Gemeinderat hat einige dicke Bretter zu bohren
Im Gemeinderat fallen am Donnerstag wieder Entscheidungen, die langfristig wirken dürften. So soll der nächste Schritt in Richtung einer Sanierung Stadelhofens getan werden, und die RätInnen werden über die Bedingungen der Erbpacht debattieren. Außerdem stehen Kindergartenplätze und die Sanierung der Lago-Brücke auf dem Programm – und es wäre ein Wunder, wenn in der ersten BürgerInnenfragestunde seit langem nicht auch die neuerliche Umverlegung der Buslinie 6 erbost zur Sprache gebracht würde.
Vor der Sommerpause hat der Gemeinderat, nachdem es unter dem Diktat von Corona auch lokalpolitisch eine kleine Verschnaufpause gab, noch einige dicke Bretter zu bohren, und wie dick die sind, zeigt etwa die Sitzungsvorlage zur Sanierung von Stadelhofen, die allein 150 Seiten umfasst.
Stadelhofen soll lebenswerter werden
Stadelhofen, das verwunschene und teils vernachlässigte Kleinod zwischen Bodanstraße und Schweizer Grenze, hat viele Gesichter: Den etwas charakterlosen Bodanplatz etwa oder die Falkengasse, in der man plötzlich begreift, dass der Sündenpfuhl Babalu Bar früher einmal eine Kirche gewesen sein dürfte. Nicht zu vergessen auch die Kreuzlinger Straße mit Old Mary’s Pub, Discounter, Asia-Laden, Wettbüro, Antiquariat und anderen Annehmlichkeiten, die in dieser Mischung einmalig in Konstanz sind. Mein Favorit aber ist die lauschige Hüetlinstraße, in der die Menschen bei gutem Wetter so geduldig eine Schlange vor der Postausgabestelle bilden (O-Ton einer Schweizerin neulich: „Ich stehe hier bereits so lange rum, dass Deutsch fast schon meine Muttersprache geworden ist.“).
Kurzum: Dieser Stadtteil soll schöner werden, oder in den Worten der Verwaltung: „Mit der Beantragung eines neuen Sanierungsgebietes können unter Zuhilfenahme von Städtebaufördermitteln städtebauliche Missstände und Mängel behoben werden. Auch die bereits erkennbaren Funktionsverluste, die sogenannten Trading-Down-Effekte, können durch das besondere Städtebaurecht verhindert und Stadelhofen damit aufgewertet werden.“
Bei einer Veranstaltung im Mai 2019, zu der rund 80 BürgerInnen kamen, wurden bereits die auch aus anderen Gegenden bekannten Probleme identifiziert: Verkehrsberuhigung in Wohnstraßen, der Wunsch nach einer sanften Modernisierung, so „dass die Struktur der Läden und der Bewohner erhalten bleibt“ und Plätze wie den Bodanplatz attraktiver zu gestalten. Natürlich geht es auch um Grünflächen, das Parken von Autos und Fahrrädern und die Bodanstraße. Das Thema dürfte Anwohner wie Verwaltung noch etliche Jahre beschäftigen, denn am Donnerstag geht es in der öffentlichen Sitzung des Rates erst einmal um den Abschluss der Vorbereitenden Untersuchungen und Fragen des weiteren Vorgehens.
Länger in die Betreuung
Auch ein einfacher Stichtag ist nicht einfach das, was er zu sein scheint. Das zeigt sich an der Vorverlegung des Einschulungsstichtages. Die CDU konstatierte daher: „Der frühere Stichtag führt zu einer Verlängerung der Aufenthalte in den Betreuungseinrichtungen um 1/12 eines Geburtsjahrgangs. Das wiederum verringert die Zahl der frei werdenden Plätze für den Eintrittsjahrgang der Vierjährigen um etwa 8%.“ Das ist logisch, denn wenn der Stichtag um einen Monat vorverlegt wird, bleibt 1/12 der Kinder länger in der Kinderbetreuung, statt auf die Schulen zu wechseln. Während an den Schulen die ersten Klassen um 1/12 schrumpfen, wird es in der Kindergärten voller, und das auch noch mehrere Jahre lang, denn diese Stichtagsverlegung wird drei Jahre lang jeweils in Monatsschritten vollzogen.
Die Stadt hat gerechnet und legt das Ergebnis jetzt dem Gemeinderat vor: „Der nun einzuschulende Jahrgang ist noch ein ‚geburtenschwacher‘ Jahrgang mit ca. 650 Kindern.“ Nach den allgemeinen Erfahrungswerten, die der Planung zugrunde liegen, werden für Konstanz „zum nächsten Kindergartenjahr ca. 46 Plätze zusätzlich benötigt“. Bis zu Beginn des Kindergartenjahres 2023/24 summiert sich das auf ca. 150 zusätzliche Plätze, von denen 108 im Waldkindergarten sowie durch den Erhalt der Kitas St. Georg und Paradies entstehen sollen. 42 Plätze müssen irgendwie herbeigezaubert werden, und auch das Anlocken des zusätzlich benötigten Fachpersonals dürfte schwierig werden, von den anfallenden Mehrkosten ganz zu schweigen.
Aber wir wissen ja zum Glück, dass die Verwaltung manchmal Wunder tut.
Gegen Immobilienspekulation
Von der Erbpacht (Erbbau) kommunaler Grundstücke wird wenig Gebrauch gemacht, obwohl diese Art des Grundstücks“erwerbs“ auf den ersten Blick etliche Vorteile zu haben scheint: Die Bauwilligen entrichten nur eine Pachtzahlung auf ihr Grundstück und müssen daher in der Bauphase nicht auch noch den kompletten Kaufpreis für das Grundstück auftreiben, und die Stadt bleibt Eigentümerin des Grundstücks, das auf viele Jahrzehnte hinaus der Immobilienspekulation entzogen wird und regelmäßig Geld bringt.
Daher gibt es immer wieder Vorstöße, kommunale Grundstücke für Wohn- wie Gewerbevorhaben nur noch in Erbpacht zu vergeben. In Konstanz wird dieses Verfahren für besonders begehrte Lagen benutzt, wie die Verwaltung in einer Vorlage schreibt: „Ein hohes Interesse der Stadt am Erhalt des Grundstücks besteht aus Sicht der Verwaltung insbesondere bei unmittelbar am See oder Seerhein gelegenen Grundstücken oder sonstigen Schlüsselgrundstücken. Hier bietet das Erbbaurecht eine gute Möglichkeit, die betroffenen Flächen dennoch, zumindest zeitweise, nutzbar zu machen und den Bedürfnissen bestimmter Interessengruppen wie beispielsweise Wassersportvereinen Rechnung zu tragen. Langfristig stehen die Flächen der Stadt dann bei Bedarf auch wieder für andere Zwecke zur Verfügung. Aus diesem Grund wurde für diese Flächen auch im Grundsatzbeschluss des Gemeinderats vom 16.02.2006 beschlossen, sie nur im Wege des Erbbaurechts zu vergeben.“
Zur Orientierung: In Konstanz gibt es nur etwa 75 Erbbaurechte, die der Stadt jährlich rund 380.000 Euro einbringen, und die Stadt ist nicht prinzipiell abgeneigt, dieses Instrument häufiger einzusetzen, wenn die Bauwilligen denn darauf eingingen.
Aber trotz einiger Vorteile ist das Instrument der langfristigen Quasi-Miete („Erbbauzins“) von Grundstücken, auf die der Mieter dann sein Häuschen oder sonstiges Gebäude stellt, eher unbeliebt, denn es ist schlichtweg zu teuer. Wer ein Grundstück auf 75 Jahre übernimmt und jährlich beispielsweise 4% des Grundstückswertes als Erbpacht entrichtet, legt am Ende deutlich drauf, denn er hat über die Jahrzehnte ein Mehrfaches des Grundstückswertes bezahlt, ohne dass ihm das Grundstück irgendwann gehört. Gerade in Zeiten niedriger Kreditzinsen lohnt sich das für Bauwillige einfach nicht, da sie den Kauf eines Grundstücks billig finanzieren können. Andererseits will die Stadt diesen meist langfristig festgeschriebenen Erbbauzins nicht senken, weil die Kreditzinsen eines Tages auch wieder erheblich steigen könnten, so dass die Erbpacht dann für die Grundstücksnutzer extrem attraktiv würde, ohne dass die Stadt davon profitierte.
Deshalb hat die Linke Liste, die die Erbpacht gern wesentlich ausweiten würde, um die Spekulation zu bekämpfen, jetzt einen Antrag eingebracht, den Erbbauzins einerseits etwas zu reduzieren und andererseits einfach an bestimmte Indikatoren des Geldmarktes zu koppeln. Mit einem flexiblen Erbbauzins, der sich an bestimmten aktuellen Geldecksätzen der Bundesbank orientierte, hätten beide Seiten, sowohl Grundstücksbesitzer als auch Grundstücks“mieter“, die Sicherheit, einen jeweils marktgerechten Preis zu bezahlen bzw. zu erhalten.
Doch das alles ist nicht so einfach, denn es gibt bei diesen langfristigen, mehr oder weniger unkündbaren Verträgen etliche juristische Vorgaben (über die sich JuristInnen füglich und hingebungsvoll streiten), und niemand kann die künftige Zinsentwicklung vorhersagen, so dass eine Flexibilisierung für beide Seiten weniger Planungssicherheit bedeuten würde. Man darf also gespannt sein, was der Gemeinderat am Ende beschließt, denn eine Ausweitung des Erbbaus dürfte gerade angesichts der ausufernden Immobilienspekulation ein Hebel sein, Preise und auch Wohnungsmieten langfristig im Interesse der Stadt und der Mehrheit der KonstanzerInnen zu beeinflussen.
Einstürzende Neubauten
Die Lago-Brücke über die Bahngleise ist offensichtlich so schlecht, wie sie aussieht, und muss daher renoviert werden – und das dürfte richtig teuer werden, wie alles, was (nicht nur in Konstanz) mit Brückenbauwerken zu tun hat, daher soll jetzt ein Planungsbeschluss gefasst werden. Diese Brücke wurde 2004 fertiggestellt, und bereits bei Untersuchungen 2010 und 2016 wurden laut Verwaltung „Beeinträchtigungen des Bauwerks in den Bereichen Stand- und Verkehrssicherheit, sowie in der Dauerhaftigkeit festgestellt. Grund hierfür ist vor allem Wasser, welches in die maßgeblichen Konstruktions- und Tragbereiche der Brücke eindringt. […] Im Rahmen der Brückeninstandsetzung müssen sowohl die tragenden Elemente, als auch die beiden Treppenanlagen saniert werden. Zur Instandsetzung ist die Brücke zu demontieren. Der bisher ermittelte Kostenrahmen für die Maßnahme beläuft sich auf ca. 3 Mio. Euro. Nach mehreren Gesprächen ist der Eigentümer des LAGO bereit, sich mit einem Eigenanteil in Höhe von 300.000 Euro (netto) an den Kosten zu beteiligen.“ Die Verwaltung vermerkt auch, dass die Sanierung das Klima schädigen wird.
Für den Laien hört sich das an, als habe sich die Stadt damals eine Schrottbrücke andrehen lassen – dass ein Bauwerk nach nur 15 Jahren beinahe für den Preis eines Neubaus saniert werden muss, klingt bestenfalls nach einem misslungenen Witz. Auch dass die Lago-Betreiber, die von der Brücke ja am meisten profitieren, nur ein besseres Nasenwasser beisteuern wollen, wirkt wenig erheiternd. Da stellt sich doch die Frage, warum das Ding nicht einfach endgültig demontiert wird, denn immerhin steht nur 130 Meter weiter nördlich eine weitere Brücke, die zwar ebenfalls kein Schmuckstück ist, aber ebenfalls einen Haufen Geld gekostet hat.
O. Pugliese (Bild: Benjamin Arntzen)
Was: Öffentliche Sitzung des Gemeinderates. Wann: Donnerstag, 25.06.2020, ab 16 Uhr. Wo: Bodenseeforum, Reichenaustraße 21, 78467 Konstanz. Was noch: Bürgerfragestunde gegen 18 Uhr.
Weitere Informationen: Sitzungskalender
Warum genau muss denn die Stadt an den Einnahmen der Erbpacht profitieren? Das Argument, dass niemand Interesse hat auf Erbpacht Grundstücken zu bauen ist, wie im Artikel erwähnt, seit Jahren der Grund warum dieses Instrument nicht noch mehr Anwendung findet. Und bei aktuellen 4% kann ich das auch verstehen.
Jetzt hat die Stadt aber den Luxus, dass sie auf diese Einnahmen eben nicht angewiesen ist. Was sind schon 380.000 Euro im Gesamthaushalt? Eine Monatszahlung an Herrn Burchardts Bodenseeforum?
Das Ergebnis des Antrags der linken Liste wäre der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein. Was aber wenn der Zins dauerhaft so gesenkt wird ( und nicht nur ein bischen), dass er eben für das benutzt werden kann, für was er gedacht ist? Nämlich als eines von vielen Mitteln um den Immobilienmarkt zu steuern und zu beruhigen.