Gemeinschaftsschule ein marxistisches Teufelswerk?
Mit Spannung schaut man Richtung Rielasingen-Worblingen. Morgen entscheidet der Gemeinderat, ob aus der Ten-Brink-Schule eine Gemeinschaftsschule wird. Der Bürgerentscheid vergangenes Wochenende sprach sich dagegen aus, verfehlte aber das Quorum. Die Diskussion über das neue Schuldmodell hat die Gemeinde gespalten, und ehemalige Anhänger des VPM wittern auf ihre alten Tage wieder Morgenluft
Anfang Juni hat sich der Gemeinderat mit großer Mehrheit dafür ausgesprochen, dass aus der Ten-Brink-Schule eine Gemeinschaftsschule werden soll. Dann aber bildete sich eine Initiative, der es gelang, über ein Bürgerbegehren einen Bürgerentscheid herbei zu führen. Das Ergebnis überraschte, denn eine deutliche Mehrheit der WählerInnen votierte gegen das neue Schulmodell, doch das geforderte Quorum von 25 Prozent wurde nicht erreicht. 1829 der BürgerInnen (60,4 %) stimmten für den Erhalt der Realschule und Werkschule, 1191 (39,3 %) für die Errichtung einer Gemeinschaftsschule (GMS). Die Wahlbeteiligung lag bei mageren 31.04 %. Um das Quorum zu erreichen, hätten die Gegner der GMS 2441 Stimmen benötigt. Dennoch erklärten sie sich zum Sieger der Abstimmung und fordern den Gemeinderat nun auf, seine Entscheidung für die GMS zu revidieren.
Die über Monate hinweg geführte Debatte hat einen tiefen Riss durch die kleine Gemeinde gezogen. Vor allem, als bekannt wurde, dass die rührigsten GMS-Gegner Mitglieder oder Anhänger der umstrittenen Psychosekte VPM („Verein zur Förderung der Psychologischen Menschenkenntnis“) waren. Der VPM erlebte seine Hochzeit in den 1990-er Jahren und hatte in Deutschland, Österreich und der Schweiz rund 4000 Mitglieder. Er überzog seine Kritiker mit einer Vielzahl von Prozessen, die er aber mehrheitlich verlor. Gestartet als links-anarchistischer Zirkel, mutierte der VPM im Laufe der Jahre zu einer rechtspopulistischen Gesinnungsgemeinschaft und galt zudem als Sammelbecken für Verschwörungstheoretiker jedweder Couleur.
Getrieben wurden die VPM-Anhänger von der fast schon paranoiden Vorstellung, linke Chaoten planten einen gewaltsamen Umsturz und würden versuchen, die Bundesrepublik aus den Angeln zu heben. Um aus den Negativ-Schlagzeilen zu kommen, löste sich der VPM 2002 offiziell auf, seine Mitglieder ließen sich auf Anordnung ihrer kürzlich verstorbenen „fachlichen Leiterin“ Annemarie Buchholz-Kaiser meist auf dem flachen Land nieder. So auch in Rielasingen.
Ein VPM-Aussteiger erinnert sich: „Die Gruppe glaubte tatsächlich, sie müsse den Staat vor Systemzersetzern oder Neomarxisten beschützen. Eine beliebte Zielscheibe waren auch immer linke Journalisten, denen man ständig ´organisierten Schreibtischmord` unterstellte. Wie bei anderen Sekten auch wurden reale Defizite in Politik und Gesellschaft aufgegriffen und maßlos übersteigert. Mich wundert überhaupt nicht, dass die verbliebenen Kader nun beim Thema Bildung wieder auf der Matte stehen und alte Verhaltensmuster abrufen. Das Modell Gemeinschaftsschule fördert ihre absurden Urängste wieder zutage. Das bekommen die nicht von der Festplatte, sie können gar nicht anders“.[modal id=“19250″ style=button color=default size=default][/modal]
Autor: H. Reile
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