Grüezi Heil Hitler

In Deutschland finden Anti-Corona-Demonstranten nichts dabei, dass Neonazis mit ihren Symbolen die Anti-Corina-Demonstrationen steuern. Nazisymbole tauchen auch immer häufiger bei entsprechenden Demonstrationen in der Schweiz auf. Hier zwei Artikel zur erschütternden Rechtslage in der Schweiz.

Grüezi Heil Hitler

«Mitte»-Nationalrätin Marianne Binder (so etwas wie in Deutschland die CDU) hat nun in einer Eingabe beim Schweizer Bundesrat versucht, eine gesetzliche Grundlage zu erreichen, welche die Verwendung von Kennzeichen des Nationalsozialismus unter Strafe stellt. «In Zeiten aufkommenden Antisemitismus sei Handlungsbedarf gegeben. Öffentlich geäusserte Relativierungen des Holocaust müssten verboten werden, argumentiert die Politikerin. Kein Gehör für das Anliegen hat der Bundesrat. Er lehnt ein Verbot ab.» (Aargauer Zeitung vom 3.2.2022).

Die freie Journalistin Joëlle Weil, die von 2013 bis Ende 2021 in Tel Avi lebte und arbeitete und jetzt mit ihrer Familie in der Schweiz lebt, kommentierte die Entscheidung in der Thurgauer Zeitung vom 7.2.2022 mit den ebenso eindringlichen wie deutlichen Sätzen: «Wir sollten das anders formulieren: Anstatt «Bundesrat verbietet Nazisymbole nicht», hätten wir alle «Bundesrat erlaubt weiterhin Nazisymbole» titeln sollen. Minus und Minus gibt Plus, wissen wir alle. Nun dürfen wir weiter Hitler grüssen, Judensterne kleben, auch ein überdimensionales Hakenkreuz-T-Shirt tragen, während wir mit einer Hakenkreuz-Flagge in einem Kaffee sitzen. Alles erlaubt von unserer Landesregierung. Von den sieben Menschen, welche die Werte unserer Nation vertreten».

Für den Schweizer Bundesrat fällt die Verwendung von Nazisymbolen unter die Meinungsfreiheit, denn dazu gehört die öffentliche Verwendung rassistischer Symbole, sofern damit «keine Propaganda» bezweckt werde. Ob es sich im Einzelfall um Propaganda handelt, hänge von den konkreten Umständen ab.

Gemäss Rechtsprechung des Schweizer Bundesgerichts sei es zu akzeptieren, «dass auch stossende Ansichten vertreten werden, selbst wenn sie für die Mehrheit unhaltbar sind.» Statt Verbot spricht der Bundesrat davon, dass «Prävention besser geeignet sei als strafrechtliche Repression».

Und damit nicht genug. Der Bundesrat argumentiert fadenscheinig auch noch damit, dass Nazi-Symbole auch weiterhin bei der Aufarbeitung in einem historischen, erzieherischen, journalistischen oder künstlerischen Kontext verwendet werden dürfen, was bei einem Verbot ja nicht mehr möglich wäre.

«Nationalsozialistisches Gedankengut ist menschen- und demokratieverachtend. Es stellt für viele Bürger dieses Landes eine potenzielle Lebensbedrohung und ein Sicherheitsrisiko dar. Nationalsozialistisches Gedankengut ist keine politische Meinung. Nationalsozialistisches Gedankengut bedeutet Hass, Zerstörung und eine grosse Gefahr für viele. Dass der Bundesrat zu Gunsten von Nazis entschieden hat und nicht zu Gunsten jener, die es vor ihnen zu schützen gilt, ist unerträglich». (Joëlle Weil)

Text: Thomas Willauer

Zeigen erlaubt, werben nicht

Das Zeigen nationalsozialistischer und/oder faschistischer Zeichen ist in der Schweiz nicht per se verboten. Die derzeitige Regelung im Antirassismusgesetz droht jemandem mit Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe, „der öffentlich Ideologien verbreitet, die auf die systematische Herabsetzung oder Verleumdung der Angehörigen einer Rasse, Ethnie oder Religion gerichtet sind“.

Aber das Schweizer Bundesgericht hat 2014 entschieden, dass das Zeigen eines Hakenkreuzes oder des Hitlergrusses alleine nicht strafbar ist, weil das alleine keine „Verbreitung“ einer entsprechenden Ideologie sei.

Es sprach damals ein paar „Grössen“ der Partei National gesinnter Ostschweizer (PNOS) – die sich dieser Tage gerade als aufgelöst erklärte – vom Vorwurf der Rassendiskriminierung frei, die auf der „Rütli“-Wiese mit Hitlergruss gefeiert hatten. Um das Kriterium des „Verbreitens“ zu erfüllen, müsse mit dem Symbol geworben oder „missioniert“ werden.

Andererseits hat dasselbe Bundesgericht 2017 ein paar weit rechts Angesiedelte verurteilt, die vor einer Genfer Synagoge die „Quenelle-Geste“ gezeigt hatten. Diese ist eine Abwandlung des Hitlergrusses. Das Gericht sah darin eindeutig die beabsichtigte Herabwürdigung „der Angehörigen einer Rasse, Ethnie oder Religion“.

Strafrechtler monieren, dass es keine rechtsverbindliche Auflistung von Symbolen und/oder Gesten gibt, die als rassistisch, antisemitisch etc. nicht erlaubt seien. Ein Verbot von Nazi-Symbolen war vom Parlament vor bereits 2011 einmal abgelehnt worden. Es sah darin eine Verletzung der Meinungsfreiheit.

Text: Lieselotte Schiesser, Bilder: LM/OP, Bild von Paul Brennan auf Pixabay (stark bearbeitet)