Gemeinderat lässt sich Maulkorb verpassen
Man kann es nicht vornehmer sagen: Oberbürgermeister Uli Burchardt hat die Schnauze endgültig und gestrichen voll von kritischen Worten zum Bodenseeforum. Er kündigte gestern im Gemeinderat sichtlich erregt an, er müsse als OB Schaden von diesem Haus abwenden und werde daher künftig nur noch nichtöffentliche Debatten darüber zulassen oder aber „die Diskussion eng fassen“. Außer den Linken Holger Reile, dem der OB wohl das Mikrophon abstellte, störte dieser Maulkorb niemanden im Rat ernsthaft.
Eine antike Fabel rührt mich seit jeher zu Tränen; selbst jetzt, während ich diese Zeilen schreibe, kullern meine Zähren nur so. Die Geschichte geht so:
Eine Tiermutter, ich glaube es war eine Äffin, sitzt mit ihrem Kind auf dem Arm in einer Ecke. Die anderen Tiere, die mächtig stolz auf ihre eigenen Kinder sind, verspotten diese Mutter, weil ihr Kind so hässlich sei. Aber die Äffin drückt ihr Kind zärtlich an sich und flüstert mit vor Liebe tränenerstickter Stimme: „Für mich ist es das schönste Kind der Welt.“
Neid!
Zugegeben, meine Rührung über diese Fabel rührt bis heute auch daher, dass ich selbst ob meiner krötenhaften Hässlichkeit von Geburt ab von meinen eigenen Eltern nur verachtet und niemals liebevoll an die Brust gedrückt wurde.
Wieviel besser als ich hat es da doch das Bodenseeforum! Die tiefe Liebe des Oberbürgermeisters Uli Burchardt zu seinem Lieblingskind Bofo hat mittlerweile geradezu wahnhafte Züge angenommen, wie sich bei der gestrigen Gemeinderatssitzung wieder einmal erwies. Der Wechselbalg am Seerhein mag so viele Millionen verschlingen, wie er will, er mag in den Augen der Konzerne, die ihn eigentlich für Kongresse buchen sollten, noch so räudig sein, er könnte sogar aus der Kanalisation riechen – Uli Burchardt hängt mit einer sprichwörtlichen Affenliebe an diesem seinem Kind, auch wenn andere es ob seiner Gefräßigkeit für einen ausgemachten Satansbraten halten mögen.
Diese Liebe zu einem schwachen, dahinsiechenden Wesen müsste Uli Burchardt natürlich zur Ehre gereichen, denn es zeigt ihn als gefühlvollen, mitleidigen Menschen. Aber was im Privaten einen edlen Menschen auszeichnet, kann in Politik und Wirtschaft durchaus ein Anzeichen von Verblendung sein. Zumindest nach Ansicht mancher Menschen sollten Politiker und Verwaltungschefs viereckigen Zweckbauten mit Tiefgarageneinfahrt eher Vernunft und Geschäftssinn denn tiefe, bedingungslose Liebe mit einem Schlag Abgötterei entgegenbringen.
In Zukunft unter Ausschluss der Öffentlichkeit
Aber zur Sache. Im Gemeinderat ging es gestern ziemlich bald hoch her, als ein Antrag der SPD zum Bofo beraten wurde. Bekanntlich ist das Bofo nach dem Rausschmiss des Geschäftsführers (der wievielte war es noch mal?) derzeit schon wieder führungslos. Bis in den März 2020 hinein soll Ruth Bader, die für die Stadt das Konziljubiläum organisiert hat, als Interims-Geschäftsführerin des Bofo einspringen.
Die SPD begrüßt diese Interimslösung ausdrücklich, möchte aber das Verfahren beschleunigen, um möglichst schnell eine/n feste/n Geschäftsführer/in anzuheuern, die/der sich im Kongressgeschäft wirklich auskennt. Dazu muss man wissen, dass es die Hauptaufgabe dieser Person ist, möglichst viele und möglichst fette Aufträge an Land zu ziehen, und dazu sollte sie Markt und potenzielle Kunden sehr genau kennen. Ohne erfahrene Geschäftsführung, will dies heißen, dürfte der Laden weiter an Auftragsmangel leiden wie Franz Kafka an der Tuberkulose, die ihn schließlich erledigte.
Daher hatte die SPD beantragt: „Der Zeit- und Arbeitsplan für das Projekt ‚Tagungsstandort Konstanz‘ ist zu straffen und auf die Neubesetzung der Stelle der Betriebsleitung abzustimmen.“ Jürgen Ruff (SPD) will insbesondere die im genannten Projekt vorgesehenen Gutachter ersatzlos streichen, denn man habe immerhin schon zwei Jahre eigener Erfahrungen mit dem Bofo gemacht, da könne man sich diese Herrschaften ja wohl schenken und so etwa zwei bis drei Monate sowie einen Haufen Geld einsparen.
Ungeheuerlich?
Nach einigem Hin und Her erwiderte Uli Burchardt darauf, dass öffentliche Diskussionen dem Bofo nur schaden und die Akquise erschweren. Außerdem werde hier jetzt eine Personalangelegenheit (Interimslösung Frau Bader) öffentlich gemacht, weshalb er den Antrag nichtöffentlich behandeln lassen werde, da eine öffentliche Behandlung von Personalangelegenheiten nicht erlaubt sei.
Betretenes Schweigen im Rat. Holger Reile (LLK) lauthals und sichtlich aufgebracht in Richtung seiner RatskollegInnen: „Ungeheuerlich! Und Ihr solltet Euch schämen, das so hinzunehmen!“
Nach kürzeren wirren Debatten wurde daraufhin, obwohl der OB das augenscheinlich nicht öffentlich tun wollte, über den SPD-Antrag zur Beschleunigung des Verfahrens abgestimmt. 18 dafür, 13 dagegen.
Aber auch das interessierte Uli Burchardt herzlich wenig, denn er kündigte an, dass man später noch einmal unter Ausschluss der Öffentlichkeit darüber sprechen werde, „ob und wie wir das umsetzen“. Man lasse sich das mal auf der Zunge zergehen: Der Chef der Verwaltung, dessen Aufgabe es ist, Beschlüsse des Gemeinderates ohne Murren umzusetzen, kündigt an, man müsse erst mal hinter verschlossenen Türen darüber reden, was er mit einem ihm missliebigen Beschluss denn anzufangen gedenke. Seine Linie jedenfalls ist klar: Wenn es um sein Lieblingskind Bofo geht, kennt er weder Freund noch Feind und ruft schnell den – vermeintlich übergesetzlichen – Notstand aus.
„Roter Arnold“ und „Weißer Uli“
So wie die Konstanzer Busse in Erinnerung an den legendären OB Fritz Arnold bis heute als „Roter Arnold“ bekannt sind, möchte sich Uli Burchardt vermutlich ein Denkmal mit dem Bofo setzen, vielleicht in der Hoffnung, dass es in hundert Jahren im Volksmund „Weißer Uli“ heißt.
Das Schlusswort von Uli Burchardt jedenfalls zeigte, dass sein Bofilein für ihn wirklich das schönste Kind der Welt ist, und dass er es mit allen Mitteln verteidigen wird: „Wir werden bei diesem Thema in Zukunft die Diskussion eng fassen, weil alles Andere dem Haus schadet.“
So sieht ein klassischer Maulkorb aus. Dass Ihre Majestät von Bofonien einen solchen Ihren Knappen nur allzu gern anzulegen geruht, darf man Ihr nicht verdenken, das ist nun mal Ihre tyrannische Natur.
Was aber sind das für Gemeinderätinnen und -räte, die sich einen solchen anlegen lassen?
O. Pugliese
@Winfried Kropp
Ihre Worte:
„Ist das tatsächlich ein Maulkorb? Es ist allenfalls eine Drohung damit.“
– Aus dem Bericht:
„Aber auch das interessierte Uli Burchardt herzlich wenig, denn er kündigte an, dass man später noch einmal unter Ausschluss der Öffentlichkeit darüber sprechen werde, „ob und wie wir das umsetzen“.“
Was war nun Sache und was wird es in Zukunft sein? Wird der OB in Zukunft das BoFo grundsätzlich im Geheimen behandeln können, weil es von Personalangelegenheiten – selbstverschuldet – nur so wimmelt bei dem Thema?
Oder, was viel wichtiger ist, weil eine Fraktion aus Mitleid mit einem Abstimmungs-Unterlegenen dessen Absicht der Geheimhaltung durchgehen läßt? Mir ist die Gemeindeordnung nicht geläufig. Es ist allerdings offenbar, daß sie von der Verwaltung bis aufs Äußerste strapaziert wird.
Die Öffentlichkeit hat ein Recht auf Information. Mag sein, daß die SPD-Fraktion Magengrimmen hat wegen ihrer eigenen Haltung in der Vergangenheit. Mit einer Korrektur dieser Haltung können aber Einsicht und Besserung eingeläutet werden. – Beginnen Sie damit.
Ist das tatsächlich ein Maulkorb? Es ist allenfalls eine Drohung damit. Und die müsste gegen die Gemeindeordnung durchgesetzt werden.
Die Regelungen im § 35 dieses „Grundgesetzes“ der Kommunalpolitik sind eindeutig und im Übringen sehr sinnvoll: Die Beratungen sind im Gemeinderat müssen grundsätzlich öffentlich erfolgen. Zwei Ausnahmen gibt es: es sind berechtigte Interessen Einzelner oder das allgemeine Wohl. Zu ersterem gehören Personalangelegenheiten, die für Betroffene nicht immer angenehm sind und zu letzterem zählen Informationen über laufende Verhandlungen. Es ist eine Binsenweisheit: Wenn die eigene Verhandlungsposition öffentlich wird, gibt es schlechtere Ergebnisse.
Die Äußerungen des Oberbürgermeisters mögen aus Verärgerung über eine Abstimmungsniederlage entstanden sein. Eine tragfähige Begründung für nicht-öffentliche Beratungen sind sie dagegen nicht. Und zum Maulkorb taugen sie auch nicht, selbst wenn er von manchen erwünscht wäre.
Sag ich doch schon lange: Wir haben unseren eigenen TRUMP! Die Parallelen sind erschreckend: Selbstgefälligkeit, Selbstverliebtheit, Ignoranz der Tatsachen und dadurch der Realität, Arroganz, fehlende Toleranz und Einsicht, null Empathie, absolute Verantwortungslosigkeit, grandiose Selbstüberschätzung – und einen Haufen von Speichelleckern in SV und Rat, die uns, die einheimische Bevölkerung, einen Großteil jener Allgemeinheit, durch die die Stadt nicht profitiert, die sich dem Wege des „rasanten Wirtschaftswachstums“ verweigern, seit Jahren verraten. Ob sich nach den Gemeinderatswahlen etwas verändert, bezweifle ich, denn die Unterstützer der Wirtschaft aus Handel, Touristik, Immobilien, jene, die schon jahrelang mauscheln, sind nicht zu unterstützen. Ebenso wenig wie jene, die sich zu wenig über die fatalen Fehlentscheidungen informieren, die desinteressiert sieht oder naiv genug, die Lügenmärchen, die Täuschungen und Schönfärbereien von Burchhardt, Langensteiner, Osner und Co. zu glauben, schon oft genug erlebt, leider! Ich werde für jene, die ich als bürgernah und aktiv, sowie unbestechlich empfinde, jene, die sich nicht von dem Möchtegern-OB einwickeln lassen, der sich auf unser aller Kosten selbstverwirklicht, jene, die Fehler eingestehen können und bei denen letztendlich das Wohl von Stadt und Bürgern in Zeiten des Klimawandels im Fokus steht, ordentlich die Trommel rühren. An vorderster Stelle stehen für mich die LL, die einzigen, die sich noch nie den Mund haben verbieten lassen, Danke dafür! Natürlich bestätigen Ausnahmen anderer Parteien vereinzelt die Regel.
Der OB mutiert zur Strickliesel und arbeitet mit kleinen, miesen Maschen.
Erkennbar wird eine neue Art von Netz- und Flickwerkern, die engmaschige Fallen produzieren, in denen sich Gemeinderäte, InterimsmangagerInnen und leider auch immer noch alle möglichen Bürger und BürgerInnen verfangen.
Der Oberbürgermeister Burchardt scheint Teil eines “ Rund um den See“ Netzwerkes zu sein, das sich in einer Art Staatslenker- oder Führerdenken verfangen hat und nun meint alle Transparenz und Bürgerbeteiligung wären Teufelswerk. In Immenstaad, Langenargen, Uhldingen-Mühlhofen, Überlingen finden wie in Konstanz permanent Sitzungen ohne Öffentlichkeitsbeteiligung statt und zwar jeweils vor oder nach öffentlichen Gemeinderatsitzungen, ohne dass sie als TOP der Tagesordnung genannt wurden. Bei nachfolgenden schriftlichen Anfragen beruft man sich regelmäßig auf Vertraulichkeit und imaginären Geheimschutz. Erschreckend ist, dass zunehmend der gesamte Gemeinderat sich um einen Bürgermeister schart und wie es scheint sklavisch dessen Fehlleistungen unterstützt bis einzelne, als würden sie um Absolution bitten und ihre Seele befreien wollen, aus dem Geheimratszirkel vertraulich berichten, wobei sich meist herausstellt, dass Bürger durchaus in der Lage wären, frühzeitig durch ihre Intervention, “ Schaden vom Volk abzuwenden“. Vor allem bei Grundstücksthemen. Im Bodenseekreis haben sich aus diesem Grund inzwischen Bürgerlisten gebildet (Büb+ oder auch Netzwerk für Friedrichshafen etc.), die zu den Gemeinderatswahlen im Mai bisher insgesamt weit mehr als 150 Kandidaten aufstellen konnten.
@jens weimer
veto, denn natürlich hat der Oberbürgermeister genügend „Mexikaner“ gefunden, die für den BoFo-Blödsinn zur Kasse gebeten werden -nämlich die Steuerzahler, die man aber nicht gefragt hat, ob sie diesen Irrsinn überhaupt finanzieren wollen. Grünes Licht hat sich Herr Burchardt dafür von den GemeinderätInnen geben lassen, die ihm brav und ergeben hinterher dackelten. Und die fast alle glauben, dass man sie dafür nicht zur Verantwortung ziehen wird. Sollte man aber, und zwar spätestens bei den kommenden Kommunalwahlen im Mai.
@MeritBeker Nur leider hat der OB, wie im Übrigen auch der US-Präsident, noch keine Mexikaner gefunden, die für den Blödsinn bezahlen…
Der kleinste gemeinsame Nenner von Bofo und mexikanischer Mauer: Ein Wahlversprechen.
Wie war das? Ach ja, am 26. Mai sind Gemeinderatswahlen.