Haushaltsklausur: Wenig Freude am Ort der Kraft
Am Wochenende trifft sich eine halbe Hundertschaft, zusammen gesetzt aus Verwaltung und Gemeinderat, um sich in der beschaulichen Kartause Ittingen in eine Haushaltsklausur zu begeben. Man habe das ehemalige Kartäuserkloster in der Schweiz ausgesucht, weil ein auswärtiger Tagungsort den „Kopf frei“ mache und den Horizont erweitere. Ab Freitag wird nun der Rotstift gezückt, mit bitteren Beschlüssen muss gerechnet werden
Auch wenn es manche Entscheidungsträger nerven wird: Noch vor dem Bürgerentscheid zum KKH wurde der Bevölkerung erklärt, auch ein rund 60 Millionen teures Projekt auf Klein Venedig könne man sich leisten. Nach der Klatsche für die Traumtänzer und quasi über Nacht war dann aber klar: Ein KKH hätte die Stadt finanziell völlig ruiniert. Eine weitere Erkenntnis: Es fehlen Millionen und an allen Ecken und Enden muss gespart werden.
Die Gewerbesteuer ist um rund 30 Prozent eingebrochen und bis Ende 2010 fehlen aus diesem bislang satt gefülltem Topf jetzt schon etwa 11 Millionen Euro. Doch es kommt noch schlimmer: 2011 schätzt man den Fehlbetrag auf ca. 25 Millionen Euro. In der Verwaltung hofft man ab 2013 auf bessere Zeiten und verweist flackernden Blickes auf die Firma Nycomed. Wenn deren neues Medikament „Daxas“ zugelassen würde, dann könnte auch die Stadt davon profitieren. Wunschdenken, sagen manche und ziehen skeptisch die Augenbrauen hoch. Wer weiß heute schon, wohin sich Nycomed in nächster Zeit bewegt?
Sparen ist angesagt, da führt kein Weg vorbei. Glaubt man den Äußerungen, die schon in der Haupt- und Finanzausschuss-Sitzung Anfang Juli aus allen Fraktionen zu hören waren, will man vorrangig im Bereich Kinderbetreuung, Kultur und Bildung von Kürzungen absehen. Eine Mehrheit könnte sich finden, wenn es um die schon lange überfällige Erhöhung der Gewerbesteuer geht. Alleine eine Anhebung um 30 Punkte würde Millionen in die klamme Haushaltskasse spülen. Auch eine Anhebung der Grundsteuer kam schon Anfang Juli ins Gespräch und scheint zumindest im Ansatz ebenfalls mehrheitsfähig. Ob diese Zusatzeinnahmen allerdings für das finanziell marode Klinikum verwendet werden sollen, ist heftig umstritten. Sie wären bei diesem Thema auch nur ein Tropfen auf den heissen Stein, denn für eine Gesundung des Krankenhauses sind rund 30 Millionen Euro im Gespräch.
Weniger erfreut werden die BürgerInnen sein, wenn Gebührenerhöhungen (u.a. Kinder- gartengebühren, Bädereintritte, Busfahrpreise) beschlossen werden sollten, wie sie im Vorfeld der Klausur ins Spiel gebracht wurden. Und: Was wird aus der geplanten Umgestaltung des Bahnhofvorplatzes oder dem Projekt Soziale Stadt? Gibt es noch Gelder für Sportstätten? Was passiert in den nächsten, finanziell mageren Jahren mit dem Bahnhofsareal Petershausen? Wo wird im welchem Umfang gestrichen, was auf wann verschoben?
Fragen, denen sich die Klausurteilnehmer am Wochenende stellen werden.Auf die jeweiligen Entscheidungen darf man gespannt sein. Perspektivisch gesehen baut man auf das Prinzip Hoffnung und glaubt zu wissen, dass ab 2012/2013 ein Aufschwung über die Republik schwappt und auch die Kommunen davon profitieren. Wohl nicht ohne Hintergedanken fiel die Wahl des Klausurtagungsortes auf die Kartause Ittingen. Auf deren Internetseite steht zu lesen: Die Kartause – „ein Ort der Kraft“. Und wem es vor Entsetzen über die finanzielle Lage der Stadt Konstanz vollends die Sprache zu verschlagen droht, dem steht in der Kartause ein Raum der Stille und der Meditation zur freien Verfügung.
Autor: H.Reile