Grüne im Konzil: Ein verhagelter Wahlkampf-Auftakt
Friede, Freude, Kretschmann. Der „Bürgerdialog“ der Landes-Grünen im Konstanzer Konzil, als Wahlkampf-Auftakt gedacht und als „Herzensanliegen“ angekündigt, war bunt und platt. Vor allem war es kaum ein Dialog.
Denn die fast 700 Besucher mussten sich zunächst 130 Minuten lang Reden mit sattsam bekannten Inhalten anhören – Zweidrittel der Zeit war dann schon verplempert: Dass mit der grünen Landesregierung alles besser geworden sei im Ländle, betonten die Stuttgarter Fraktionsvorsitzende Edith Sitzmann in einer arg holprigen Ansprache und „Landesvater“ Winfried Kretschmann mit ungewohnt markigen Sprüchen. Lässig allein der einzige, der nicht zum grünen Lager zählte: CDU-OB Uli Burchardt konnte mit einer launigen Grußadresse überzeugen und seine Heimatstadt ins rechte Licht rücken.
Immerhin fünf LandeministerInnen und 35 Abgeordnete hatten die Landes-Grünen für diese Veranstaltung aufgeboten, die während einer Klausurtagung ihrer Fraktion auch noch Zeit für etliche Betriebsbesuche fanden: Die Umweltpolitiker besuchten solarcomplex in Singen, die Sozial-Experten die Diakonie Tettnang und die Bildungspolitiker z. B. die Gebhardschule in Konstanz. Da blieb dann kaum noch Zeit für die örtlichen Landtagskandidatinnen Nese Erikli (Wahlkreis Konstanz) und Dorothea Wehinger (Wahlkreis Singen): Die, um die es den Grünen im anstehenden Wahlkampf vor Ort eigentlich gehen sollte, durften zwar während der „Dialog-Veranstaltung“ kurz zur Vorstellung auf die Bühne, doch reden durften sie nicht.
Ein verräterisches Zitat
Das besorgte dann ausgiebig der „Landesvater“. Der 67jährige Kretschmann erwies sich in seinem politischen Rundumschlag als wahrer Hardliner, der für eine Begrenzung der Flüchtlingszahlen eintrat, einer flotten „Rückführung“ nicht anerkannter Asylanten das Wort redete und gegen vermeintlich kriminelle Flüchtlinge wetterte: „Keine Freiheit den Feinden der Freiheit“. Wer aber unter den heftig applaudierenden KonstanzerInnen wusste schon, dass dies ein Zitat aus der Urteilsbegründung des Bundesverfassungsgerichtes ist, mit dem 1956 das Verbot der KPD (Kommunistische Partei Deutschlands) verteidigt wurde? Aus dem Mund eines ehemaligen KBW’lers (Kommunistischer Bund Westdeutschland) entpuppt sich das dann schon als recht verräterisches Zitat.
Ansonsten warb Kretschmann für sich und seine Politik, die auf den Feldern von Bildung, Wohnungsbau und Klimawandel für Baden-Württemberg ohne Alternative sei. Auf die auch im Konzil vorgebrachten Proteste (s. Fotos) ging der Ministerpräsident dann jedoch nicht ein.
Proteste sollten verhindert werden
Die nämlich hätten eigentlich schon im Vorfeld verhindert werden sollen. Der Stuttgarter Fraktionsgeschäftsführer hatte die örtlichen Polizisten angewiesen, Proteste und Transparente höchstens im Foyer zuzulassen. Die ZuhörerInnen wurden dann auch ausreichend „gefilzt“; Rucksäcke wurden peinlichst überprüft und Winterjacken mussten ausgehändigt werden. Dennoch gelang es wenigen aus Reihen von attac, BUND und dem „Konstanzer Bündnis gegen TTIP und CETA“, Transparente in den Festsaal zu schmuggeln und rechtzeitig zur Kretschmann-Rede zu entrollen.
Dieser Protest blieb zwar ohne erkennbare Reaktion der Verantwortlichen, in den nachfolgenden Gesprächsrunden an den Diskussionstischen spielte er aber schon eine Rolle. Da nämlich fand im letzten Drittel der zur Verfügung stehenden Zeit der Bürger-Dialog statt. Zu Themen wie „Flüchtlinge, Asyl und Europa“, „Wirtschaft und Landeshaushalt“ oder „Mobilität und Verkehr“ waren insgesamt zehn Diskussionsrunden vorbereitet worden, die von den übrig gebliebenen KonstanzerInnen auch fleißig in Anspruch genommen wurden. Die meisten der 700 BesucherInnen waren da aber schon auf dem Heimweg durch einen verregneten, verhagelten Winterabend.
hpk (Fotos: pw u. hpk)
Ich weiß schon, warum ich mir diesen Auftritt, übrigens ebenso wie den „Dialog“ unseres OBs, Neujahrsempfang, erspart habe. Die „Dialoge“ sind Monologe und gehen überwiegend an der Realität vorbei. Und die befindet sich direkt vor der Haustür oder beispielsweise, als nicht zu übersehenden Protest direkt neben der Bühne. Schon 2015 hatte ich beim Besuch Kretschmanns im Konzil, mit nur 12 teils desinteressierten u. /od. genervten Abgeordneten und den Schmeicheleien über die „hervorragende, teils herausragende Stadtpolitik“ den Verdacht: der grüne Landesvater weiß gar nicht, an welchem Standort er sich aktuell gerade befindet, gut recherchiert hat der dafür Verantwortliche auf jeden Fall nicht. Politik der Schmeicheleien und der großen Worte, so schon tausendfach und immer wieder gehört, durchsichtiges Wahlkampfgeschwätz – und dennoch fallen immer wieder zu viele Menschen darauf herein. Dass er auf die offensichtlichen Probleme, die über jene im Ländle hinausgehen, auf die Menschen, die unübersehbar Antworten forderten(TTIP)nicht einging, sagt alles.