Gemeinderat: Nichts Genaues weiß man nicht

Im Konstanzer Gemeinderat ging es am Dienstag um erste Ausblicke in eine vermutlich eher trübe finanzielle Zukunft. Frühestens im Juli erhoffen sich Verwaltung und Lokalpolitik genug Klarheit über erste wirtschaftliche Auswirkungen von Corona, um zu wissen, ob und wenn ja wo sie den Hobel ansetzen müssen. Kitas, Schulen und ähnliche Einrichtungen sollen aber geschont und nötigenfalls sogar zusätzlich unterstützt werden, forderten sämtliche RednerInnen und die Verwaltungsspitze nachdrücklich.

Ulrich Schwarz war in der Sitzung ein gefragter Mensch, und das kommt nicht von ungefähr, denn die von ihm geleitete Kämmerei hat den Überblick über den Haushaltsplan und dessen Umsetzung. Zur Erinnerung: Der Haushalt der Stadt Konstanz hat(te) ein Volumen von ca. 300 Millionen Euro pro Jahr.

Mögliche Einsparungen

Schwarz zeigte verschiedene mögliche Einsparungen auf: 1,8 Millionen sind im Ergebnishaushalt möglich. Sie sind beispielsweise von dem Typus, „wenn wir weniger Gewerbesteuer einnehmen, müssen wir auch weniger Gewerbesteuerumlage bezahlen“. (Das hört sich für den Laien an wie der Rat, sich einen Fuß abzuhacken, weil er dann weniger Geld für den Schuster ausgeben müsse, aber die Welt der Haushaltsplanung ist eine ganz eigene Welt von bizarrer Leuchtkraft, in der laienhafte Kriterien nichts zu suchen haben.) Ein „sehr überschaubares“ Sparvolumen von 141.000 Euro ermittelte die Verwaltung beim beweglichen Vermögen vom Feuerwehrschlauchboot über Mikrofonanlagen bis hin zu Sportgeräten.

Der dickste Batzen aber ist das Investitionsprogramm, also vor allem Baumaßnahmen. Aber auch Einsparungen im Bereich digitaler Ausstattung von Schulen und anderer Lernmittel standen auf der Liste. Die meisten Bauprojekte, an denen der Rotstift kratzen könnte, sollen aber, so erläuterte es die Verwaltung, jetzt weitergeplant, aber irgendwann später doch noch verwirklicht werden. Ziel sei es, so Baubürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn, Projekte zu entwickeln, damit man, wenn es irgendwann Fördermittel von Bund oder Land geben wird, sofort zuschlagen kann. Auf Nachfrage von Jürgen Faden (FWK) versicherte Ulrich Schwarz, man habe für Vorhaben ohnehin nur dann eine Verschiebung ins Auge gefasst, wenn dadurch keine Fördermittel gefährdet würden.

Dem Gemeinderat wurde klar, dass es bis auf eine klitzekleine Ausnahme gar nicht um „echte“ Einsparungen geht, sondern vor allem darum, Vorhaben in die Folgejahre zu verschieben, um den aktuellen Haushalt zu entlasten. In manchen Fällen ist das laut Ulrich Schwarz auch gar nicht anders machbar, weil Verwaltung und ausführende Firmen wegen Corona nicht mit voller Kraft arbeiten und darum derzeit ohnehin massiv in Verzug geraten sind. Trotz der 13 Millionen eingesparter Investitionen bliebe noch ein „ansehnlicher“ Batzen an Aufträgen für die heimische Bauwirtschaft übrig.

Der Nebel ist noch dicht

Allerdings weiß noch niemand so recht, wie es finanziell weitergeht, da eine Steuerschätzung in der momentanen ungewohnten Situation schwierig ist. Nach Angaben des Kämmerers erwartet allein der Bund einen Einahmenrückgang in der Größenordnung von 100 Milliarden Euro, aber das ist Spökenkiekerei, weil niemand weiß, wie sich das Virus verhalten wird. Die Stadt rechnet beim Einkommensteuer- und Umsatzsteuer-Anteil sowie dem Familienleistungsausgleich mit einem Minus von 5 Millionen und bei der Gewerbesteuer mit 10 Millionen Euro. Ob Bund und Länder die Kommunen entlasten werden – und wenn ja in welchem Maße, – ist derzeit noch unbekannt.

Der Plan der Verwaltung, der am Ende einstimmig angenommen wurde, sieht vor, die derzeitig Haushaltssperre bis Juli zu verlängern und am 09. Juli eine Sitzung des erweiterten Haupt- und Finanzausschusses abzuhalten, um die dann hoffentlich etwas klarere Lage intensiv zu beraten und sich auch über das Für und Wider eines Nachtragshaushaltes Gedanken zu machen.

Herzerwärmend

Es war vor allem ein Punkt, der in allen Lagern für helles Entsetzen sorgte: Die Verwaltung hatte ein Einsparpotential bei Lernmitteln und der Medienausstattung für Schulen ausgemacht. Dafür gab es, beginnend mit Till Seiler (FGL) als erstem Redner, kräftig Schelte von allen Seiten. Gabriele Weiner (JFK) erinnerte auch an die schwierige Lage von Flüchtlings- und anderen Kindern in sozial schwierigen Verhältnissen, die an digitalen Unterrichtseinheiten nicht teilnehmen können, weil ihre Eltern sich keinen Computer leisten können und sie ihre Matheaufgaben nun mal nicht auf dem Handy erledigen können. Simon Pschorr (LLK) stellte den förmlichen Antrag, dass diese Investitionen ins Bildungswesen in den Folgejahren zwingend nachgeholt werden müssen.

Die Antwort der Verwaltung beruhigte dann die Gemüter. Es soll, so neben anderen Oberbürgermeister Uli Burchardt, in diesem Bereich nicht etwa der Rotstift angesetzt werden, sondern es sieht so aus: Die Schulen brauchen weniger Lernmittel, weil Veranstaltungen ausfallen und die Klassenräume oft leer bleiben. Außerdem kommen etliche Schulen mit ihrer Medienentwicklungsplanung nicht hinterher, deshalb ist absehbar, dass die Gelder in diesem Jahr nicht wie geplant gebraucht werden. Es mache ja keinen Sinn, irgendwelche Geräte anzuschaffen, wenn man nicht wisse, was man insgesamt brauche und was am Ende womit kompatibel sein müsse. Er wies allerdings Land und Schulen die Hauptschuld daran zu, dass die digitale Ausstattung der Schulen derart hinterherhinkt. Die Schulen seien recht zögerlich in die Planung eingestiegen, und das Land habe sich ewig Zeit gelassen. Die Stadt Konstanz als Schulträger hingegen stehe schon länger Gewehr bei Fuß, diese Problematik hat laut Bürgermeister Andreas Osner also nichts mit Corona zu tun.

Wenn die Schulen sich tatsächlich durch die Medienentwicklungsplanung überfordert fühlen, stellt sich dem Betrachter natürlich die Frage, ob es ihnen an Personal fehlt oder am nötigen Fachwissen in Sachen Digitalisierung gebricht. In beiden Fällen könnte der Schulträger helfen, indem er etwa für eine Betreuung der Schulen durch unabhängige IT-Fachleute sorgt. Oder wollen Pauker etwa ums Verrecken nichts mit diesem neumodischen Teufelswerk zu tun haben, was sich in passivem Widerstand niederschlägt?

Personaleinsparungen

Simon Pschorrs Frage, wie die Personaleinsparungen zusammenkämen und welche Beschäftigten wie davon betroffen seien, beantwortete Thomas Traber vom Personal- und Organisationsamt. Nach seinen Angaben verhält es sich so, dass wegen der Haushaltssperre die Stellen ausscheidender MitarbeiterInnen nicht neu besetzt werden. Außerdem wurden das Jobrad für Mitarbeiter, eine freiwillige Leistung der Stadt, auf Eis gelegt, und Einsparungen dadurch erzielt, dass beispielsweise Fortbildungsveranstaltungen schlichtweg ausfielen.

Wie es weitergehen wird, weiß auch Ulrich Schwarz nicht. Es ist nach seinen Angaben derzeit nicht anders möglich, als „auf Sicht“, also äußerst kurzfristig, zu reagieren, weil niemand weiß, wie die finanzielle Lage im Oktober oder November aussehen wird. Trotzdem klingt Pschorrs Mahnung noch nach, man dürfe der Verwaltung auch in der derzeit schwierigen Lage keinen Freibrief ausstellen.

O. Pugliese