Grüne Zettel: Wieder Schlange stehen an der Grenze?
Das Ausbleiben der Schweizer EinkaufstouristInnen war eine der wenigen Pandemiefolgen, über die so manch eine/r nicht unglücklich gewesen sein dürfte. Nicht zuletzt entfiel durch die geschlossene Grenze das Stempeln der sogenannten grünen Zettel, das an Zollstellen regelmäßig zu langen Warteschlangen führte. Die Schlagbäume sollen sich zwar erst am 15.6. wieder komplett öffnen, bereits heute wurde indes wieder mit dem Abfertigen der Ausfuhrkassenzettel begonnen. Eine Absicht, die bei der Gewerkschaft Verdi, die auch Zollbeschäftigte vertritt, auf Ablehnung stößt.
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„Wir halten dies für unverantwortlich und gesundheitsgefährdend für Beschäftigte der Zollverwaltung und auch die Bürgerinnen und Bürger“, empört sich Verdi. Aus gutem Grund habe die deutsche Zollverwaltung an der Schweizer Grenze schon vor der Grenzschließung keine Ausfuhrkassenzettel mehr abgefertigt. Durch Hamsterkäufe und zum Teil unverantwortliches Verhalten der EinkäuferInnen aus der Schweiz seien Abstandregeln und alle anderen notwendigen und angeordneten Hygienevorschriften bereits Anfang März nicht mehr einzuhalten gewesen, berichtet die Gewerkschaft.
„Gleiches ist wieder zu erwarten“, ist Andreas Gallus überzeugt, Verdi-Sprecher für den Zoll beim Hauptzollamt Singen. „Die Leute sind in Lauerstellung, um endlich wieder in Deutschland einkaufen zu können. Schon jetzt, obwohl Einkaufsfahrten und Einkaufstourismus noch verboten sind, sind die Autos mit den kleinen Kennzeichen auf den Parkplätzen der Discounter und Baumärkten allgegenwärtig.“ Er betont, man habe „vollstes Verständnis“ für Menschen, die auf Grund der Preise in Deutschland einkaufen. „Die meisten von uns würden das auch tun. Darum geht es uns nicht. Es geht uns um das zu erwartende zusätzliche Infektionsrisiko direkt an der Grenze.“
Wenn es stimme, dass nur Abstandsregeln eine zweite Infektionswelle verhindern könnten, dürften Verhältnisse nicht zugelassen werden, die vor dem Virus Normalzustand waren: „Jeden Samstag zwischen 20.000 und 25.0000 Ausfuhrkassenzettel. Nur in Konstanz! Menschenschlangen, Menschentrauben auf engem Raum. Wegen Ausfuhrkassenzetteln?!“
Besonders irritierend für die GewerkschafterInnen: „Es ist für uns nicht erkennbar, dass die üblichen Verdächtigen (IHK, Einzelhandelsverband, einzelne Politiker) bisher die Abfertigung von Ausfuhrkassenzetteln öffentlich verlangt hätten. Das scheint ausschließlich eine Idee der Zollverwaltung zu sein. Das macht die ganze Entwicklung noch verrückter.“
Zollpersonal, das bisher erfolgreich an der Grenze mit dafür gesorgt habe, die Pandemie in Grenzen zu halten, sollte dem Vernehmen nach nun zusammengezogen werden, um der zu erwartenden Ausfuhrkassenmisere Herr zu werden. Beabsichtigt sei überdies, bei den Stempelstellen keine Kugelschreiber auszulegen und weder Tische noch Stühle bereitzustellen, „um ein Infektionsrisiko zu verringern, dass es ohne die Entscheidung, diese Zettel wieder abzustempeln gar nicht gäbe. Das ist unglaublich.“
Verdi fordert, zum jetzigen Zeitpunkt die Abfertigung zu unterlassen und erst einmal das Einkaufverhalten zu beobachten. Nach einer Karenzzeit müsse dann entschieden werden, wie es mit den grünen Zetteln weitergehen soll. „Jetzt ein zusätzliches hohes Infektionsrisiko an den Grenzübergängen zu schaffen ist unüberlegt und hochgradig gefährlich. Für alle Beteiligten!“
MM/jüg (Bild: Verdi)
Die Vertreter der Wirtschaft fiebern der“ Öffnung der Schlagbäume“ entgegen, auch unser seit 2019 zum Bürger-und Bienenfreund geläuteter Klimapionier. Er hat seine Chance verpasst, zumindest eines seiner Versprechen von 2012 umzusetzen: „Radikale Maßnahmen zur Einschränkung des Verkehrs“. Während in mehreren Städten Europas Nägel mit Köpfen gemacht wurden und werden, bleibt in KN alles beim Alten, dabei wäre es so einfach gewesen: Weg mit der Rückerstattung der Mehrwertsteuer! Dies wäre eine ungeheure Entlastung für Zollbehörden, ein Gewinn für uns Bürger, für das Klima und die Finanzbehörden. Nach wie vor kämen viele Schweizer Nachbarn aufgrund der günstigeren Preise im „Dütsche“ , dennoch wäre eine Entlastung spürbar, ein bisschen mehr Gleichgewicht. Aber die Stimmen der Wirtschaft, sie waren immer schon lauter.
Wenn sich am 15 . Juni die Grenzen öffnen, können wir uns allerdings die ohnehin verqueren Maßnahmen sonstwohin schmieren. Niemals lassen sich die Massen, Tausende von Menschen täglich, kontrollieren, weder in Kaufhäusern, Malls, nicht in Restaurants, nicht auf Straßen und in Gassen. Abstand? Das war dann mal. Von wegen Eisdiele und 50 m Entfernung etc. Die Öffnung der Grenzen ist gleichbedeutend mit der Aufhebung sämtlicher Maßnahmen, von wegen Kontrollen. Die Regeln in der Schweiz sind schon jetzt gelockert. Wer bringt unseren Nachbarn bei, dass dies bei uns noch nicht der all ist? Das wird eine Herausforderung, der ich mich nicht stellen möchte. Jede Lockerung nehme ich jedoch dankbar an.
@Lieselotte Schiesser: Danke für den sachdienlichen Hinweis. Ist richtiggestellt. jüg
“ Seit heute sind die Schlagbäume wieder offen,“ – nö, sind sie nicht. Ihr seid zu früh dran. Es wird zwar wieder gestempelt – nur dürfte sich das in einem sehr engen Rahmen halten. Die Schlagbäume sind nämlich erst ab dem 15. Juni wieder für alle offen – bisher ist SchweizerInnen der Einkauf im Ausland immer noch verboten.
Sehe ich auch als absoluten Blödsinn, zumal wir durch das nicht Abstempeln sicher einiges an Steuereinnahmen hätten , die Deutschland dringend benötigen würde …