Gedenken an die neun Opfer von Hanau
Ferhat Unvar, Hamza Kurtović, Said Nesar Hashemi, Vili Viorel Pāun, Mercedes Kierpacz, Kaloyan Velkov, Fatih Saraçoğlu, Sedat Gürbüz, Gökhan Gültekin, so die Namen derer, die am 19. Februar 2020 von einem Rassisten in Hanau ermordet wurden. Zum zweijährigen Jahrestag dieser Morde fanden bundesweit zahlreiche Gedenkveranstaltungen statt, auch in Konstanz. Am Kaiserbrunnen wurden Bilder der Ermordeten aufgestellt.
Die Morde von Hanau reihen sich ein in eine Vielzahl rassistisch motivierter Morde in der Bundesrepublik. Die Amadeo Antonio Stiftung zählt 214 Todesopfer rassistischer Gewalt seit 1990, sowie 17 Verdachtsfälle. Die tatsächliche Zahl ist nicht bekannt, weil in der Bundesrepublik rassistische Morde und ihre Aufklärung oft systematisch verschleiert, verleumdet, verharmlost und umgedeutet werden.
Juristisches, gesellschaftliches, mediales und politisches Versagen gehen hier Hand in Hand – sie ermöglichen einen menschenverachtenden und rassistischen Nährboden für rechte und rassistische Gewalt und erschweren zudem Aufklärung, Konsequenzen und ein Ende rassistischen Terrors. Das bekannteste Zeugnis dafür sind die bis heute nicht gänzlich aufgearbeiteten Morde des NSU (Nationalsozialistischer Untergrund).
Die Morde von Hanau markieren für BPOCs („migrantische“ Menschen) in Deutschland einen unerträglichen Höhepunkt des gesellschaftlich geduldeten Rassismus. Sie fordern einen konsequenten Wendepunkt in der Wahrnehmung rassistischer Gewalt und der Bekämpfung von Rassismus auf allen Ebenen. Angehörige und Freunde der Opfer von Hanau gründeten die Initiative 19. Februar mit dem Ziel: „Dass die Namen der Opfer nicht vergessen werden. Dass wir uns nicht allein lassen. Dass es nicht bei folgenloser Betroffenheit bleibt. Die Kameras und Politiker*innen verlassen jetzt wieder die Stadt. Wir bleiben. Wir gründen eine Initiative, um der Solidarität und den Forderungen nach Aufklärung und politischen Konsequenzen einen dauerhaften Ort zu geben. Wir werden nicht zulassen, dass der 19. Februar 2020 unter den Teppich gekehrt wird – so wie die unzähligen rechten Morde zuvor. Und auch nicht, dass erneut Täter geschützt und ihre Gewalt verharmlost werden.“
Die Initiative 19. Februar fordert: Erinnerung, Gerechtigkeit, Aufklärung und Konsequenzen!
Die staatlichen Ermittlungen zu Hanau sind seit Dezember 2021 eingestellt, trotz zahlreicher, offener Fragen wie: Was wussten die Behörden im Vorfeld über den Täter und seine Waffen, welche Rolle spielte sein Vater, der noch immer rechte Hetze betreibt, warum reagierte der Notruf der Polizei in der Tatnacht nicht, warum waren Fluchttüren geschlossen, welche Rolle spielten hessische Polizist:innen, bei denen später rassistische Chats gefunden wurden, welche Zusammenhänge gab es zu anderen rechtsradikalen Anschlägen, welche Versäumnisse gab es im Umgang mit den Opfern und ihren Angehörigen in der Tatnacht und nach der Tat?
Das Gedenken an Hanau war und ist ein wichtiger Teil der Würdigung der Opfer und ihrer Angehörigen, des nicht Vergessens, der Aufarbeitung und der Prävention. Erstmalig wurde bundesweit und in breiten Bündnissen an Opfer rechter Gewalt erinnert. Doch auch dieser „kleine Teil“ im Kampf gegen Rassismus fand kaum angemessene Resonanz. In Hanau schlossen Hessische Behörden Angehörige und Freunde von der offiziellen Gedenkfeier aus: „Darauf zu reagieren fällt schwer und schmerzt. Wer eingeladen wurde und wer nicht, das haben vor allem die Familienangehörigen der Opfer nicht entscheiden können.“ In München setzten Polizisten sogar Schlagstöcke und Pfefferspray gegen Teilnehmer:innen der Gedenkkundgebung ein.
In Konstanz gab es ein stilles Gedenken, PassantInnen legten Bumen an der Kaiserbrunnen. Hanau ist überall, für von Rassismus betroffene Menschen kann es jederzeit und überall passieren – auch das ist eine Lehre aus den Morden in Hanau.
Darum gilt auch zwei Jahre nach dem rassistischen Terror: Kein Vergessen, kein Vergeben!
Text: Abla Chaya
Bilder: Privat