Glasverbot ist Geschichte – ehrliche Gespräche sind die Zukunft
Einige Gläschen dürften auch am Seerhein auf den Erfolg geleert worden sein: Das Glasverbot ist Geschichte – die studentischen Kläger dürfen feiern. Doch: „Jetzt ist Zeit für eine ehrliche Debatte“. Stephan Kühnle von der Grünen Hochschulgruppe der Uni Konstanz frohlockt nicht wegen des Urteils, sondern blickt in die Zukunft und fordert eine „professionelle Mediation zur Befriedung der Konflikte“. Und er sagt auch: „Jetzt ist die Stadt am Zug“. Tatsächlich müssen sich Stadtverwaltung und Gemeinderat nun etwas einfallen lassen
Denn die studentischen Kläger um Benjamin Wohnhaas und die Grüne Hochschulgruppe bezweifeln, dass Stadtverwaltung und Gemeinderat in der Vergangenheit in Sachen: Feiern am Ufer mit den Jugendlichen „ein ehrliches Gespräch versucht haben“. Darum ihre Forderung nach einer „ professionellen Mediation“ und ihre Verweise auf erfolgreiche Beispiele der Konfliktbefriedung durch eine ähnliche Methode in Zürich und Berlin-Kreuzberg, „die bekanntermaßen mit größerem Konfliktpotenzial zu kämpfen haben als Konstanz“.
Es soll nicht wieder zu einem „unverhältnismäßigen Eingriff in die persönlichen Freiheitsrechte aller Bürgerinnen und Bürger“ kommen, zitiert Benjamin Wohnhaas das Mannheimer Gericht. „Aber“, fährt Stephan Kühnle fort, „dazu braucht es auch ein Stück mehr Toleranz“ der Alterssitz-Bewohner an der Seestraße, am Herosépark und am Schänzle.
Und tatsächlich ist verwunderlich, dass sich die Anwohner in bester Wohnlage die Lärmbeschallung während der Fußball-Europameisterschaft aus der nahen Großkneipe und sogar die Hammermusik bei der Turngala des TVK klaglos gefallen ließen – über feiernde, einzelne Jugendliche am Seerhein aber folgenlos herziehen können. Nicht nur Studierende vermuten, dass noch andere Vorurteile in der letztjährigen Diskussion eine Rolle spielten.
Deshalb die Forderung nach einer neutralen, gleichwohl professioneller Mediation. Noch einmal Stephan Kühnle: „Es ist an der Zeit, eine ehrliche Diskussion zur Nutzung des öffentlichen Raumes zu führen. Dass wir dabei um eine professionelle Mediation nicht herum kommen, zeigen die Erfahrungen der vergangenen Jahre.“ Auch wenn die Studenten die Befürchtungen der Stadt nicht teilen, dass es nun ohne das Glasverbot zu einem „Scherbenmeer“ an der Seestraße, am Herosépark und am Schänzle komme, verkennen sie nicht: „Trotzdem ist Handlungsbedarf geboten, um die auch während des Glasverbotes schwelenden Konflikte zu befrieden und endlich wieder gemeinsam die betroffenen Gebiete nutzen zu können“. „Doch der erste Schritt muss von Seiten der Stadt Konstanz getan werden,“ so Stephan Kühnle.
Als Ergebnis einer solch‘ ehrlichen Debatte schwebt den Studenten ein Leitbild vor, das alle Gruppen akzeptieren. Darin könnten Nutzungszeiten und Verhaltensregeln formuliert, aber auch Freiräume für feiernde Jugendliche beschrieben werden. „Denn es müssen Anreize für die feiernden Jugendlichen geschaffen werden – auch wenn es sich nur um eine Minderheit handelt“.
Am späten Nachmittag meldeten sich dann auch noch die Jusos, die Jugendorganisation der SPD, zu Wort:
„Die Verbotspolitik der Stadt ist gescheitert. Dem kreativen Spiel der Stadt mit immer neuen Verboten wurde jetzt endlich ein Riegel vorgeschoben.“, so kommentiert die stellvertretende Vorsitzende der Juso-AG Konstanz, Theresa Gaßmann, das Urteil. „Uns ging es nie darum, das mutwillige Zerstören von Glasflaschen zu legitimieren. Wir haben uns – wie alle anderen auch, die gegen das Glasverbot gekämpft haben – dagegen gewehrt, dass alle, die sich mit einem Glas an den See setzen wollten, kriminalisiert wurden.“ stellt Theresa Gaßmann klar.
Die Jusos sehen den neuen OB Uli Burchardt jetzt erst Recht in der Pflicht, seinem Versprechen aus dem OB-Wahlkampf, die Verbotspolitik der Stadt zu überdenken, nachzukommen. Die Urteile des VGH Mannheim zum Alkoholverbot in Freiburg und zum Konstanzer Glasverbot haben der repressiven Politik ohne gesetzliche Grundlage eine Absage erteilt. Die Jusos hoffen jetzt, dass Burchardt sich auf Landesebene nicht für die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für Alkoholverbote einsetzen wird, wie es sein Vorgänger Horst Frank immer wieder getan hatte. „Es ist an der Zeit, seine Energie lieber auf präventive Maßnahmen zu verwenden, anstatt sie auf der Suche nach neuen Verbotsmöglichkeiten zu verschwenden.“, so Theresa Gaßmann“.
Autor: hpk
Eigentlich stand das Urteil schon nach der mündlichen Verhandlung fest: Die Konstanzer Stadtverwaltung war mit dem durch den Gemeinderat gestützten Glasverbot in der Saison an den Ufern des Sees gescheitert. Man mag zu der Idee, Flaschen zugunsten weniger Verletzungen und geringerem Alkoholkonsum samt Lärm an bestimmten Stellen zu untersagen, unterschiedlicher Auffassung sein. Aufgestoßen hat aber bereits der typisch deutsche Gedankengang, das öffentliche Leben allein durch Regelungen, Gesetze und entmündigende Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte steuern zu wollen.
Spätestens aber vor dem Verwaltungsgerichtshof hat sich unabhängig der Sachentscheidung der wesentliche Erfolg des gesamten Verfahrens offenbart: Scheinbar mit einer selbstsicheren Überheblichkeit waren die Vertreter der Stadt nach Mannheim gezogen, unvorbereitet und ohne belastendes Datenmaterial. Der Argumentationsstrang war mehr als dürftig, Zeugenaussagen von Eigeninteresse und wenig Objektivität geprägt. Die Hoffnung und Sicherheit, dass die Richter in Wohlwollen für die Kommunalverwaltung fast blind einen Erlass durchwinken, der aus mancher Sicht noch so nötig sein mag, ist zerplatzt. Ein Student, der „kleine Bürger“, der vielfach belächelt wurde, hat vollends gesiegt – weil er mit Begründungen, Ortskenntnis und Faktenlage vertraut war und punkten konnte.
Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zeigt deutlich, dass die juristische Unabhängigkeit funktioniert hat. Dem, der überzeugen konnte, wurde das Recht zugesprochen – da half auch keine Befindlichkeit von sich gestört fühlenden Anwohnern. Nahezu wahllos wirkte die Konstanzer Vorschrift ohnehin, eine Einschränkung nach willkürlicher Manier. So sah es schlussendlich auch der Vorsitzende des ersten Senats, dem eine intensive Beschäftigung mit dem Streitfall konstatiert werden kann.
Die Essenz aus einem halben Jahr Exkurs „Glastabu“ kann letztlich nur lauten: Wer Rechtsstaatlichkeit ernst nimmt, muss solide darlegen können, warum Justitia auf seiner Seite stehen soll – das Mannheimer Urteil ist ein Gewinn für Demokratie und Gewaltenteilung. Und: Dort, wo Dialog noch möglich ist, ist Verbot immer schädlich.