Gehn‘ Sie mal zum Gemeinderat
Denn da wird am morgigen Donnerstag über Einiges entschieden, was für die Stadt Konstanz und ihre Zukunft entscheidend sein könnte. Unter den 25 Tagesordnungspunkten in öffentlicher Sitzung (fünf gibt es überdies im wieder einmal nicht öffentlichen Teil) verbergen sich manche „Aufreger“, die noch lange diskutiert werden dürften. Insofern ist dieser Artikel durchaus als Aufforderung zu verstehen, mit der Bürgerbeteiligung endlich ernst zu machen
Zumal die spinnerte Idee von der Internet-Live-Übertragung (neudeutsch: livestream) längst fallen gelassen wurde: Von der Stadtverwaltung wegen datenschutzrechtlicher Bedenken, vom Heimatblatt, das sich die Übertragungsrechte anmaßte, wegen mangelnden Zuspruchs. Sie müssen also höchstselbst morgen ab 16 Uhr im Ratssaal erscheinen, wollen Sie über Aktuelles der Stadtpolitik informiert sein (die vollständige seemoz-Berichterstattung folgt erst am Tag drauf). Immerhin können auch Sie sich dann zu Wort melden. Achtung – Originalton: „Gegen 18:00 Uhr können Bürgerinnen und Bürger sowie Einwohnerinnen und Einwohner während 15 Minuten Fragen zu Gemeindeangelegenheiten an den Vorsitzenden stellen oder Anregungen und Vorschläge unterbreiten“. Wenn das keine Einladung zur Bürgerbeteiligung ist…
Wir greifen nur einige Themen heraus, die ein Licht auf die bisherige Arbeit des Gemeinderates und die zukünftigen Probleme der Stadt werfen:
TOP 4: Wiederbesetzung der Stelle „Geschäftsführung der Stadtwerke Konstanz GmbH…“
Nachdem mit erheblichen Aufwand ein Nachfolger für Geschäftsführer Frommer ausgeguckt, befragt und bestellt wurde (der Gemeinderat ist unerfindlich in seinen Personalentscheidungen), der aber dann die Biege machte, soll jetzt ein Headhunter-Unternehmen beauftragt werden, einen neuen Kandidaten ausfindig zu machen. Über die Kosten für dieses aufwändige Verfahren wird nicht geredet. Und über die Notwendigkeit, überhaupt einen zweiten Geschäftsführer zu bestellen (andere Unternehmen werden auch nur von einem Vorstandsvorsitzenden geführt) auch nicht. Da wäre immerhin Geld zu sparen, das nicht über Preiserhöhungen bei Bus und Fähre hereingeholt werden müßte.
TOP 5: Bildung eines Wirtschaftsausschusses
Der Haupt- und Finanzausschuss des Gemeinderates (HFA) soll durch ein neues Gremium ergänzt werden, in dem wohl „Wirtschaftsfachleute“ zu Wort kommen sollen. Das riecht arg nach Lobbyismus, zumal es keine Informationen über die Zusammensetzung dieses Gremiums gibt. Nur soviel ist sicher: Die Sitzungshäufigkeit des HFAs wird reduziert – und die Einflussmöglichkeit der Volksvertreter damit auch.
TOP 6: Veranstaltungshaus für Konstanz – weiteres Vorgehen
Die Heimatzeitung trommelt fleißig für einen neuen Veranstaltungstempel – so will Lokalchef Rau offensichtlich seine Schlappe bei der Volksabstimmung zum KKH vergessen machen. Und auch die bürgerlichen Parteien stimmen fröhlich ein in den Chor der Ja-Sager. Dennoch bleibt die Frage gerade angesichts der fragwürdigen Großprojekte im Land (Konzerthaus in Hamburg, Flughafen in Berlin, Stuttgarter Bahnhof) – wer soll das bezahlen? Und auf wessen Kosten geht das, wenn dann die Kosten aus dem Ruder laufen? Geringverdiener, Alleinerziehende, Arbeitslose, junge Familien, Studierende, Arbeitnehmer? Und kümmert das die Mehrheit im Gemeinderat?
TOP 7: Konzilstadt Konstanz: Projektplanung 2013 und 2014
seemoz-Leser wissen: Wir plädieren für eine Abspeckung dieser Festivalsause und für eine Reduzierung der Millionenausgabe. Eine würdevolle Erinnerung ist OK, aber eine ausufernde Befeierung über Jahre hinweg würde wohl auch die Grenzen des Stadtsäckels sprengen – immerhin sind mindestens acht Millionen Euro allein an städtischen Steuergeldern veranschlagt.
TOP 13: Vorhabenbezogener Bebauungsplan „Elberfeld, Teil A, 3. Änderung“
Da geht es um den Bau von Wohnheimen auf dem Chérisy-Areal (seemoz berichtete mehrfach). Der Gemeinderat wird den Wünschen der Investoren wohl mehrheitlich zustimmen. Wohlwissend, dass der politischen nun eine juristische Auseinandersetzung folgen wird. Und wieder wird die Stadt mit Zustimmung des Gemeinderates in einen kostenträchtigen Rechtsstreit verwickelt, der nicht nur zur Verzögerung der Baumaßnahmen, sondern auch zu langwierigen, teuren Rechtsstreitigkeiten führen wird. Und wem ist damit geholfen?
Autor: hpk
@ Walter Rügert
Danke für Ihre Ausführungen. Ich lese hier die meiste Zeit ruhig und friedlich mit und äussere mich nur dann, wenn ich mit irgend etwas überhaupt nicht einverstanden bin. Und ich finde nach wie vor, dass es falsch ist, gerade bei Gemeinderatssitzungen derart enge Zeitfenster für Bürgerfragen vorzugeben. Denn nicht jeder ist so redegewandt, dass er sein Anliegen in wenigen Minuten schlüssig vortragen kann. Also wird er stumm bleiben. Schade, vielleicht hätte gerade er etwas Wichtiges zu sagen gehabt.
Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass der Vorsitzende in mickrigen 15 Minuten einen realistischen Eindruck davon bekommt, was seine Konstanzer bewegt. Das wäre dann fast schon Hellseherei!
Schöne Aufforderung! Muss leider arbeiten um meine Familie durchzubringen…
Hallo Frau Conrads,
bisher sind immer alle Bürgerinnen und Bürger zum Zuge gekommen, die sich um 18 Uhr zu Wort meldeten, auch wenn es mal über die 15 Minuten hinausging, was allerdings sehr, sehr selten vorkam. Um die „Wertigkeit der Bürger“ zu bemessen sollte man den Radius vielleicht etwas größer ziehen und auch anderen Formen berücksichtigen: Bürgergespräche, Bürgersprechstunde, Bürgerbefragungen, Bürgerbeteiligung in Planungsprozessen oder Veranstaltungen zu speziellen Themen wie z.B. das 3. Mobilitätsforum zum Thema „Grenzüberschreitende Mobilität“ am 27. Februar im Kulturzentrum am Münster, Beginn 18 Uhr. Sie sind herzlich eingeladen!
Walter Rügert (Pressereferent Stadt Konstanz)
***Achtung – Originalton: „Gegen 18:00 Uhr können Bürgerinnen und Bürger sowie Einwohnerinnen und Einwohner während 15 Minuten Fragen zu Gemeindeangelegenheiten an den Vorsitzenden stellen oder Anregungen und Vorschläge unterbreiten“. ***
Der Zeitrahmen ist ja wohl ein Witz und hat bestenfalls eine Art von Alibifunktion: Bürgernähe, eingedampft auf 15 Minuten. Daran kann der Bürger seine Wertigkeit ablesen. Weniger geht kaum. Gerade deshalb: Hingehen, wer kann!