch zu einem sozialen Treffpunkt mitten in der Altstadt entwickelt hat. „Hier kommt man zusammen und tauscht sich aus.“ Er selber sei seit Wochen überwiegend damit beschäftigt, „strategisch zu denken und zu überlegen, wie es in Zukunft weiter geht“. Die staatliche Soforthilfe habe kurzfristig geholfen, um zumindest teilweise die Pacht für seine Läden überweisen zu können. Und er gibt auch offen zu: „Wir haben in der Vergangenheit gut gewirtschaftet und konnten Rücklagen schaffen, ich will da nicht klagen“. Das wiederum erleichtere auch die Verhandlungen mit Banken, wenn es um zusätzliche Kredite gehe, um längerfristig den Fortbestand seiner Lokalitäten abzusichern.
Wenig Lohn in einer teuren Stadt
Sorgen aber macht sich Venedey, der für die Freien Wähler auch rund 14 Jahre lang Mitglied des Konstanzer Gemeinderats war und dort meist linksliberale Positionen vertrat, vor allem um seine Mitarbeiter. Nach der Schließung seiner Betriebe musste er sie quasi über Nacht in Kurzarbeit schicken. Will heißen: Die Angestellten mit Kindern bekommen nur noch 67 Prozent ihres Gehalts, die ohne Kinder 60 Prozent. Damit, so Venedey, „kannst du in der teuren Stadt Konstanz nicht überleben“. Die Metropole am Bodensee ist begehrt, die Mieten stiegen in den vergangenen Jahren explosionsartig und sind vergleichbar mit denen in München, Hamburg oder Stuttgart. Und wer hier eine Immobilie erwerben will, muss sehr tief in die Tasche greifen. Auf der Strecke bleiben somit überwiegend die Normalverdiener, deren Finanzen auf Kante genäht sind und die Mühe haben, überhaupt eine bezahlbare Wohnung zu finden.
Da in der Gastronomie auf deutscher Seite erfahrungsgemäß eher schlecht bezahlt wird, ist ein Einkommensverlust von bis zu 40 Prozent existenzgefährdend und auf Dauer nicht zu kompensieren. Oft vergessen werden die zahlreichen Minijobber, meist StudentInnen, die sich in der Gastronomie ein kleines Zubrot verdienen, um damit teilweise ihre Ausbildung zu finanzieren. Venedey, bei dem bekanntermaßen die soziale Verantwortung für seine MitarbeiterInnen ganz weit oben steht, gibt noch zu bedenken: „Es fällt derzeit auch das Trinkgeld weg, das in meinen Betrieben pro Kopf monatlich bei rund 400 Euro liegt“. Die Rechnung ist einfach und brutal zugleich. Wer bislang einigermaßen über die Runden kam, muss nun Tag für Tag jeden Euro mindestens zweimal umdrehen, denn für viele hat sich das Einkommen halbiert.
Ein zusätzliches Problem, das den Gastronomen plagt: „Viele meiner Leute, und da überwiegend die mit Kindern, sind restlos überfordert – und sie wollen so schnell wie möglich wieder arbeiten“. Den meisten falle die Decke auf den Kopf: „Da kommt alles zusammen, finanzielle Sorgen, oft enge Wohnerhältnisse, psychische Belastungen, dazu die Frage: Wohin mit den Kindern, denn die Schulen und Kitas sind ja ebenfalls seit Monaten geschlossen? Das überfordert die meisten, die halten das nicht mehr lange durch.“
Alte Kneipenherrlichkeit war gestern
Der Lichtblick in diesen trüben Zeiten: Ab kommenden Montag sollen Lockerungen auch in der Gastronomie dafür sorgen, dass ein kleines Stück Normalität zurückkehrt. Dann dürfen auch die Restaurants und Cafes wieder ihre Dienste anbieten. Klingt gut, aber einfach wird das nicht. Noch ist nicht ganz klar, welche konkreten Maßnahmen und Vorschriften mit der schrittweise Öffnung verbunden sind. Für Anselm Venedey aber steht außer Frage: „Vor allem die Hygiene- und Abstandsregeln werden wir versuchen umzusetzen“.
Sowohl im Außen- als auch im Innenbereich will er nur noch halb so viele Tische aufstellen wie üblich, der Service wird dreigeteilt: „Ein Mitarbeiter bringt Speisen und Getränke an den Tisch, ein anderer holt die Teller ab, ein dritter kassiert – aus Sicherheitsgründen“. Zudem, so der derzeitige Informationsstand, müssen von Besuchern persönliche Daten notiert werden, um bei später auftauchenden Infektionen die jeweiligen Personenkreise nachverfolgen zu können. Nun ja, auf die alte Kneipengemütlichkeit wird man wohl noch eine Weile verzichten müssen, und es bleibt abzuwarten, wieviel Publikum sich die neue Gastrowirklichkeit überhaupt antut. Venedey ist trotz aller Unkenrufe vorsichtig optimistisch: „Wir überstehen das“.
Für viele andere könnte die Corona-Krise allerdings das Ende bedeuten: „Hauptsächlich für die kleinen Beizen und Bars, in denen man sein abendliches Bier nimmt, und die ebenfalls zu unserer Kneipenkultur gehören, wird es sehr eng werden.“
Stadt will Erleichterungen anbieten
Bei der nächsten Gemeinderatssitzung am Dienstag, 19.5., steht das Thema ebenfalls auf der Tagesordnung. Die Verwaltung schlägt dem Rat vor, die Außenbewirtschaftungsflächen zu erweitern und die damit verbundenen „Sondernutzungsgebühren für die Außengastronomieflächen für das Jahr 2020 sowie die Kosten für eine eventuelle Erweiterung hälftig zu teilen“. Dementsprechende Anträge wolle die Verwaltung „wohlwollend“ prüfen. Noch einen Schritt weiter geht die Konstanzer SPD, die in einer aktuellen Pressemitteilung anregt, den Wirten alle zusätzlichen Gebühren für die erweiterte Freiluftbewirtung zu erlassen.
H. Reile (Bild: privat)
Möge der Gemeinderat die richtigen Beschlüsse fassen, vielleicht sogar in Absprache mit Anselm Venedey, dem ich nur Gutes wünsche, sowie allen anderen Gastwirten und -wirtinnen.
Wäre dieser Artikel unter der Rubrik „schräg und schrill“ erschienen, hätte ich folgendermaßen kommentiert:
Bisher galt es als sicher, dass in Konstanz die WirtInnen, die weder faul noch trunksüchtig sind, die auch ihre Gäste weder schlagen noch vergiften und auch bei den Privatentnahmen nicht größenwahnsinnig sind, von ihrem Geschäft anständig bis gut leben können.
Die verfluchte Pest hat nun wohl in Zusammenarbeit mit den Pestknechten dieses Idyll tödlich bedroht.
Deshalb meine Aufforderung an alle, die genuss- und geselligkeitsgeprägt eher konschdanzerisch unterwegs sind:
Setzt euch zusammen mit eurem Bankberater und eurem Hausarzt und entwerft einen griffigen Notfallplan, mit dem ihr nach der Seuche diesen entscheidenden konstanzer Kulturträgern wieder auf die Beine helfen könnt.
Ich hoffe auch, dass die Forderungen zur erweiterten Außenbewirtschaftung durchgesetzt werden können und würde darin die erste mir bekannte Covid-19-Maßnahme sehen, die man post pestum gegebenenfalls beibehalten könnte.
en Guete un zum Wohl!