Gutachter mit dünner Haut
Um den Singenern mit ihrem geplanten Einkaufszentrum ECE den Zahn zu ziehen, wurden von der Stadt Konstanz auch zwei Gutachter bemüht. Ihre Erkenntnisse trugen sie im Wirtschaftsausschuss vor. Auf kritische Anmerkungen aus dem Gremium reagierten die Herren höchst aufgeregt. Die Linke Liste sprach u. a. von „Auftragsheuchelei“. Unerhört fanden das die Gutachter und fühlten sich in ihrer Ehre gekränkt. Hier im Wortlaut der im Protokoll vermerkte Disput:
Herr Dr. Acocella (Büro Acocella) und Herr Prof. Dr. Sparwasser (RA-Büro Sparwasser & Heilshorn) möchten wissen, was mit dem Vorwurf der Auftragsheuchelei gemeint sei.
Herr StR Reile (LLK) geht davon aus, dass die Argumente in dem Gutachten im Sinne der Stadt formuliert würden, die dieses Gutachten auch gut bezahle.
Herr Prof. Dr. Sparwasser (RA-Büro Sparwasser & Heilshorn) möchte wissen, ob sich dieser Vorwurf auch auf ihn beziehe.
Herr StR Reile (LLK) antwortet, er habe nicht von ihm gesprochen.
Herr Dr. Acocella (Büro Acocella) fragt, ob ihm mit dem Vorwurf der Auftragsheuchelei unterstellt werde, dass er das schreibe, was sein Auftraggeber, die Stadt, gerne hören wolle, und er das auch hier vortrage.
Herr StR Reile (LLK) erwidert, das halte er nicht für ausgeschlossen und durchaus üblich.
Herr Dr. Acocella (Büro Acocella) fragt wiederholt, ob sich dieser Vorwurf auf ihn selbst beziehe.
Herr StR Reile (LLK) gibt zur Antwort, er gehe davon aus, dass er (Herr Dr. Acocella) im Sinne seines Auftraggebers handle.
Herr Prof. Dr. Sparwasser (RA-Büro Sparwasser & Heilshorn) wirft ein, im Sinne des Auftraggebers handle auch er. Er stellt die Frage, ob das bedeute, dass Herr Dr. Acocella (Büro Acocella) damit nicht unabhängig arbeite und ein bestelltes Gutachten schreibe.
Herr StR Reile (LLK) entgegnet, er gehe davon aus, dass ein Auftraggeber erwarte, dass ein von ihm beauftragtes Gutachten in seinem Sinne formuliert werde. Dass diese Aussage eine Unterstellung sei, müsse erst einmal belegt werden.
Herr OB Burchardt betont, „Auftragsheuchelei“ sei ein schwerer Vorwurf und dagegen müsse man sich auch wehren dürfen.
Herr Prof. Dr. Sparwasser (RA-Büro Sparwasser & Heilshorn) bezieht den Vorwurf auch auf sich, da er zu einem dezidierten Ergebnis gekommen sei, das zu 100% mit dem von Herrn Dr. Acocella (Büro Acocella) übereinstimme. Auf den Einwurf von Herrn StR Reile (LLK), er sei dünnhäutig, entgegnet er, er wolle nur seine Ehre verteidigen.
Anm. d. Redaktion: Ehre, wem Ehre gebührt.
Nun, Peter Magulski, bei „Glyphosat“, wie bei anderen fragwürdigen Stoffen – gerade in der Landwirtschaft – , sind sich Experten leider wiedermal nicht einig. Dass Monsanto diese Gelegenheit nutzt, um auf die „unbedenkliche Seite“ hinzuweisen, verwundert nicht. Wir sind doch alle irgendwie „Lobby“! Die Frage ist eher, um am Thema „Singen“ zu bleiben, wieweit eine Lobbyarbeit letztlich in ein bestelltes „Gutachten“ eingreift – oder eingreifen dürfte. Da sich in der Regel Gutachten zum gleichen Thema widersprechen, kann man durchaus davon ausgehen, dass jeweils auf beiden Seiten die Lobbyarbeit funktioniert. Ein Gutachten beruht zweifelsohne nun mal eher auf einer Projektion, die nicht unbedingt die Vorstellungen des Auftraggebers konterkariert – sachte ausgedrückt. Man kann diesen Umstand bedauern, ihn zu ändern ist schwieriger. In jedem Gutachten stecken aber auch immer Details, die ein Gegengutachten dann breiter aufschlüsseln kann, um den „Beweis“ antreten zu können, dass man richtiger liegt. Gutachten sind somit immer zu zerpflücken.
Wertvoll erscheint mir, wenn Gutachten in ihrer Auswirkung nachträglich aufgeschlüsselt werden. So letzthin bei „Wurst gleich Krebs“, in dem signifikant auf die „Menge“ hingewiesen wird, unter der „eine gewisse Gefahr“ bestehen könnte, respektive wo diese zu vernachlässigen ist. Gerade „Krebsrisiko-Mitteilungen“ sind so ein komplexes Ding. Ich erwarte demnächst zu diesem Thema – humorvoll ausgedrückt – abschlägige Berichte über Käse und Apfelschorle! Einzige Konstante bliebe somit der individuelle Verstand.
Es mag und ist – aus Auftraggeber-Sicht – natürlich verständlich. Man sollte dann aber nicht so tun, als sei z.B. ein „mit dem Auftraggeber schrittweise vorgestelltes… und erarbeitetes Ergebnis“ völlig neutral. Und wenn dann zusätzlich auf Menschen, die derartiges Ansprechen „höchst aufgeregt“ reagiert wird, wird die Angelegenheit für mich nur noch fragwürdiger.
Es gibt übrigens auch von Monsanto reihenweise Gutachten, die die völlige Unbedenklichkeit von Glyphosat bescheinigen…
Es ist verständlich, dass „in einem gewissen Umfang“ ein Gutachter den Auftraggeber gelegentlich kontaktiert („Rücksprache mit dem Auftraggeber“, nennt es P. Magulski). Ein Gutachter braucht „Konstanten“ die er sich zum Teil nicht mit eigenen Recherchen erarbeiten kann. Dass die Stadt im vorliegenden Fall „Ihre spezifischen Interessen vertritt“, und diese auch einem Gutachter vermittelt, ist doch gegeben. Darum geht es ja! Man kann übrigens ein Gutachten auch jederzeit widerlegen. Aber auch dazu braucht der betreffende Gutachter „Konstanten“, die er sich beim Auftraggeber – sagen wir mal: die Stadt Singen – einholen müsste. Es sei denn, alles ist „ideologisch gesteuert“. Dann bräuchte es überhaupt keine Gutachten mehr.
Danke Peter, für die Quelle, die ich hiermit gern zitiere: http://www.suedkurier.de/region/kreis-konstanz/konstanz/Gemeinderat-und-OB-Burchardt-legen-Streit-um-Gutachten-bei;art372448,8314481
Gibt es für die 70.000,– € eine belastbare Quelle?
Die Aussagen der beiden Gutachter muten schon recht befremdlich an, insbesondere, wenn man ein paar Fakten berücksichtigt:
1) Ein Anwalt muss sogar gegenüber seinem Auftraggeber loyal und auch parteiisch sein, siehe z.B. die Information der Bundesrechtsanwaltskammer:
http://www.brak.de/fuer-verbraucher/mein-anwalt/kernwerte-der-anwaltschaft/
„Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen vertreten die Interessen ihrer Mandanten. Ohne Wenn und Aber. Im Rahmen von Recht und Gesetz hat ein Rechtsanwalt alles zu unternehmen, was dem Interesse des Mandanten dient, denn Loyalität ist eines der wichtigsten Gebote für die anwaltliche Tätigkeit.“
Es verbietet sich also für einen Anwalt geradezu „unabhängig“ zu arbeiten, denn damit würde er wohl sogar standeswidrig handeln. Warum wird also um den heißen Brei herum geredet und das „parteiisch sein“ nicht klar ausgesprochen?
2) Dr. Acocella hat in einer Stellungnahme zur Kritik an seinen diversen Gutachten im Juli 2015 sogar selbst folgendes als Verteidigung an den Gemeinderat geschrieben:
„Ungeachtet der Kritik am Bericht kann belegt werden, dass alle konzeptionell relevanten Fragen schrittweise dem Auftraggeber vorgestellt und mit diesem diskutiert wurden, so dass das Ergebnis in einem Planungsprozess erarbeitet wurde.“
Diese Ausführung wurde damals in einem anderen Kontext zur Rechtfertigung verfasst, ist aber ein klares Eingeständnis, dass die Ergebnisse der Gutachten mit dem Auftraggeber (die Verwaltung der Stadt Konstanz) erarbeitet werden und nicht etwa, dass er ohne Rücksprache mit seinem Auftraggeber ein neutrales, völlig unabhängiges Ergebnis erstellt.
alles eine Frage der Ehre…. mehrere Politiker sind zurückgetreten
weil man ihnen aufgrund Plagiatsvorwürfen die Promotion entzog.
Wenn Gutachter der Stadt für 7.0000.-€ Gutachten fragwürdigen
und in wesentlichen Teilen kopierten Inhalts verkaufen ist das
normal und tut der Ehre der Verfasser keinen Abbruch.
Berndt Stadelhofer
Na klar, das gehört zum Menschen: „wes Brot ich ess, des Lied ich sing“
Gerd J. Moersch
Bitte noch mehr solch Öffentlichkeit! Das ist das Salz in der Suppe der Kommunalpolitik. Ich liebe es…