„Gemeinderatsdesaster“ beim Klimaschutz
Schockiert und empört zeigen sich die KlimaschützerInnen von Fridays for Future über die vom Gemeinderat am 23. Juli getroffene Entscheidung zur lokalen Klimaschutzpolitik. In einer Erklärung werfen sie dem Gremium vor, mit dem Klimanotstand zu brechen und ihre Zukunft zu verraten. Auch einer der Herausforderer des Amtsinhabers bei der OB-Wahl hat sich nach dem Scheitern des Antrags für ein klimapositives Konstanz bis 2030 zu Wort gemeldet.
Fridays for Future: Erschreckend, diese geballte Ignoranz zu erleben
Als „Gemeinderatsdesaster“ bezeichnen die KlimaschützerInnen in ihrer Erklärung das Abstimmungsverhalten von CDU, SPD, Freien Wählern und FDP. Mit einer hauchdünnen Mehrheit von einer Stimme hätten sie die 1,5 Grad-kompatible Zielsetzung verhindert. Die Erklärung weiter:
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Angenommen wurde … der Antrag der Stadtverwaltung, der vorsieht, innerhalb eines Jahres Studien für verschiedene Absenkpfade zu entwickeln. Mit Hilfe dieser solle dann in einem Jahr entschieden werden, welche Klimazielsetzung sich Konstanz setzt. Nach Meinung von Fridays for Future ist dieser Antrag ein Hohn und ein Ablenkungsmanöver. „Dass eine Studie für einen Absenkpfad erarbeitet werden soll, war bereits im Klimahaushalt mit inbegriffen. Gestern wurde nichts Neues beschlossen, sondern nur, dass wir ein weiteres Jahr auf diese Studie warten. Das ist nichts als Symbolpolitik und keinesfalls ein historischer Beschluss, wie der Oberbürgermeister gestern nach der Entscheidung meinte“, empört sich die Schülerin Frida Mühlhoff.
Und für weitere Symbolpolitik sei die Lage einfach zu dringend, das mahne die Wissenschaft, betont Fridays for Future immer wieder. Damit Konstanz seinen Beitrag zur Einhaltung der 1,5 Grad-Grenze leistet, müsste die Stadt innerhalb der nächsten 10 Jahre klimaneutral werden, ein sehr kurzer Zeitraum für so große Veränderungen. Daher sei es ein Eklat, die endgültige Entscheidung über eine Klimazielsetzung und -strategie um ein weiteres Jahr zu verschieben. Dafür dürfe das Erarbeiten einer Klimaschutzstrategie auch nicht als Vorwand genutzt werden. Denn Fridays for Future begrüßt es durchaus, dass Konstanz beim Erarbeiten einer Klimaschutzstrategie mit dem IFEU Institut zusammenarbeitet. Manuel Oestringer von Fridays for Future erklärt dazu: „Es ist hinreichend bekannt, dass 1,5 Grad eine überlebenswichtige Grenze ist. Und wurde letztes Jahr mit dem Klimanotstandsbeschluss auch einstimmig vom Gemeinderat anerkannt. Jetzt zu kommen und zu sagen, wir untersuchen das Ganze erstmal ein Jahr, um uns dann zu entscheiden, ist ein Schlag ins Gesicht für alle jungen Menschen. Das ist dasselbe wie ihnen zu sagen: Wir untersuchen jetzt erstmal ein Jahr, was genau es bedeuten würde, euch einen lebenswerten Planeten zu hinterlassen, um uns dann zu entscheiden.“
Denn dass Konstanz bis spätestens 2030 klimaneutral werden muss, ist wissenschaftlich gut begründet: Nach Berechnungen des Weltklimarates muss die weltweite Klimaneutralität bis 2030 erreicht werden, um mit einer 2/3-Wahrscheinlichkeit die 1,5 Grad Grenze einzuhalten. Als wissenschaftlicher Konsens gilt mittlerweile, dass jenseits von 1,5 Grad dramatische Konsequenzen folgen, die die Lebensqualität von Milliarden Menschen massiv beeinträchtigen werden. Einige Studien warnen auch davor, dass jenseits von 1,5 Grad Kippelemente aktiviert werden könnten, die die Erderhitzung weiter anheizen. Die Folge wäre, dass der Mensch machtlos wäre gegen eine sich verschlimmernde Klimakrise und die heutige, entwickelte Zivilisation vermutlich noch in diesem Jahrhundert zusammenbrechen würde.
Im Anblick dieser Prognosen ist Noemi Mundhaas von Fridays for Future sehr verzweifelt über die gestrige Entscheidung: „Vor einem Jahr hat Konstanz als erste deutsche Stadt den Klimanotstand ausgerufen und damit die wissenschaftlichen Fakten über die Klimakatastrophe offiziell anerkannt. Nun, ein Jahr später, konnten sie nicht den Mut aufbringen, diese Fakten ernst zu nehmen. Es war absolut erschreckend, diese geballte Ignoranz zu erleben. Konstanz ist eine Stadt, die prädestiniert dazu ist, mutig voranzugehen, umso mehr schockiert mich die Visionslosigkeit des Gemeinderats und der Stadtverwaltung.“ Mit dieser Entscheidung gibt Konstanz seine Vorreiterrolle in Sachen Klimaschutz auf, denn andere Städte haben den Mut voranzugehen. So haben Kommunen wie beispielsweise Tübingen, Marburg, Heidelberg oder Münster bereits die Zielsetzung „2030 klimaneutral“ beschlossen.
Pantisano: Mit mir wird Konstanz klimapositiv bis zum Jahr 2030
Prompt reagiert auf die Entscheidung des Gemeinderats, bei der die Stimme des Oberbürgermeisters den Ausschlag gab, hat Luigi Pantisano. Der Kandidat, der bei der OB-Wahl den Amtsinhaber ablösen will, erklärte zu dem Abstimmungsergebnis:
„Die Abstimmung zum Antrag Konstanz klimapositiv im Jahr 2030 wäre mit mir als Oberbürgermeister anders gelaufen. Mit meiner Stimme hätte der Antrag von Freie Grüne Liste, Junges Forum und Linke Liste eine Mehrheit gehabt! Für mich ist es keine Frage „ob“ Konstanz bis zum Jahr 2030 klimapositiv wird, sondern eine Frage „wie“ wir dieses Ziel erreichen. Der Klimawandel muss aufgehalten werden – das gilt sowohl global als auch an jedem einzelnen Ort dieser Erde. So auch in Konstanz.
Als Oberbürgermeister habe ich einen konkreten Plan, damit Konstanz bis zum Jahr 2030 klimapositiv ist. Erster und wichtiger Schritt ist die Einrichtung eines eigenständigen Klima- und Umweltamtes mit ausreichend Kompetenzen, Finanzen und Personal. Zusätzlich möchte ich einen beschließenden Klimaausschuss gründen, in dem Expert*innen und Initiativen mit am Tisch sitzen und den Gemeinderat bei der Umsetzung der gesetzten Ziele unterstützen.
Mein Dank gilt den vielen jungen Menschen bei Fridays for Future und den Umweltinitiativen wie der Klimapositiv-Initiative, die sich so engagiert für die Klimapolitik in Konstanz einsetzen. Wir müssen gemeinsam dranbleiben und dürfen nicht aufgeben. Gemeinsam können wir mehr erreichen.“
MM Fridays for Future/Luigi Pantisano/red (Foto: Stephan Schulz)
Unser Kapitalismus pervertiert!
Wir, insbesondere diejenigen, die immer noch an diesem Fehler in der Menschheitsgeschichte festhalten, zerstören in absehbarer Zeit Zukunft und Gegenwart! Denn wenn wir keine Hoffnung mehr sehen, keine Visionen einer lebenswerten Welt, entsteht rundum und überall Chaos.
Chaos, Weltzerstörung ist da, nur Viele wollen sie nicht sehen. Zu wenig intelligent, vorausschauend, kreativ und mutig ist die politische Klasse auch hier in Konstanz.
Ja, es mutet durchaus als Widerspruch an, dass sich Konstanz zunächst zum Klimanotstand bekennt, später aber ein konkretes Ziel für Veränderungen ablehnt. Vielleicht war es die Angst der knappen Mehrheit von Gemeinderatsmitgliedern, wie die Stadt das Bekenntnis zu 1,5 Grad umsetzen soll. Natürlich hätte es Mut für dieses zweifelsfrei ambitionierte Ansinnen gebraucht, aber ohne ein Stück weit Risikobereitschaft verfehlen wir die Klimaneutralität garantiert. Der Schrecken vor dem riesigen Aufwand, den wir als Stadt gemeinsam betreiben müssten, hat offenbar zum Zweifel der ablehnenden Fraktionen geführt. Sie machen sich nun allerdings mitschuldig an der unterlassenen Chance, eine für die nächsten Generationen klimafreundliche Stadt zu schaffen. Das Denken in einzelnen Legislaturperioden hat wieder einmal zugeschlagen. Politik mit perspektivischer Aussicht zu betreiben, das fällt offenbar auch Kommunalpolitikern noch immer schwer. Es mag zwar richtig sein, eine Klimaschutzstrategie zu erarbeiten. Doch die dafür benötigte Zeit darf nicht einfach ungenutzt bleiben. Denn bis zum Jahr 2030 ist es nicht mehr lang – und die Uhr für junge und alte Leute tickt. Die Lebensqualität von uns allen steht auf der Kippe. So deutlich muss man es den Stadträten vor Augen führen. Die Dramatik der Situation ist offenbar noch längst nicht allen bewusst. Es spricht nichts dagegen, heute mit den entsprechenden Maßnahmen für ein klimaneutrales Konstanz zu beginnen. Horrorszenarien helfen zwar auch nicht weiter, aber die Lage ist mehr als ernst. Daher hoffe ich bei der anstehenden OB-Wahl auf einen Wechsel an der Rathausspitze – denn jetzt braucht es Courage für einschneidende Veränderungen, auch wenn sie für manche von uns schmerzhaft sein mögen…
Den verantwortungslosen Ignoranten im Gemeinderat und allen weiteren reaktionären Tölpeln sei folgender Satz von Erich Fried ins Stammbuch geschrieben:
„Wer will, dass die Welt so bleibt, wie sie ist, der will nicht, dass sie bleibt.“
Der Blick auf die Welt, den SPD/CDU/FDP uns vermitteln, ist der. als wären sie Macher. Sind es aber nicht: lahme Enten. Und es ist keine Generationenfrage, die undogmatische Linke hat seit den frühen siebziger Jahren, die Frage nach der Natur gestellt und gegen Zerstörung unserer Erde, es ist eine Frage, ob man an den Mamon Kapital und Geld oder an die Kreatur glauben will.
Die Christdemokraten würden auch den Heiligen Franz heute verbrennen, weil der zu radikal wäre und die Sozialdemokratie in Konstanz ist im Panoptikum der eigenen Techno-Börse gelandet. Das tut mir leid zu sagen, weil ich den Ruff ja gerne hab, aber der Wunsch nach Redlichkeit ist mit Politik nicht ohne weiteres zu verwechseln: friedlich in die Katastrophe …wenn schon nicht nach Heidelberg….die haben nämlich Herz.
Platon zufolge dürfen Kinder sich im Dunkeln fürchten. Eine echte Tragödie werde es, wenn Erwachsene Angst haben vor dem Tageslicht. Am 23. erlebten wir, wie vier gestandene Mannsbilder sich gemeinsam in einem Mauseloch verkriechen.
Ruff (SPD): „Der Antrag von LL/FGL/JFK ist …nicht zustimmungsfähig, weil sie das Kriterium Machbarkeit nicht erfüllen.“ Fuchs (CDU): „Es wird halt nicht gehen… wir haben gar nicht die Handwerker.“ Hölzle (FW): „wenns dann 2036 geworden ist, können wir sagen, wir haben was Tolles geleistet.“ Everke (FDP): „…das bewegt einen schon… im Prinzip.“
Das ist schon beschämend für meine Generation. Ich hoffe, sie wird an den Schalthebeln möglichst schnell abgelöst.
Wer ist denn überrascht?
Es war doch klar dass der damalige „Klimanotstandsbeschluss“ ein reiner PR-Gag war. Jetzt hätte man etwas Konkretes liefern müssen – und versagt selbstverständlich.
„Nicht finanzierbar“ ist völliger Schwachsinn, es ist die Formulierung dafür, weder Mut noch Kompetenz aufbringen zu können notwendige Entscheidungen zu treffen und umzusetzen.
Ich vermute im aktuellen Gemeinderat die geistigen Sympatisanten derjenigen, die demonstrierende FFF-Aktivisten mit „sie sollen doch arbeiten gehen“ oder „sie sollen was Ordentliches machen“ anrülpsen.
Dem Gemeinderat fehlen intellektuelle Kapazität und Fachkompetenz um zu begreifen, dass massive Klimaveränderungen durch Nichthandeln das wirkliche finanzielle Problem sind – es müssen dann immer mehr Mittel in taktische Begegnung der Folgen des Klimawandels gesteckt werden wenn man ihn nicht strategisch von vornherein zu begrenzen versucht.