Gutachter-Gezänk ums Scala

Natürlich fühlt sich die Konstanzer Stadtverwaltung in Sachen Scala bestätigt. Das in ihrem Auftrag erstellte Rechtsgutachten warnt dann auch vor „Entschädigungszahlungen wegen eines enteignungsgleichen Eingriffs“. Mehr noch: Der Konstanzer Gutachter kanzelt in einer weiteren Stellungnahme das Gutachten seines Berliner Kollegen ab, in dem der Scala-Initiative einige Hoffnungen auf rechtliche Handhaben gemacht worden waren. Beide Konstanzer Schriftsätze im Anschluss an diesen Artikel.

Auch ansonsten fühlt sich die Stadtverwaltung missverstanden und schlecht behandelt. In den Medien sei der Eindruck entstanden, die Stadt sei tatenlos geblieben – „das Gegenteil ist der Fall“, verteidigt Pressesprecher Rügert die Verwaltungsspitze: „Bereits in der Sitzung des Technischen- und Umweltausschusses am 28.01.16 hatte Bürgermeister Karl Langensteiner-Schönborn darauf hingewiesen, dass eine rechtsfehlerhafte Entscheidung der Verwaltung Schadensersatzklagen der Bauherren nach sich ziehen könnte.“ Und auch in der nächsten TUA-Sitzung am 14. April soll die Causa Scala-Kino behandelt und die Gutachten bewertet werden, so Rügert.

Das allerdings ist kein großes Zugeständnis, denn mittlerweile ist die FGL-Fraktion im Gemeinderat aktiv geworden und hat diesen Antrag eingebracht:

Antrag für den TUA am 14.04.2016 und die Gemeinderatssitzung am 21.4.2016:
Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan für den Bereich Marktstätte mit daran gekoppeltem Erlass einer Veränderungssperre auf vorerst zwei Jahre.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Burchardt,
Sehr geehrter Herr Bürgermeister Langensteiner-Schönborn,
Die FGL beantragt, die Ausarbeitung eines Bebauungsplans für die Marktstätte durch einen entsprechenden Aufstellungsbeschluss auf den Weg zu bringen und parallel eine zweijährige Veränderungssperre zu erlassen.

Begründung:
Für die zukünftige Entwicklung dieses zentralen Bereichs der Innenstadt, der gestalterisch in den kommenden Jahren aufgewertet werden soll, sind sorgfältige Überlegungen anzustellen. Damit der Platz und die angrenzenden Gebäude nicht zu einer reinen Kommerzmeile mit einer ganztägigen Flut von Anlieferungen verkommt, müssen die Anforderungen der Bevölkerung was Aufenthalts-Qualität, Begegnungsmöglichkeiten, kulturelles Angebot und städtebauliche Qualität betrifft, besser berücksichtigt werden. Die Stadt kann nur über einen qualifizierten Bebauungsplan dafür Sorge tragen, dass Nutzungen für einzelne Gebäude und Geschosse zum Wohl der Bevölkerung nachhaltig festgelegt werden, und so die Gestaltungshoheit für das Zentrum der Innenstadt im Sinne einer positiven und zukunftsfähigen gesamtstädtischen Entwicklung sichern.

Mit freundlichen Grüßen
Anne Mühlhäußer
Gisela Kusche, stellv. Fraktionssprecherin

Der Monat April dürfte kommunalpolitisch also vom Scala-Thema beherrscht werden. Denn auch die Bürger-Initiative „Rettet das Scala“ lässt nicht locker. Schon für den heutigen Donnerstag plant sie eine weitere Aktion: 17.45 vor dem Kino.

hpk


Die rechtlichen Stellungnahmen von Prof. Dr. Preussner, Konstanz:

Möglichkeiten rechtlicher Steuerung Markstätte 22 (Scala Kino) in Konstanz

I. Sachlage und Prüfauftrag
II. Veränderungssperre § 14 BauGB
III. Zurückstellung von Baugesuchen § 15 BauGB
IV. Aufstellung eines B-Plans
V. Erhaltungssatzung § 172 BauGB
VI. Denkmalschutzrechtliche Aspekte
VII. Vergleichsfall aus der Rechtsprechung (1)
VIII. Vergleichsfall aus der Rechtsprechung (2)
IX. Abschließende Bewertung

I. Sachlage

Das Scala-Kino in der Markstätte 22 ist ein Programmkino, welches vornehmlich sog. Arthouse- oder Independent-Filme zeigt. Das Gebäude selbst wurde 1936/37 neu errichtet und steht nicht unter Denkmalschutz. Seither wurde das Kino mehrfach umgebaut. Ein ursprünglich gestalterisch-wertvoller Kinosaal wurde durch mehrere kleine Kinosäle ersetzt. In Zukunft soll eine Filiale der Drogeriemarktkette DM das Scala-Kino als Pächter ablösen.

Zu prüfen ist im Folgenden, welche Handhabe die Stadt Konstanz hat, um die bisherige Nutzung in der „Markstätte 22“ zu schützen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die derzeitige Nutzung des Gebäudes baurechtlich genehmigt ist. Es besteht daher Bestandsschutz. Bei der vorliegenden Fragestellung kann es also nur darum gehen, ob die Stadt Konstanz berechtigt ist, Maßnahmen zu ergreifen, die den aktuellen Zustand erhalten und Veränderungen abwehren.

II. Veränderungssperre gem. § 14 BauGB

1. In Betracht kommt zunächst der Erlass einer Veränderungssperre. Mit einer Veränderungssperre kann die Gemeinde erwirken, dass im entsprechenden Gebiet der Veränderungssperre Vorhaben nach den §§ 29 ff. BauGB zumindest vorübergehend nicht genehmigungsfähig sind. Ein etwaiger Antrag nach § 58 LBO der Drogeriekette auf die Genehmigung einer Nutzungsänderung des Gebäudes könnte folglich abgelehnt werden, wenn die Stadt eine rechtmäßige Veränderungssperre erlassen hat. Für den jeweiligen Planbereich erzeugt die Veränderungssperre eine Schranke, die dem Bestand hinsichtlich Substanz aber auch Nutzung den status quo aufzwingt.

2. Die Entscheidung über eine Veränderungssperre obliegt nach § 14 I BauGB grundsätzlich der Gemeinde im Rahmen ihrer Planungshoheit aus Art. 28 II GG.

3. Die Voraussetzungen für eine Veränderungssperre sind:
a. Die Gemeinde muss einen sog. Aufstellungsbeschluss gefasst haben, d.h. sie muss beschlossen haben, einen Bebauungsplan aufzustellen oder zu ändern. Dieser Planaufstellungsbeschluss muss selbst noch keine konkreten Aussagen über die zukünftige Planung enthalten (Mitschang in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB § 14 Rn.6).
b. Der Planaufstellungsbeschluss muss gefasst werden, um eine positive Planung der Gemeinde zu sichern. Der künftige Planinhalt muss für das gesamte Gebiet zumindest „in einem Mindestmaß bestimmt und absehbar“ sein (Mitschang in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB § 14 Rn.9). In Abgrenzung hierzu steht das Verbot der Negativplanung, welche einzig bestimmte Vorhaben verhindern möchte. Eine solche Verhinderungsplanung ist nach einhelliger Rechtsprechung unzulässig. Zu den Voraussetzungen einer sog. Verhinderungsplanung vgl. II.5.b.

4. Grundsätzlich unproblematisch wäre es, dass sich die Veränderungssperre nur auf ein einziges Grundstück beziehen würde (Mitschang in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB § 14 Rn.10).

5. Allerdings muss sich die Gemeinde als Plangeber bereits vor Erlass eines Planaufstellungsbeschlusses die Frage stellen und sie auch beantworten, welche Planung sie intendiert. Die Veränderungssperre dient der Sicherung der Bauleitplanung. Deshalb muss zur Zeit ihres Erlasses der Inhalt der beabsichtigten Planung bereits in einem Mindestmaß bestimmt und absehbar sein, da sie andernfalls nicht „erforderlich“ ist (vgl. BVerwG, NVwZ 2004, 447; BVerwG, NVwZ 2004, 858; BVerwG, NVwZ 2004, 984; BVerwG, BauR 2008, 328; BVerwG, NVwZ 2010, 42). Dieses Mindestmaß an Vorstellungen muss geeignet sein, die Entscheidung der Genehmigungsbehörde zu steuern, wenn sie über die Vereinbarkeit des Vorhabens mit der beabsichtigten Planung zu befinden hat. Diese Vorstellungen müssen auch verlässlich festgelegt sein.

6. Das Kino befindet sich heute im unbeplanten Innenbereich nach § 34 BauGB. Es existiert lediglich ein sog. „Rahmenplan“ aus dem Jahr 1991, welcher jedoch keine rechtsverbindlichen Aussagen trifft. Ein zukünftiger B-Plan müsste sich an der Nomenklatur der BauNVO orientieren. Je nach Gebietstyp müssen oder können bestimmte Vorhaben zugelassen oder ausgeschlossen werden.

Für das Gebiet „Marktstätte 22“ innerhalb der Altstadt von Konstanz kommen folgende Gebietstypen in Betracht:

a. § 7 BauNVO (Kerngebiet): Hier wären als Regelnutzung Einzelhandelsbetriebe nach Abs. 1 auf jeden Fall zulässig. Die Gemeinde kann jedoch gem. § 9 I Nr. 9 BauGB für einzelne Flächen eine ganz bestimmte Nutzung festschreiben, und damit eine kulturelle Nutzung erzwingen. Ein Vorgehen über § 9 I Nr.9 BauGB ist allerdings nur dann zulässig, wenn keine andere Festsetzung den Zweck der Festsetzung erreichen kann (Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB § 9 Rn. 52).

b. § 6 BauNVO (Mischgebiet): Hier wären ebenfalls als Regelnutzung Einzelhandelsbetriebe nach Abs. 1 auf jeden Fall zulässig; aber auch hier besteht die Möglichkeit des § 9 I Nr. 9 BauGB.

c. § 11 BauNVO (Sondergebiete): Hier hätte der Plangeber eine flexiblere Handhabe, um auf ganz konkrete Vorhaben einzugehen und andere ggf. auszuschließen. § 11 BauNVO gibt gerade – im Gegensatz zu den vorherigen Gebietstypen – keine bestimmte Zweckbestimmung vor, sondern überlässt dies dem Plangeber (Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB § 11 BauNVO Rn. 1). In einem Sondergebiet nach § 11 BauNVO könnte demnach etwa festgesetzt werden, dass keine Einzelhandelsbetriebe zulässig sind, sondern lediglich kulturelle Einrichtungen.

7. Insofern müsste die Gemeinde zumindest in den Grundzügen eine Überplanung „Markstätte 22“ anstreben. Bei der Frage nach dem hypothetischen Erlass eines B-Plans sind allerdings folgende Aspekte zu beachten:

a. Verbot der Einzelfallplanung: In aller Regel wird die Gemeinde ihrer Aufgabe einer sinnvollen, planvoll-lenkenden Bauleitplanung nur gerecht, wenn ein Plangebiet mehrere Grundstücke umfasst (BVerwG, Beschl. v. 16.8.1993 – 4 NB 29/93). Dogmatisch verortet entspringt dies der Erforderlichkeitsklausel des § 1 III BauGB. Hiervon sind jedoch Ausnahmen möglich. Auch die Überplanung eines einzelnen Grundstückes kann innerhalb eines „städtebaulichen Gesamtkonzepts“ erforderlich sein. Unzulässig wäre hingegen eine sogenannte Gefälligkeitsplanung, bei der die Planung einzig auf dem Wunsch eines privaten Akteurs beruht (OVG Magdeburg, Urt. v. 25.7.2013 – 2 L 73/11).

b. Gleichwohl gilt es eine „Atomisierung“ des Gemeindegebietes zu vermeiden, d.h. die Bildung einer Vielzahl von kleinsten Plangebieten ist unzulässig. Hier wäre die Überplanung der „Marktstätte 22“ das erste Plangebiet in der Altstadt überhaupt. Die Gefahr einer „Atomisierung“ besteht demnach nicht. Allerdings begibt sich die planende Gemeinde in Konstellationen kleinster Plangebiete auf unbekanntes und folglich unsicheres Terrain. Es ist nämlich fraglich, wann genau ein rechtfertigender Ausnahmetatbestand vom Grundsatz „Plangebiete umfassen mehrere Grundstücke“ vorliegt.
Es stellt sich immer die Frage, ob ein städtebauliches Gesamtkonzept vorliegt. Dies erscheint hier fraglich. Die Existenz eines Programmkinos wird im Ergebnis wohl eher singulären Charakter haben, der sich nicht konzeptuell auf städtebauliche (Gesamt-)Strukturen auswirkt. Zwar können kulturelle Einrichtungen ohne Weiteres auch Gegenstand städtebaulicher Planung sein. Hier steht jedoch weniger die Grundversorgung der Stadt mit dem Kulturgut Kino im Vordergrund, als vielmehr die Erhaltung eines ganz bestimmten Kinos. Diese Problematik ist so einzelfallbezogen, dass es mehr als fraglich ist, ob das Kriterium „städtebauliche Planung“ erfüllt wird.

c. Verbot der Verhinderungsplanung:
(1) Eine gemeindliche Planung ist dann unzulässig, wenn sie nicht dem planerischen Willen der Gemeinde entspricht und nur vorgeschoben ist, um eine andere Nutzung zu verhindern (BVerwG, NVwZ 1991, 875). Mit anderen Worten: Die Erforderlichkeit der Planung ist zu verneinen, wenn eine positive städtebauliche Zielsetzung lediglich vorgeschoben wird, um in Wahrheit andere als städtebauliche Ziele zu verfolgen (BVerwG, Beschluss v. 7.12.2015 – 4 BN 47/15). Zwar enthält eine Planung zwangsläufig immer auch eine negative Komponente und schließt demzufolge andere als die jeweils zugelassenen Nutzungen aus. Charakteristisch für eine unzulässige Verhinderungsplanung wäre es, wenn die Planung neben der negativen Komponente – „andere Nutzung als durch ein Kino ist unzulässig“ – keine weitere positive Komponente aufweist, in welcher sich eine gestalterische Absicht der Gemeinde ausdrückt (Dirnberger in Beck OK BauGB § 1 Rn. 38).
Dabei ist darauf hinzuweisen, dass „gestalterisch“ ein Mehr im Vergleich zum status quo verlangt. Eine Planung, die lediglich genau dasjenige aussagt, was bereits besteht, ist nicht „gestalterisch“ und überdies auch nicht „erforderlich“ im Sinne des § 1 III BauGB.
Weiterhin kommt es nicht auf die innere Motivlage der einzelnen Gemeinderatsmitgliedern an, zumal sich das wahre Motiv des jeweiligen Gremiums ohnehin kaum ermitteln lässt (Hornmann in Spannowsky/Uechtritz BauGB § 14 Rn. 48-49).
Als feste Größe im Diskurs um die Verhinderungsplanung lässt sich letztlich nur das Kriterium „für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich“ identifizieren.

(2) Unter Berücksichtigung der Umgebung der „Markstätte 22“ spricht hiernach bei einer Überplanung der „Markstätte 22“ als Sondergebiet für kulturelle Zwecke Einiges für eine unzulässige Verhinderungsplanung. Ein planerischer Wille der Stadt – etwa für mehr kulturelle Einrichtungen entlang der Markstätte – widerspräche dem Vorgehen, lediglich für die „Markstätte 22“ einen B-Plan nach § 11 BauNVO zu erlassen. Denn es ist von Seiten der Stadt derzeit erkennbar gewollt, dass die Markstätte von diversen Einzelhändlern besiedelt ist.
Auf der anderen Seite ist die kulturelle Erschließung der Altstadt von Konstanz vergleichsweise hoch, sodass sich unter diesem Gesichtspunkt kein übergeordneter städtebaulicher Grund ableiten lässt.
Dass das „Scala-Kino“ verglichen mit dem Kino „cinestar“ im Lago das künstlerisch hochwertigere Programm anbietet, muss bei der städtebaulich orientierten Planungsabsicht außer Betracht bleiben. Eine solche Differenzierung gründet nicht in den maßgeblichen Aspekten der städtebaulichen Entwicklung und Ordnung. Dazu auch unten in II.5.c. Nur solche Aspekte, wie sie in § 9 BauGB oder der BauNVO angelegt sind, können zum Gegenstand von Festsetzungen und damit auch von Planungszielen gemacht werden; der Katalog des § 9 BBauG ist grundsätzlich abschließend (Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB § 9 Rn. 2). Dann aber handelt es sich bei der Erwägung, ein hochwertiges Kino-Programm in der Altstadt „halten“ zu wollen, um einen im Sinne des Städtebaus nur vorgeschobenen Grund, welcher der Verhinderungsplanung immanent ist.

(3) Diese Rechtsauffassung wird bestätigt durch ein jüngst ergangenes Urteil des VG Augsburg vom 7.5. 2015 – Au 5 K 14.63. Das Verwaltungsgericht führt aus:
„Eine Veränderungssperre ist hingegen als Sicherungsmittel ungeeignet und damit unwirksam, wenn die beabsichtigte Bauleitplanung zwar im oben aufgezeigten Sinne schon hinreichend konkretisiert ist, sich jedoch das erkennbare Planungsziel im Wege planerischer Festsetzungen nicht erreichen lässt, oder wenn dieses der Förderung von Zielen dient, für deren Verwirklichung die Planungsinstrumente des Baugesetzbuches nicht bestimmt sind, oder wenn der beabsichtigte Bauleitplan schon jetzt erkennbar schlechterdings nicht behebbare rechtliche Mängel aufweist (vgl. BVerwG, B.v. 21.12.1993 – 4 NB 40.93 – NVwZ 1994, 685 ff.). Dies ist insbesondere der Fall, wenn ein Baugebiet mit einer bestimmten Feinsteuerung ausgewiesen werden soll, die Voraussetzungen für Ausschlüsse auf der Grundlage von § 1 Abs. 5 bzw. 9 BauNVO aber offensichtlich nicht vorliegen (vgl. Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: November 2014, § 14 Rn.57).
Insbesondere ist eine Veränderungssperre auch nicht geeignet, eine Planung zu sichern, die nicht durch städtebauliche Gründe gerechtfertigt ist. Eine Planung ist nur dann sicherungsfähig, wenn sie von städtebaulich zulässigen Zielen im Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB getragen wird. Zwar besitzen die Gemeinden nach § 1 Abs. 3 BauGB bei der Entscheidung, ob, in welchem Umfang und mit welchem Inhalt eine Planung betrieben wird, grundsätzlich ein weites planerisches Ermessen (BVerwG, Urt. v. 19.2.2002 – 4 CN 1.02 – DVBl 2003, 204 ff.). Aus dem Erforderlichkeitsmerkmal lässt sich zwar nicht ableiten, dass bauplanerische Festsetzungen nur zulässig sind, wenn sie zur Bewältigung einer bauplanungsrechtlichen Problemlage unentbehrlich oder gar zwingend geboten sind. Auch muss es sich nicht um eine besonders hochwertige Planungsvorstellung handeln. Andererseits reicht eine bloße Negativplanung, die sich darin erschöpft, einzelne Bauvorhaben auszuschließen, nicht aus (vgl. BVerwG, U.v. 19.2.2004 – 4 CN 16.03 – BVerwGE 120, 138 ff.; U.v. 30.8.2012 – 4 C 1.11 – ZfBR 2013, 42; B.v. 22.1.2013 – 4 BN 7/13 – juris Rn. 3). Sind positive Planungsvorstellungen von der Gemeinde nur vorgeschoben und ist in Wahrheit die Verhinderung einer Planung gewollt, so ist die beabsichtigte Bauleitplanung nicht erforderlich im Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB und rechtfertigt nicht den Erlass einer Veränderungssperre.“

(4) Verbot der Gefälligkeitsplanung:
Eine Gefälligkeitsplanung, welche nicht erforderlich im Sinne des § 1 III BauGB und folglich unzulässig ist, liegt dann vor, wenn die Gemeinde sich von nicht im Städtebaurecht wurzelnden Motiven leiten lässt (Dirnberger, Beck OK BauGB § 1 Rn. 39). Auch insoweit bestehen erhebliche Bedenken gegen den Erlass einer Veränderungssperre:
Einerseits ließe sich zwar durchaus anführen, dass ein Kino als kultureller Betrieb einen städtebaulichen Mehrwert aufweist. Andererseits ist die Altstadt von Konstanz cineastisch bereits erschlossen (cinestar) und die Frage nach der künstlerischen Wertigkeit eines Kinos lässt sich nicht mehr unter die Rubrik „städtebauliche Planung“ einordnen. Indizwirkung zur Bestimmung von städtebaulichen Faktoren kommen den Festsetzungsmöglichkeiten zu, welche sich aus dem BauGB ergeben, insb. § 9 BauGB oder der BauNVO. Kulturelle Belange werden dort zwar aufgegriffen, eine Differenzierung nach Hoch- oder Trivialkultur hat jedoch keinen Eingang in den städtebaulichen Festsetzungskatalog gefunden.

(5) Art. 3 I GG:
In die gerichtliche Kontrolle einer Abwägungsentscheidung im Rahmen eines B-Planes hinsichtlich der Festsetzungen finden über § 1 VII BauGB auch verfassungsrechtliche Wertungen Eingang, insbesondere Art. 3 I GG. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite befindet sich bereits heute ein weiterer Drogeriemarkt, ferner ist die gesamte Markstätte mit diversen Einzelhandelsbetrieben besiedelt. Folglich stellt sich die Frage, ob die durch den etwaigen B-Plan festzusetzende solitäre Nutzungsbeschränkung in der „Marktstätte 22“ eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen Vorhaben in der Nachbarschaft darstellt und ob dies möglicherweise auf einem sachlichen Grund basiert.
Eine Ungleichbehandlung zulasten des Eigentümers, dem die Vermietung an den Einzelhandel verwehrt ist, liegt erkennbar vor.
Die Dogmatik des Art. 3 I GG setzt bei sachbezogenen Ungleichbehandlungen die sog. „Willkürformel“ an, d.h. es muss einen sachlichen Grund geben, der die Ungleichbehandlung rechtfertigt (Kischel in Beck-OK GG Art. 3, Rn. 31). Hingegen gilt dem Grundsatz nach nur bei personenbezogenen Differenzierungen die der sogenannten „neuen Formel“ inhärente Verhältnismäßigkeitsprüfung.
Der sachliche Grund ist im Schutz eines künstlerisch wertvollen Programmkinos in der Altstadt zu suchen. Es ist jedoch nicht jeder sachliche Grund geeignet, die Hürde der „Willkür“ zu überspringen. Mit anderen Worten findet also dennoch eine Verhältnismäßigkeitsprüfung in abgeschwächter Form statt.
Was in diesem Sinne „sachfremd“ ist, lässt sich nicht abstrakt festlegen. Angesichts der Tatsache, dass der Eigentümer durch die planerische Entscheidung in seinen Grundrechten aus Art. 12 und 14 GG stark eingeschränkt wird, spricht einiges dafür, dass ein mit der Sache befasstes Verwaltungsgericht „Willkür“ annehmen könnte. Mögliche Begründungsansätze für eine durch B-Plan festgesetzte Ungleichbehandlung vermögen kaum, den Vorwurf einer willkürlichen Behandlung zu beseitigen. Der vielgepriesene und städtebaulich gewünschte Mix an Nutzungen in der Altstadt etwa lässt sich erkennbar durch weniger eingriffsintensivere Maßnahmen erreichen als die Nutzungsbeschränkung für Einzelhandel eines ganzen Grundstücks.

(6) Somit birgt auch Art. 3 I GG auf den vorliegenden Fall bezogen enormes Konfliktpotential. Insofern könnte eine zukünftige Planung schon wegen Verstoßes gegen Grundrechte (Art. 12 und Art. 14 GG) hinfällig werden.

d. Art.14 GG:
Gerade bei Festsetzungen über § 9 I Nr. 9 BauGB sind die Interessen des durch die Beschränkung belasteten Grundstückes besonders zu gewichten (Mitschang/Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB § 9 Rn. 54). Hiermit korrespondiert ohnehin der stets bei der Abwägungsentscheidung in § 1 VII BauGB zu berücksichtigende Art. 14 GG.
Die Eigentumsfreiheit genießt in der Rechtsordnung einen sehr hohen Stellenwert. Unter Berücksichtigung aller Umstände erscheint es nicht ausgeschlossen, dass im vorliegenden Fall eine kulturpolitische Entscheidung davon überwogen wird. Zwar räumt der Gesetzgeber auch der Kunstfreiheit sowie der Berufsfreiheit Verfassungsrang ein. Es bleibt dem Kinobetreiber jedoch unbenommen, seinen Betrieb an anderer Stelle fortzusetzen, während der Eigentümer sein Eigentum nicht kurzerhand „an einen anderen Ort verlagern“ kann.
Dieses Abwägungsergebnis ist natürlich nicht determiniert und auch vom jeweiligen Spruchkörper abhängig. Gleichwohl führt die vorstehend skizzierte Problematik zu einem erheblichen Risiko im Hinblick auf mögliche Schadenersatz- und/oder Entschädigungsansprüche des betroffenen Grundstückseigentümers.

Zwischenwertung:
Wie sich aus den Punkten a.-d. ergibt, ist die rechtliche Verwirklichungsfähigkeit von bauplanerischen Regelungen im fraglichen Quartier und deren Umsetzung in eine Veränderungssperre stark eingeschränkt, wenn nicht unmöglich. Angesichts dieser Bewertung muss davon ausgegangen werden, dass eine entsprechende Veränderungssperre mit erheblichen Risiken verbunden ist. Die Möglichkeit einer Verwirklichung der Planung darf mit anderen Worten in rechtlicher Hinsicht nicht allzu unwahrscheinlich sein. Wenn dies bereits offenkundig ist, wird angenommen, dass die Veränderungssperre unzulässig sei (Hornmann in Spannowsky/Uechtritz BauGB, § 14 Rn. 50).

e. Mangels Kenntnis über den Sachstand einer etwaigen Überplanung der „Markstätte 22“ sei vorsorglich darauf hingewiesen, dass eine nachträgliche Konkretisierung der Planung eine deshalb nichtige Veränderungssperre nicht zu heilen vermag (Hornmann in Spannowsky/Uechtritz BauGB, § 14 Rn. 54). Bereits im Zeitpunkt des Erlasses muss ein Mindestmaß an städtebaulich gerechtfertigter Planung vorhanden sein, um die Grundlage für eine rechtsverbindliche Veränderungssperre zu schaffen.

Zusammenfassung
Der Erlass einer Veränderungssperre zum Schutz des „Scala-Kinos“ würde für die Stadt Konstanz ein erhebliches Prozessrisiko bedeuten. Die „zu sichernde Planung“ wird bei späterer Realisierung einer gerichtlichen Überprüfung nach § 47 VwGO wohl nicht standhalten. Neben dem unnötigen Kostenaufwand zur Aufstellung eines B-Plans sowie der entsprechenden gerichtlichen Kostenentscheidung setzt sich die Stadt zudem der Gefahr staatshaftungsrechtlicher Inanspruchnahme aus. Vgl. dazu auch VI.
Der zweifellos durch den Erlass einer Veränderungssperre erzielte – wenn auch nur vorläufige – Zeitgewinn würde durch erhebliche finanzielle Belastungen erkauft werden müssen. Darüber hinaus würde die Glaubwürdigkeit der Stadt nach einem – voraussehbar – verlorenen verwaltungsgerichtlichen Prozess stark in Mitleidenschaft gezogen werden.

III. Zurückstellung von Baugesuchen gem. § 15 BauGB

1. § 15 BauGB ist ein eng mit der Veränderungssperre verwandtes Konstrukt. Im Unterschied zu derselben ist die Zurückstellung von Baugesuchen vorhabenbezogen und insofern das präzisere Mittel, wenn die gemeindliche Planung an einem konkreten Vorhaben Anstoß nimmt. Dennoch müssen ausweislich des Wortlautes der Norm auch hier diejenigen Voraussetzungen des § 14 BauGB erfüllt sein, sodass sich die unter II. beschriebene Problematik erneut stellt.

2. Ferner muss das Vorhaben, welches Gegenstand des Baugesuchs ist, die Planung der Gemeinde unmöglich machen oder wesentlich erschweren. Hieraus folgt abermals, dass bereits zum Zeitpunkt der Zurückstellung des Baugesuchs eine hinreichend konkretisierte Planung der Gemeinde zu fordern ist (vgl. Hornmann in Beck OK § 15 Rn. 15). Die Stadt Konstanz muss sich folglich auch hier – wie bei einer Veränderungssperre – die Frage stellen, welche Planungsabsicht durch das Vorhaben „Umnutzung der Markstätte 22“ vereitelt wird.

3. Vorteilhaft für die plangebende Gemeinde ist allenfalls, dass bei einer Zurückstellung eines Baugesuches lediglich die Voraussetzungen des § 14 BauGB „sachlich“ erfüllt sein müssen. Zum Wirksamwerden ist nicht – wie § 16 BauGB für die Veränderungssperre statuiert – eine rechtsverbindliche Satzung erforderlich. Somit kann diejenige Zeit überbrückt werden, welche durch die formellen Voraussetzungen der Veränderungssperre von Nöten ist (Mitschang in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB § 15 Rn.1). Bei der Zurückstellung eines Baugesuchs nach § 15 BauGB handelt es sich um einen bloßen Verwaltungsakt. Demgemäß ist es nur konsequent, dass in zeitlicher Hinsicht die Zurückstellung nur 12 Monate gilt, während die Veränderungssperre für einen längeren Zeitraum ihre Sperrwirkung entfalten kann.

4. Die Entscheidung über das Zurückstellungsgesuch der Gemeinde trifft letztlich die Baugenehmigungsbehörde. Bei Vorliegen aller formeller und materieller Voraussetzungen obliegt der Baugenehmigungsbehörde indes kein Ermessen (Hornmann, Beck OK BauGB § 15 Rn.22).

5. Zusammenfassung
Ebenso wie bei der bereits dargestellt Veränderungssperre bestehen auch hier die genannten Risiken fort: Die „zu sichernde Planung“ setzt sich bei ihrer Realisierung den Gefahren einer erfolgreichen Normkontrolle nach § 47 VwGO aus – mit unnötigem Kostenaufwand für die Stadt. Zumindest aber entstünde auch hier für die Gemeinde ein Zeitgewinn von 12 Monaten, währenddessen der status quo aufrechterhalten werden kann (Zu den Risiken auch hier vgl. VI.).

IV. Aufstellung eines B-Plans

1. Als weiteres Instrumentarium zur städtebaulichen Steuerung hat der Gesetzgeber der Gemeinde in § 10 I BauGB das Recht zur Hand gegeben, Bauleitpläne aufzustellen. Das Gebiet der Marktstätte 22 liegt bislang im unbeplanten Innenbereich. Korrespondierend hierzu wird auf II. verweisen, wo bereits erörtert wurde, welche Gebietstypen in Betracht kommen und welche Gefahren eine Aufstellung eines B-Planes nach sich zieht. Langfristig ist ein B-Plan selbstredend die sicherste Maßnahme einer Gemeinde, Vorhaben steuern zu können. Jedoch ist das Verfahren, welches einem rechtsverbindlichen B-Plan vorangeht, vergleichsweise langwierig.

2. Zusammenfassung
Kurzfristig lässt sich aufgrund der hohen Zeitinanspruchnahme durch die Aufstellung eines B-Planes kein Schutz zugunsten des Scala-Kinos erreichen, sodass – wenn überhaupt – ein Vorgehen nach § 14 oder § 15 BauGB ins Auge gefasst werden sollte.

V. Erhaltungssatzung nach § 172 BauGB

1. Die Erhaltungssatzung nach § 172 I 1 Nr.1 BauGB gibt der Gemeinde ein Instrumentarium an die Hand, welches auch als „städtebauliches Denkmalschutzrecht“ umschrieben wird (Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB § 172 Rn.27). Die Erhaltung baulicher Anlagen wird wegen ihres Eigenwertes für die städtebauliche Eigenart eines Gebietes bezweckt. In einem Erhaltungsgebiet unterliegen alle Vorhaben einem Genehmigungsvorbehalt, auch und gerade solche, die eine Nutzungsänderung zum Gegenstand haben (Mitschang in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB § 172 Rn. 2, 8). Zu den Voraussetzungen des Erhaltungsgebietes sodann unter V.2.ff.
Die Erhaltungssatzung nach § 172 BauGB ist in erster Linie darauf ausgerichtet, die Bewohner selbst zu schützen. Deshalb legt sie den Fokus auf wohnungsbauliche Anliegen. Der vorliegend verfolgte Schutzzweck ist nicht Gegenstand einer Erhaltungssatzung, sodass sie auf den vorliegenden Fall bezogen nicht einschlägig ist (Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB § 172 Rn.28).

2. Das entsprechende Gebiet muss nach § 172 I 1 Nr.1 i.V.m. III BauGB das Ortsbild, die Stadtgestalt oder das Landschaftsbild prägen (3.) oder sonst von städtebaulicher, insbesondere geschichtlicher oder künstlerischer Bedeutung (4.) sein.

3. Die prägende Kraft der baulichen Anlage für Stadtgestalt oder Ortsbild setzt voraus, dass die im Gebiet der Erhaltungssatzung gegenständliche bauliche Anlage selbst die städtebauliche Gestalt prägt (Stock, Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB § 172 Rn.31). Entgegen der vorliegenden Fallkonstellation kommt es bei der Erhaltungssatzung gerade nicht auf die Nutzung an, sondern auf die äußere Bausubstanz.

4. Die in § 172 III BauGB angesprochene „geschichtliche oder künstlerische Bedeutung“ entfaltet über die bauliche Substanz hinaus keine Regelungswirkung. Zunächst ist festzuhalten, dass in Abgrenzung zum Denkmalschutzrecht (siehe VI.) hier das Augenmerk auf städtebaulichen Belangen liegt, d.h. eine etwaige Historizität oder ein Erinnerungswert eines Gebäudes alleine genügt nicht (Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB § 172 Rn.36). Im Folgenden wird daher erörtert, ob sich die Nutzung als Kino in der Markstätte 22 unter „sonst von städtebaulicher, insbesondere geschichtlicher oder künstlerischer Bedeutung“ subsumieren lässt.

a. Die sich im Bereich der Erhaltungssatzung befindliche Anlage muss grundsätzlich zur städtebaulichen Gestalt in dem Sinne beitragen, dass die städtebauliche Eigenart gerade erst entsteht (Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB § 172 Rn.36). Mit anderen Worten: „Ein geschichtlich oder künstlerisch bedeutsames Gebäude muss wenigstens dadurch städtebauliche Bedeutung haben, dass es zu einem Straßenzug gehört, der insgesamt zB eine bestimmte geschichtliche oder künstlerische Epoche verkörpert und als solche städtebaulich-funktional eingeordnet im Gesamtgefüge des Stadtteils oder der Stadt erhalten bleiben soll“ (Stock, a.a.O.)
Auf den Fall bezogen ist danach festzuhalten, dass das scala-Kino in seiner spezifischen Nutzung nicht vom Regelungszweck des § 172 I 1 Nr.1 BauGB umfasst ist. Denn die Kino-Nutzung ist keineswegs derart prägend für das Umfeld, dass es etwa für die Eigenart der Konstanzer Altstadt maßgebend wäre. Und noch viel weniger gilt dies für die äußere Bausubstanz des scala-Kinos, die sich quasi als „Neubau“ in ein historisches Ensemble einfügt.

b. Die sich im Bereich der Erhaltungssatzung befindliche Anlage wäre dann erhaltenswert, wenn sie für das Umfeld prägend ist, weil sie die Umgebung städtebaulich nicht nur unwesentlich mitgestaltet (Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB § 172 Rn.36). Diese Voraussetzungen erfüllt das scala-Kino nicht, da es an der prägenden Wirkung des Gebäudes selbst für das Umfeld fehlt.

c. Eine sonstige städtebauliche Bedeutung könnte insoweit entstehen, als damit dem „Milieuschutz“ Rechnung getragen wird (Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB § 172 Rn.37). Daher sollen auch solche Bauten erhalten werden, die vielleicht nur geringe geschichtliche oder künstlerische Bedeutung haben, die aber wesentlich dazu beitragen, dass ein Ort abwechslungsreich, lebendig und wohnlich wirkt, ein eigenes, unverwechselbares Gesicht hat und seinen Bewohnern das Gefühl gibt, dort heimisch zu sein. Derartige Bauten haben städtebauliche Bedeutung insofern, als ihre Erhaltung eine Humanisierung des Städtebaus bewirkt. Um die vorliegende Fallkonstellation richtig unter die Norm zu subsumieren, stellt sich zunächst die Frage, welches „Milieu“ entlang der Marktstätte vorherrscht. Nur anhand dieser Festlegung lassen sich dann in einem zweiten Schritt Aussagen darüber treffen, ob mögliche Veränderung des ggf. schützenswerten Gebiets das „unverwechselbare Milieu“ tatsächlich tangieren. Die Markstätte, insbesondere die nähere Umgebung der Hausnummer 22, ist durch gemischte Nutzungen geprägt. Neben diversen Einzelhändlern befinden sich auch Cafés und Gastronomie sowie einige Galerien in der unmittelbaren Nachbarschaft. Das Milieu ist aber nicht mit einer „Kulturmeile“ zu vergleichen. Auch ohne das scala-Kino würde sich das Milieu entlang der Markstätte nicht verändern. Stark vorherrschend sind (Einzel-) Handel, gastronomische Betriebe und Dienstleistungsunternehmen (Post, Sparkasse). In diesem Nutzung-Mix spielt das Kino nur eine untergeordnete, keineswegs prägende Rolle.

d. Somit lässt sich festhalten, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit auch über eine Erhaltungssatzung gemäß § 172 I 1 Nr.1 BauGB die Nutzung als Kino in der „Markstätte 22“ nicht gesichert werden kann.

VI. Denkmalschutzrecht

1. In Betracht kommt ferner, dass das Kino als Gebäude oder sogar die Nutzung des Kinos selbst als Kulturdenkmal im Sinne des § 2 I DSchG (Denkmalschutzgesetz) zu würdigen ist. Dies hätte zur Folge, dass den Eigentümern und Besitzern eine Erhaltungspflicht nach § 6 DSchG obliegt und darüber hinaus jegliche Veränderung nur mit Genehmigung der Denkmalschutzbehörde erfolgen darf, vgl. § 8 DSchG.
Bereits heute befindet sich die „Marktstätte 22“ in einem Gebiet nach § 19 DSchG, d.h. innerhalb der denkmalgeschützten Gesamtanlage „Altstadt Konstanz“. Schutzgut ist insofern allerdings (nur) das Bild der Gesamtanlage, vgl. § 19 II DSchG. Darauf nimmt eine Nutzungsänderung innerhalb des Gebäudes keinen spürbaren Einfluss.

2. Zu fragen bleibt, ob das scala-Kino als ein solitäres „Kulturdenkmal“ zu qualifizieren ist.
Der Kulturdenkmalbegriff ist ein unbestimmter Rechtsbegriff und damit der vollständigen gerichtlichen Kontrolle unterzogen. Die Rechtsprechung hat Kriterien entwickelt, um den Begriff näher zu umgrenzen (etwa unlängst VG Leipzig, Urt. v. 16.4.2014 – 4 K 70/11). Demnach müssen folgende Eigenschaften vorliegen:
• Sacheigenschaft,
• Denkmalfähigkeit und
• Denkmalwürdigkeit.

Hieraus folgt zunächst, dass die bloße Nutzung mangels Sacheigenschaft nicht unter den Kulturdenkmalsbegriff fallen kann.
Fraglich bleibt dennoch, wie es sich bei dem Gebäude und ggf. Gebäudeteilen verhält.
a. Das Gebäude wurde in den Jahren 1936/37 errichtet, nachdem zuvor ein aus dem Mittelalter stammendes Wohngebäude bis auf die Brandmauern abgerissen wurde. Die Außenfassade zur Markstätte ist von prägendem Charakter. Ob das bestehende Gebäude an sich als Kulturdenkmal zu qualifizieren ist, kann jedoch für die vorliegende Problematik unentschieden bleiben: Auch in denkmalgeschützten Anwesen ist die Nutzung als Einzelhandelskaufhaus möglich.
b. Entscheidend ist vielmehr, ob neben der statischen Bausubstanz innerhalb des Gebäudes auch für das Kino charakteristische Bauteile den Tatbestand des Kulturdenkmals erfüllen. Dann wiederum wäre eine andere Nutzung als eine solche des Kinos kaum möglich.
Das zentral im Foyer gelegene Wandkunstwerk lässt sich innerhalb der Gesamtanlage zwar als erhaltenswert führen, so die Expertise der unteren und höheren Denkmalschutzbehörden. Ausweislich der Expertise des Regierungspräsidiums/Landesamt für Denkmalpflege sind aber die für ein Kino charakteristischen Bauteile wie etwa die Bühne, Leinwand, Kinotechnik o.ä. nicht von hinreichender Originalität (Anlage 1). Dies liegt nicht zuletzt daran, dass das Scala-Kino seit der Eröffnung 1938 mehrfach umgebaut wurde. So teilte man etwa den ursprünglichen Kinosaal in mehrere kleine Säle. c. Nach der überzeugenden Expertise der Unteren Denkmalschutzbehörde vom 12.2.2016, die durch das Landesamt für Denkmalpflege unter dem 15.2.2016 bestätigt wurde, sind – allenfalls – die Außenfassade und das im Foyer befindliche Kunstwerk erhaltenswert. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass das infrage stehende „Kunstwerk“ derzeit verborgen ist. Es bestehen gewisse Zweifel, ob es überhaupt noch unbeschädigt aufgefunden und gesichert werden kann. Der Schutz dieser „Objekte“ wird durch den beabsichtigten Umbau zu einem Drogeriemarkt jedenfalls nicht tangiert. Das Denkmalschutzrecht ist folglich kein geeignetes Vehikel, um eine dauerhafte cineastische Nutzung zu sichern.

VII. Fallbeispiel aus der Rechtsprechung (1)

1. Fall „Metropol-Kino“ in Bonn
Mit einer ähnlich gelagerten Fallkonstellation hatte sich vor einigen Jahren auch die Gerichtspraxis in Nordrhein-Westfalen auseinanderzusetzen.

a) Sachverhalt
Ein in den 1920er Jahren errichtetes Filmtheater in Bonn, welches unter Denkmalschutz stand, wurde veräußert. Dem neuen Investor war nicht an einer cineastischen Nachnutzung gelegen, sodass er die Aberkennung der Eigenschaft als Kulturdenkmal beantragte. Dies wurde ihm zunächst behördlich verwehrt, erst in der zweiten verwaltungsgerichtlichen Instanz wurde seinem Begehren durch Urteil des OVG Münster entsprochen (OVG Münster, Urt. v. 26.8.2008 – 10 A 3250/07). Die Urteilsgründe nahmen maßgeblich darauf Bezug, dass die Denkmalseigenschaft zwar ursprünglich vorgelegen habe, aber durch diverse Baumaßnahmen hinfällig geworden sei. Daraufhin verklagte der Kläger das Land NRW auf Entschädigung, da bis zur rechtmäßigen Aberkennung der Investor das Grundstück nicht gewerblich nutzen konnte. Auch hier wurde der Klage des Investors durch das LG Bonn sowie in der Berufungsinstanz bestätigend durch das OLG Köln dem Grunde nach entsprochen (OLG Köln, Urt. v. 8.11.2012 – I-7 U 213/11, 7 U 213/11). Anspruchsgrundlage war ein sogenannter Anspruch aus „enteignungsgleichem Eingriff“. Erforderlich hierfür ist ausdrücklich kein Verschulden der Behörde, es handelt sich vielmehr um eine verschuldensunabhängige Rechtswidrigkeitshaftung des Staates für Eigentumsbeeinträchtigungen (Axer in Beck OK GG Art.14 Rn.135). Bedingung ist lediglich, dass der Betroffene sich zunächst an den „Primärrechtsschutz“ gehalten hat, was hier der Fall war.
Derzeit noch anhängig ist das Verfahren über die Höhe der zu leistenden Entschädigung. Eingeklagt hat der Eigentümer einem Betrag von ca. 2,5 Millionen €. Eine rechtskräftige Entscheidung ist noch nicht gefallen. Anzumerken ist, dass sich die Entschädigungshöhe nicht an der Berechnungsmethode für Schadensersatz, sondern an den allgemeinen Grundsätzen der Enteignungsentschädigung nach Art.14 GG orientiert.

b) Fallbezug
Bezugnehmend auf diese jüngere Rechtsprechung ist auch die Stadt Konstanz gut beraten, keine voreiligen Maßnahmen zu treffen, um eine bestimmte Nutzung auf rechtlich unsicherer Grundlage auszuschließen. Schließlich steht die Zuerkennung einer Eigenschaft als Kulturdenkmal spiegelbildlich zur Weigerung einer Aberkennung. Die Urteile zeigen aber auch, dass die Wertigkeit im Sinne des Denkmalschutzrechts dynamisch ist und durch allzu pragmatische Baumaßnahmen negativ geprägt wird. Im Lichte dieser Rechtsfortbildung erschwert sich eine etwaige denkmalrechtliche Unterschutzstellung kinotypischer Bauteile im Falle des scala-Kinos abermals. Ferner wurde deutlich, dass in denkmalgeschützten Gesamtensembles das Zusammenwirken einzelner Aspekte maßgeblich ist und durch Wegfall einzelner Teile die gesamte Eigenschaft als Kulturdenkmal hinfällig werden kann. Demgemäß begründen einzelne Bauteile von besonderer Originalität noch kein Kulturdenkmal eines Anwesens als solchem. Zuletzt sind die Urteile auch als Warnhinweise zu lesen, dass Nutzungsbeschränkungen mit besonderer Eingriffsintensität in die grundrechtlich geschützte Berufsfreiheit schnell zu kostspieligen Entschädigungszahlungen führen können.

2. Ausschluss SB-Handel in Stadtallendorf
Einschlägig erscheint auf den ersten Blick auch ein Urteil des VGH Kassel, wonach in einem Kerngebiet durch B-Plan mittels Festsetzung nach § 9 I BauGB (dazu siehe oben II.4.) großflächiger SB-Handel ausgeschlossen werden kann, ohne dass dies zugleich automatisch gegen § 1 III BauGB verstößt (VGH Kassel, Urt. v. 04.12.2003 – 3 N 2463/01). Die planende Gemeinde bezweckte dort, das „Herzstück“ ihrer Altstadt dem Facheinzelhandel vorzubehalten, da eine „ausgewogene Branchenstruktur“ gefährdet sei.

Allerdings unterscheidet sich die Fallkonstellation in mehrerlei Hinsicht von der hiesigen, sodass eine entsprechende Vorgehensweise mit hohem Risiko für etwaige Entschädigungszahlungen verbunden ist.

1. Der Ausschluss von großflächigem SB-Handel betraf das ganze Plangebiet, welches eine Vielzahl an Grundstücken umfasste – und nicht nur das Grundstück der Antragstellerin. Nur deshalb sei, so das Gericht, im dortigen Fall eine Verhinderungsplanung (s.o.) zu verneinen. Auf die Konstanzer Sachlage übertragen würde dies bedeuten, dass die Stadt weite Teile der Markstätte überplanen und überall dort großflächigen SB-Handel ausschließen müsste. Nur so wären die Fallgestaltungen vergleichbar und eine unzulässige Verhinderungsplanung/Einzelfallplanung ausgeschlossen.

2. Dass die dort handelnde Gemeinde Stadtallendorf einen derart weitgehenden Schritt tun konnte, lässt sich nicht zuletzt auch auf die Größe der Stadt zurückführen. Stadtallendorf in Hessen hat gerade einmal 20.000 Einwohner, sodass eine ganz andere Innenstadtstruktur gegeben war.

3. Ferner bejahte das Gericht seinerzeit eine planerische Absicht der Gemeinde dergestalt, die Innenstadt von Stadtallendorf attraktiver machen zu wollen, d. h. den status quo zu überschreiten. Eine solche positive, auf „Verbesserung“ ausgerichtete städtebauliche Konzeption verfolgt die Stadt Konstanz im vorliegenden Fall nicht. Vielmehr kann es vorliegend nur um die Erhaltung der aktuellen Situation gehen.

4. Zuletzt wurde das Vorgehen der Gemeinde, die Innenstadt attraktiver machen zu wollen, damit gerechtfertigt, dass hiermit Fehlentwicklungen in der Zeit rasanten Wachstums nach dem Zweiten Weltkrieg behoben werden sollten. Eine vergleichbare Ausgangslage ist vorliegend für die Innenstadt von Konstanz nicht ersichtlich. Die Attraktivität der Innenstadt steht außer Zweifel.
Somit wäre ein analoges Vorgehen zur Planung der Stadt Stadtallendorf kaum tragfähig und der Stadt Konstanz nicht zu raten.

VIII. Abschließende Bewertung

Unter Berücksichtigung aller rechtlichen Möglichkeiten kann der Stadt Konstanz nicht empfohlen werden, von städtebaulichen Maßnahmen zur Sicherung der derzeitigen Nutzung des scala-Kinos Gebrauch zu machen. Wie vorstehend ausgeführt, sind die grundsätzlich zur Verfügung stehenden städtebaulichen und denkmalschutzrechtlichen Instrumentarien in der vorliegenden Fallkonstellation nicht mit ausreichender Sicherheit in der Weise einsetzbar, dass der status quo – Kinonutzung – gewahrt bleibt und die Nutzungsänderung in einen Drogeriemarkt abgesprochen werden kann. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Stadt Konstanz im Fall der Verweigerung der beantragten Genehmigung zur Nutzungsänderung in einen Drogeriemarkt rechtmäßig handelt, ist deutlich geringer als das Risiko, dass eine solche Vorgehensweise als rechtswidrig und damit als enteignungsgleicher Eingriff qualifiziert wird. Es spricht vieles dafür, dass die Ablehnung des Antrags auf Nutzungsänderung als rechtswidrigen Eingriff in das Grundeigentum und daher als Verletzung des Art. 14 Grundgesetz gewertet wird, mit der Folge, hohe Entschädigungszahlungen wegen eines enteignungsgleichen Eingriffs leisten zu müssen.

Prof. Dr. Mathias Preussner
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht


Stellungnahme zu der „Rechtlichen Stellungnahme zur bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit eines Aufstellungsbeschlusses für einen Bebauungsplan und einer Veränderungssperre für den Bereich „Marktstätte“ in Konstanz“ vom 16.3.2016, Autor: Dr. Wolfram Hertel, Berlin

von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht Prof. Dr. Mathias Preussner, Konstanz

I.

Die infrage stehende „Rechtliche Stellungnahme“ beschäftigt sich mit dem Anliegen der Bürgerinitiative „Rettet das Scala!“, eine Festschreibung der Nutzung im Gebäude des Scala-Kinos zu erreichen und damit den Erhalt des Kinos sicherzustellen.

Der Autor Dr. Hertel schildert die bauplanungsrechtlichen Instrumentarien, mit denen verhindert werden kann, dass das bestehende Kino „Scala“ in eine andere baurechtlich zulässige Nutzung umgewandelt wird. Dabei beschränkt sich der Autor auf eine theoretische Darstellung der rechtlichen Instrumente und ihrer Voraussetzungen.

Dem bauplanungsrechtlichen Rahmen und die daraus folgenden Instrumente zur Sicherung der Planung für den zukünftigen Planungsbereich widmet sich die Stellungnahme unter B.I. Die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Veränderungssperre i.S.d. § 14 Absatz 1 BauGB und des dazu erforderlichen Aufstellungsbeschlusses werden auf den Seiten 2 ff. abgebildet. Die wesentlichen Aussagen sind hierzu (vgl. Seite 3-4):

  • Die Veränderungssperre muss zur Sicherung der Planung erforderlich sein, so dass der künftige Planinhalt zumindest in einem Mindestmaß erkennbar ist.
  • Eine „vorgeschobene Veränderungssperre“, die ausschließlich dem Zweck dient, Zeit zu gewinnen, ohne dass ernsthafte Planungsabsicht bestünde, ist daher unzulässig.
  • Es kommt darauf an, ob die Planung überhaupt auf ein Ziel gerichtet ist, das im konkreten Fall mit den Mitteln der Bauleitplanung zulässigerweise erreicht werden kann.

Sodann wendet sich die Stellungnahme der Frage zu, ob die Nutzung des Gebäudes an der Marktstätte 22 in Konstanz als Kino bauplanungsrechtlich festgeschrieben werden kann. Auch hier beschränken sich die Aussagen auf eine Wiedergabe der rechtstheoretischen Grundsätze. Es wird festgestellt, dass folgende Kriterien erfüllt sein müssen, um die Grundvoraussetzung einer rechtmäßigen Bauleitplanung zu erfüllen:

  • Ein Bebauungsplan muss gem. § 1 Abs. 3 BauGB für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich Er ist dann nicht erforderlich, wenn es sich um eine reine Verhinderungsplanung handelt. Das ist dann der Fall, wenn die Gemeinde mit der Aufstellung des Bebauungsplans lediglich ein Vorhaben verhindern, allerdings keine positiven Planungsvorstellungen verwirklichen will. Maßgeblich ist, dass der Bebauungsplan dem tatsächlichen Willen der Planungsträgerin (gerichtet auf positive Planvorstellungen) entspricht und nicht nur vorgeschoben ist, um eine bestimmte Nutzung zu verhindern.
  • Es ist zu berücksichtigen, dass die Festschreibung einer einzigen zulässigen Nutzungsart für die fraglichen Grundstücke bzw. Geschosse einen intensiven Eingriff in das durch Art. 14 Abs. 1 GG garantierte Eigentumsgrundrecht der Grundstückseigentümer bedeutet. Umso schwerer muss in solchen Fällen der öffentliche Belang, also das städtebauliche Interesse an der Nutzungsgliederung wiegen. Erforderlich sind im hier maßgebenden Fall konkrete und durch wirtschaftliche Untersuchungen untersetzte Überlegungen über die Zukunft eines Kinobetriebs an der Stelle des heutigen Kinos „Scala“.
  • Es spricht vieles dafür, dass einer isolierten Beplanung lediglich eines Grundstücks, oder eines sehr eng umfassten Grundstücksumgriffs der Vorwurf entgegengehalten werden könnte, dass einer solch kleinteiligen Überplanung keine städtebauliche Rechtfertigung zukommt.
  • Es erscheint zweifelhaft, dass der Ausschluss des Einzelhandels oder bestimmter Einzelhandelssortimente im Bereich der Marktstätte für die Erhaltung oder Entwicklung dieses oder eines anderen zentralen Versorgungsbereichs erforderlich ist.

II.

Im Ganzen weicht die „Rechtliche Stellungnahme“ nicht von der Bewertung des Unterzeichners ab, die er in seinem Gutachten vom 16.3.2016 vorgenommen hat. Die zentralen Aussagen Dr. Hertels decken sich mit den vorgenannten Ausführungen des Unterzeichners.

Würdigt man die vorstehenden Kriterien im Kontext zu der konkreten städtebaulichen Situation an der „Marktstätte“, so wird deutlich, dass die in der Stellungnahme aufgeführten Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Einsatz der bauplanungsrechtlichen Instrumentarien zur Sicherung der bestehenden Nutzung „Scala-Kino“ mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht erfüllt sind. Dies gilt auch im Hinblick auf die Möglichkeit einer Überplanung der gesamten Umgebung der Marktstätte und nicht nur für eine Überplanung des Einzelgrundstückes „Marktstätte 22“.

III.

Die „Rechtliche Stellungnahme“ blendet bedauerlicherweise einen zentralen Aspekt der Diskussion aus. An keiner Stelle beschäftigt sich der Autor Dr. Hertel mit der Frage, welche Rechtsfolgen mit dem Erlass der von ihm diskutierten Veränderungssperre verbunden sind, wenn sich diese im Zuge einer verwaltungsgerichtlichen Überprüfung als rechtswidrig herausstellt. Damit vermeidet die „Rechtliche Stellungnahme“ jegliche Risikobewertung. Vielmehr vermittelt sie den Eindruck, dass der Erlass einer rechtswidrigen Veränderungssperre für die Stadt Konstanz folgenlos bleiben würde.

Tatsächlich ist der Erlass einer Veränderungssperre mit einem erheblichen Risiko verbunden. Stellt sich nämlich heraus, dass die Veränderungssperre rechtswidrig erlassen wurde, so können daraus erhebliche Ansprüche des geschädigten Grundstückseigentümers zum einen wegen eines enteignungsgleichen Eingriffs und zum anderen wegen Amtspflichtverletzung nach § 839 BGB folgen. Die Rechtsprechung hat vielfach entschieden, dass der Grundstückseigentümer, der in der (wirtschaftlichen) Nutzung seines Eigentums durch den Erlass einer rechtswidrigen Veränderungssperre eingeschränkt wird, Entschädigung bzw. Schadensersatz für die ihm daraus entstandenen Vermögensnachteile verlangen kann.

Eine Auswahl aus Rechtsprechung und Literatur:

  • „Denn wie der erkennende Senat bereits entschieden hat, kommt ein auf Art. 14 GG fußender Anspruch wegen enteignungsgleichen Eingriffs in Betracht, wenn in das Eigentum durch eine Veränderungssperre eingegriffen wird, der die in § 14 BBauG bestimmten Voraussetzungen fehlen und die darum an einem rechtlichen Mangel leidet.“[1]
  • „Es ist anerkannt, dass die rechtswidrige Ablehnung eines Baugesuchs bzw. eines Antrags auf Genehmigung einer Nutzungsänderung eine Amtspflichtverletzung darstellen kann (Senat, NVwZ 1992, Seite 1119).“[2]
  • Der Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff ist auf eine „angemessene Entschädigung” gerichtet, während der Amtshaftungsanspruch den vollen Schaden erfasst. Die durch die Versagung der Baugenehmigung vereitelte Chance, durch die Verwertung der fertigzustellenden Wohnungen höhere Erlöse zu erzielen als später, ist dem Bereich des entgangenen Gewinns zuzuordnen.[3]
  • „Wegen des enteignungsgleichen Eingriffs, der durch die rechtswidrige und als Rechtssatz damit nichtige, aber faktisch wirkende Veränderungssperre ausgelöst worden ist, kann der in fühlbarer Weise Betroffene Entschädigung verlangen, wenn er willens und in der Lage war, das betroffene Grundstück während der Zeit der Sperre zulässigerweise zu bebauen oder wenn er es durch Veräußerung einer baulichen Nutzung hätte zuführen wollen und können.“[4]
  • „Entschädigung ist nach diesen Grundsätzen auch für rechtswidrige Veränderungssperren zu gewähren, wobei zwischen den Gründen der Unwirksamkeit der Veränderungssperre zu unterscheiden ist. Erweist sich eine Veränderungssperre aus materiellen oder inhaltlichen Gründen als rechtswidrig, so beginnt der entschädigungspflichtige Zeitraum bereits mit Erlass der Veränderungssperre.“[5]

Wer unter den gegebenen Voraussetzungen einen Aufstellungsbeschluss für den Erlass eines Bebauungsplanes im Bereich der „Marktstätte“ und darauf gestützt den Satzungsbeschluss für eine Veränderungssperre fordert, unterwirft die Stadt Konstanz dem Risiko, nach Feststellung der Rechtswidrigkeit der Veränderungssperre mit Entschädigungsansprüchen wegen enteignungsgleichem Eingriffs oder gar Schadenersatzansprüchen wegen Amtspflichtverletzung des an der rechtmäßigen Nutzung der Immobilie Marktstätte 22 gehinderten Grundstückseigentümers konfrontiert zu werden. Eine Risikoabwägung lässt es als gerechtfertigt erscheinen, dass sich die Stadt Konstanz einer solchen Gefahr der Inanspruchnahme auf Entschädigung oder Schadensersatz nicht aussetzt. Die Entscheidung, wie sich die Stadt Konstanz verhalten will, liegt dabei in der Hand des Gemeinderates.

Prof. Dr. Mathias Preussner
Rechtsanwalt
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[1] BGH, Urteil vom 14. 12. 1978 – III ZR 77/76.
[2] BGH, Urteil vom 17-03-1994 – III ZR 27/93.
[3] BGH, Urteil vom 30. 11. 2006 – III ZR 352/04.
[4] Battis in Battis/Krautzberger/Löhr, § 18 BauGB, Rn. 4.
[5] Stüer, Bau- und Fachplanungsrecht, 5. Auflage 2015, Rn. 1846.