Grüne Landesregierung auf Werbetour für Stuttgart 21?
BUND-Regionalgeschäftsführer Axel Mayer aus Freiburg entdeckte es als erster (ihm verdanken wir das Foto mit leicht subversivem Einschlag), Martin Hofmann von der Südwestpresse griff das Thema auf (ihm verdanken wir diesen Text) und seitdem macht die Geschichte ihre Runde im Ländle: Die grün-rote Landesregierung wirbt für das Bahnprojekt Stuttgart 21. Oder ist das nur ein Missverständnis in hektischen Wahlkampfzeiten? Denn am 27.11. ist bekanntlich Volksabstimmung.
Die S-21-Gegner sind erstaunt bis empört, Befürworter lächeln eher verschmitzt. Nicht der Infobus, der auf Marktplätzen im Land für das Bahnprojekt wirbt, erregt die Gemüter. Dass Daimler, der Arbeitgeberverband Südwestmetall, der Sägenhersteller Stihl oder die IHK Ulm die Kampagne finanzieren – sei’s drum. Aber am Heck des Fahrzeugs prangt das Löwen-Logo der Landesregierung.
War da nicht eine Wahl vor sechs Monaten? Hat nicht Grün-Rot Schwarz-Gelb abgelöst? Der Protest gegen das Milliarden-Projekt spielte für das Ergebnis der Öko-Partei eine tragende Rolle. Und nun ergreift diese grün geführte Regierung einseitig Partei? Auch auf der Internetseite des Kommunikationsbüros Bahnprojekt Stuttgart-Ulm e.V., Veranstalter der Infobus-Tour, taucht das Emblem des Landes auf. Wer es anklickt, findet einen Text der Regierung, der an der Verkehrsinvestition nicht den Hauch eines Makels findet.
Also nachgefragt – zuerst im zuständigen Verkehrsministerium des S-21-Gegners Winfried Hermann (Grüne). Man arbeite daran, dass das Landeswappen das Infomobil nicht mehr ziere, heißt es dort. Gleiches gelte für Logo und Text auf der Netzseite des Büros. Den Imagewerbern habe das Land von September 2009 bis Juni 2011 rund 3,6 Millionen Euro bezahlt – für Personal- und Sachkosten. „Aktuell fließt kein Geld“ mehr. Die Regierung habe zudem ihre Vereinsmitgliedschaft gekündigt.
Gegenteiliges verlautet aus dem Kommunikationsbüro. Das Land sei und bleibe neben Bahn AG, Bund und Stadt Stuttgart Partner des Mammutprojekts. Selbstverständlich klebten deshalb die Logos auf der Rückseite des Infomobils. Die Regierung sei nach wie vor Mitglied des Vereins „Bahnprojekt“.
Da staunt der Beobachter, wie bei so manch anderen Daten und Fakten zu Stuttgart 21. Und ein wenig versteht er auch, was Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) gemeint haben könnte, als er – zum Ausgang der Volksabstimmung befragt – von einem „politischen Wunder“ sprach. Um Widersprüche zur Werbekampagne auszuräumen, bedürfte es eines solch exzeptionellen Ereignisses hingegen nicht. Da muss man nicht mal Hochdeutsch können.
Autor: Martin Hofmann/Südwestpresse Ulm