Harte Zeiten für 700 Konstanzer Mieter
„Das semmelt sich“, ahnt Herbert Weber, Vorsitzender des Konstanzer Mieterbundes. Gemeint sind die Mieten von rund 700 Konstanzer Familien, deren Wohnungen gestern von der Landesbank Baden-Württemberg an das Augsburger Immobilienunternehmen Patrizia verkauft wurden. Insgesamt wechselten bei dem 1,4 Milliarden teuren Deal 21 000 Wohnungen den Besitzer. 60 000 Mieter sind betroffen, darunter allein 260 in Friedrichshafen und 710 in Konstanz. Die Patrizia-Aktie machte einen Kurssprung um 34 Prozent – der größte Immobiliendeal seit dreieinhalb Jahren in Deutschland lässt die Anleger jubeln. Die 710 Mieter, vornehmlich in der Jakob-Burckhardt-Straße und in der Werner-Sombart-Straße in Konstanz jedoch schreckt die Furcht vor Mietsteigerungen und der Umwandlung in Eigentumswohnungen. Denn, so Herbert Weber, Vorsitzender des Konstanzer Mieterbundes, „Patrizia ist als Umwandlungsfirma bekannt. Sie macht aus den Mietwohnungen teuer renovierte Eigentumswohnungen. In den nächsten Tagen, wenn die Neuigkeit durchgesickert ist, werden wir im Mieterbund reichlich Arbeit bekommen“.
Mieterfreundliche Manager. Was ist davon zu halten?
Zwar gaben sich die Patrizia-Manager gestern betont mieterfreundlich. „Wir haben die Eigentumsbildung immer sozialverträglich gestaltet“, sagte der Vorstandsvorsitzende und Gründer der Patrizia Immobilien AG, Wolfgang Egger. Patrizia wolle langfristig investieren. Der für die Übernahme zuständige Patrizia-Manager Klaus Schmitt betonte, der Mieter sei „unser wichtigster Kunde. Wir werden nichts tun, um ihn aufzuschrecken oder zu verunsichern. Wir leben davon, dass die Mieter pünktlich zahlen.“
Und nach Angaben der LBBW hat sich Patrizia im Kaufvertrag dem Schutz der Mieter verpflichtet. Teil des Geschäfts sei es, dass die „freien Mieten in den nächsten fünf Jahren lediglich um durchschnittlich drei Prozent jährlich zuzüglich der Inflationsrate angehoben werden dürfen“. Geplant sei, die Mieten in den nächsten Jahren nicht um mehr als vier Prozent jährlich zu erhöhen, sagte Schmitt. Dies liege unterhalb den Erhöhungen, die es in jüngerer Zeit unter dem alten Eigner LBBW gegeben habe.
Doch die Rechnung des Mieterbundes sieht anders aus: Auf Basis der jüngsten jährlichen Inflationsraten und einer durchschnittlichen Miete im Südwesten von knapp 800 Euro ergeben sich damit zunächst rund 40 Euro mögliche Erhöhung – monatlich. Das macht aufs Jahr gerechnet rund 500 Euro denkbare Zusatzbelastung. Oder auf Sicht für die vollen fünf Jahre locker 200 Euro höhere Monatsmieten. Aber das reicht nach Ansicht von Herbert Weber für Konstanz nicht einmal aus: „Konstanz gehört zu den zehn Städten Deutschlands mit den höchsten Mieten, ‚durchschnittliche Mieten im Südwesten‘ gelten hier nicht. Außerdem haben die Mieter in der Jakob-Burckhardt-Straße und der Werner-Sombart-Straße gerade für den Einbau neuer Heizungen bezahlt. Jetzt kommen womöglich neue Mieterhöhungen hinzu.Von der Furcht, ausziehen zu müssen, um Platz für die Luxussanierung zu schaffen, ganz zu schweigen“.
Wohnungsraum wird privatisiert. Es geht nur um Rendite
Und der Mieterbund Baden-Württemberg führt ein weiteres Argument für seine Kritik an diesem Deal an: „Es ist unverantwortlich, dass bei einem im Besitz der öffentlichen Hand und der Sparkassen sich befindenden Institut allein der meistbietende Anbieter zum Zuge kommt und soziale Gesichtspunkte keine Rolle spielen. Mieterschutz, die Erhaltung eines bezahlbaren Mietwohnungsbestandes, Investitionen in die Instandhaltung und die Stadtrendite für die Kommunen mit Wohnungsbeständen wurden dem Profitinteresse der Bank geopfert“, kritisiert Rolf Gaßmann, Landesvorsitzender des Deutschen Mieterbundes Baden-Württemberg.
Dazu sollte man wissen: In einem monatelangen Kopf-an-Kopf-Rennen hatte der zweite Bieter um die 21 000 Wohnungen, das so genannte Baden-Württemberg-Konsortium – eine Bietergemeinschaft um die Stadt Stuttgart und anderer Kommunen – um die überwiegend in Baden-Württemberg gelegenen Immobilien gerungen. In einer Stellungnahme zeigten sich die Verlierer enttäuscht und sprachen von einer Fehlentscheidung, die womöglich am Ende die Mieter treffe. Laut der LBBW war am Ende der bessere Preis der Augsburger ausschlaggebend.
Autor: hpk
Ich stimme der Kritik zu, dass dieser Kauf an die Patrizia AG erfolgte, doch da müsste sich das Land und die Stadt Stuttgart doch mal an die eigene Nase fassen. Wie kann es sein, dass diese beiden das zulassen, obwohl sie zusammen eine Mehrheit an der LBBW halten?!
Andererseits finde ich aber auch die Kritik in der Box überzogen und sachlich falsch. Hier wird scheinbar jedes Unternehmen angegriffen, was versucht Gewinne zu machen – Das ist aber der Zweck privatwirtschaftlicher Unternehmen. Das kann man ihnen daher kaum vorwerfen (wohl aber in diesem Fall der LBBW, den sie hätte sich ja nicht für diesen Käufer entscheiden müssen). Sie aber deshalb gleich als Heuschrecken zu bezeichnen, die nur kurzfristiger Gewinn interessiert, scheint mir wenig belegbar. Weder kennen wir oder der Autor die interne Kalkulation der Firma, noch deren Ziele. Und der Kaufpreis von 1,4 Milliarden für 21000 Wohnungen scheint mehr als angemessen, denn dies sind schließlich gerade mal ~66.000€ pro Wohnung. Das erscheint mir auch mit einem langfristigen Mietgeschäft (mit den entsprechenden Mietpreissteigerungen, die ich ebenfalls als zu hoch kritisieren, aber das ist ja ein anderes Problem) durchaus profitabel.