Geplante Wahlrechtsreform: besser als nix
Ende Oktober haben sich Grüne und CDU mit der SPD auf eine Reform des Wahlrechts in Baden-Württemberg geeinigt. Unter anderem mit dem Ziel, durch die Einführung des Zweistimmen-Wahlrechts mehr Frauen, MigrantInnen und junge Menschen in den Landtag zu bringen. Denn über die Aufstellung einer Landesliste können Parteien Einfluss darauf nehmen, wer durch seine Platzierung entsprechende Chancen hat, in den Landtag gewählt zu werden. Zudem soll das Wahlalter auf 16 Jahre abgesenkt werden.
Das Einstimmen-Wahlrecht in Baden-Württemberg ist einzigartig in Deutschland, eine Reform also überfällig. Der Verein Mehr Demokratie hat sich nun zur geplanten Wahlrechtsreform geäußert: „Die Einigung ist ein Fortschritt, aber wichtige Probleme bleiben bestehen“.
Der Fachverband begrüßt den Kompromiss als wichtige Anpassung – in erster Linie sei die Wahlrechtsalter-Absenkung essentiell, um demokratische Mitgestaltung zu stärken. Um sich das Prädikat „top-modern“ zu verdienen, das der CDU-Fraktionsvorsitzende Manuel Hagel in Anspruch nahm, hätte man jedoch den Mut haben müssen, alte Pfade zu verlassen, so Sarah Händel, Landesgeschäftsführerin von Mehr Demokratie Baden-Württemberg.
Laut Händel bestünden weiterhin verschiedene Probleme, die von dieser Reform ignoriert würden. Zum Beispiel, dass immer wieder hunderttausende Stimmen verloren gingen, weil Parteien an der Prozenthürde scheiterten. Bei der letzten Landtagswahl betraf das knapp jede achte Stimme. Das Parlament könnte sich auf eine weit höhere Legitimation stützen, wenn es eine Ersatzstimme gäbe. Diese würde gleich bei der Wahl mit abgegeben und zähle, falls die zuerst gewählte Partei an der geltenden Hürde scheitern sollte.
Aufgeblähter Landtag
Ein weiteres Problem sei, dass der Landtag in Baden-Württemberg regelmäßig über der Sollgröße von 120 Abgeordneten liege (momentan bei 154). Auch das neue Wahlrecht würde eine Übergröße nicht sicher verhindern. Die Lösung dafür wäre, nicht nur einen, sondern mehrere Abgeordnete in vergrößerten Wahlkreisen zu wählen. Die Parteien könnten dann auch mehrere eigene Kandidierende für die Direktwahl aufstellen, sodass gesellschaftliche Vielfalt besser abgebildet würde und die Bürgerinnen und Bürger eine größere Auswahl hätten.
Historisch sei die Einigung trotzdem, denn es sei das erste Mal überhaupt, dass eine CDU-Fraktion – zusammen mit Grünen und SPD – eine Wahlalter-Absenkung auf 16 Jahre in ein Landesparlament einbringen würde.
Weitere Infos zu den Wahlrechtsforderungen von Mehr Demokratie hier (die Forderungen aus dem Aufruf beziehen sich auf die Bundesebene, sind aber auf Baden-Württemberg übertragbar, weil das jetzt neu geplante Wahlrecht dem Wahlrecht auf Bundesebene an entscheidenden Stellen entspricht).
MM/ans