Heil über die Straße – und sogar lebendig wieder zurück?

In der Gemeinderatssitzung heute geht es zur Sache: Der Pandemie-Haushalt für 2022 steht auf dem Programm, und der hat es in sich. Nicht nur die Erhöhung von Gewerbe-, Grund- und Hundesteuer dürfte zu einigem Murren Anlass geben, es gibt neben den großen Brocken viele Kleinigkeiten, die Auswirkungen auf das tägliche Leben in Konstanz haben werden. Hier ein Blick auf das, was FußgängerInnen erwartet – etwa neue Zebrastreifen.

Wer jung ist und ein wahrer Springinsfeld, denkt oft gar nicht daran, welche Mühsal es sein kann, als alter, mobilitätseingeschränkter Mensch eine Straße zu überqueren. Die Autos und Fahrräder kommen aus allen Richtungen und Nebenstraßen herangeschossen, der Straßenbelag hält auserlesene Fallgruben bereit, und auf seine Augen kann mensch sich ohnehin nicht mehr verlassen.

Mehr Sicherheit

Die Stadt Konstanz möchte sich 2022 – analog zum Handlungsprogramm (HaPro) Wohnen und dem Handlungsprogramm Radverkehr – ein HaPro Fußverkehr geben, an dem die städtische Fußverkehrsbeauftragte Polina Vorobyeva bereits länger mit Macht arbeitet. Es hat Begehungen und einen öffentlichen Mängelmelder gegeben, und aus all dem soll ein weiteres Handlungsprogramm entstehen, das natürlich nur mit ausreichenden Mitteln verwirklicht werden kann. (Nebenbei bemerkt ist „Handlungsprogramm“ doch ein schönes neues Wort: „Programm“ hört sich nach reiflichem Abwägen an, und „Handlung“ klingt unüberhörbar nach „schaffe, it schwätze“. Geschichte wird gemacht, es geht voran …)

Im Vorgriff darauf hat sich aber vor allem die SPD dafür stark gemacht, schon mal die für FußgängerInnen neuralgischsten Stellen zu entschärfen. Ergebnis ist eine Vorlage, die der Gemeinderat morgen wohl ziemlich einmütig beschließen wird, und die unabhängig vom HaPro Fuß Verbesserungen verspricht: Etwa 10 Zebrastreifen sollen in den nächsten circa vier Jahren entstehen. Natürlich können später im Rahmen des HaPros weitere hinzukommen.

Nahraumorientierte Menschen

Die Verwaltung möchte in ihren eigenen warmen Worten „an besonders gefährlichen Stellen die Verkehrssicherheit nahraumorientierter Menschen wie Senioren und Schulkinder möglichst zeitnah erhöhen. Die höchste Relevanz für die Sicherheit dieser Zielgruppen stellt sicheres Queren dar. Dieses könnte insbesondere mittels Fußgängerüberwegen (FGÜ, ‚Zebrastreifen‘) als Sofortmaßnahmen gewährleistet werden.“ Die Verwaltung hat zehn Örter identifiziert, an denen es einen hohen Querungsbedarf gibt und wo FGÜ als Sofort-Maßnahmen sinnvoll sind. Diese Standorte wurden anhand von Kriterien wie einer hohen Wichtigkeit für die schutzbedürftigen Personengruppen, geringer Behinderungen der Busse, der geringen Kosten und aufgrund von Anregungen von Bürgern wie Fachleuten ausgewählt.

Wer allerdings glaubt, dass ein Fußgängerüberweg aus ein paar Eimern Farbe auf dem Asphalt entsteht, liegt daneben. Laut Vorlage „ist die Einrichtung von FGÜ streng reglementiert. Besonders wichtig ist eine Beleuchtung entsprechend einschlägiger Vorschriften. Hierbei sind vor allem die vertikale Beleuchtungsstärke wichtig sowie der Kontrast, mit dem sich die Fußgänger im Wartebereich und auf dem Fußgängerüberweg vom Hintergrund abheben. Da die vorhandene Straßenbeleuchtung i.d.R. selten die in den Normen geforderten Werte erreicht, muss eine zusätzliche Beleuchtung errichtet werden. Dies verursacht hohe Einrichtungskosten eines FGÜ.“

Hier soll es sie geben

Die Verwaltung hat eine Liste und einen Zeitplan für deren Verwirklichung erstellt, und es soll bereits im nächsten Sommer losgehen.

2022
1. Gartenstraße, Höhe Feldstraße
2. Eichhorn-/Hebelstraße
3. Riedstraße, Höhe Karlsruher Straße

2023
4. Höhenweg/Uhlandstraße
5. Döbelestraße/Schulthaissstraße (Weg zum Spielplatz)

2024
6. Buhlenweg/Senefelderweg
7. Schwaketenstraße, Höhe Benedikt-Bauer-Straße
8. Eichhornstraße/Alpenstraße

Datum offen
9. Riedstraße, Höhe Edeka (im Zusammenhang mit der Kreuzungsumgestaltung)

In Prüfung
Langenrainer Straße in Dettingen

Was kostet das?

Im Vergleich zu so ziemlich allem, was etwa mit Autos zu tun hat, sind diese Querungshilfen echte Schnäppchen. Im Schnitt kosten diese Fußgängerüberwege um die 20.000 Euro, aber viel billiger sollten sie wohl auch nicht werden, denn es gibt bekanntlich etwas, das Verwaltungsmenschen noch mehr lieben als der Dürstende eine frische Bierquelle mitten in der Wüste: Fördermittel gemäß Landes-Gemeindefinanzierungsgesetz (LGVFG). „Möglich ist ein Zuschuss von 75% zzgl. 10% Planungskostenpauschale, gerechnet von den zuwendungsfähigen Investitionskosten. Ein Antrag ist möglich, wenn die Eigenmittel zur Verfügung stehen und die Bagatellgrenze von 20.000 Euro erreicht wird.“

Aber das war es noch nicht, denn nicht bleibt, wie es ist: Die Lampen brauchen Strom, ab und zu muss ein toter Igel von den hübschen Streifen gekratzt oder ein frisches Zebra aufgewalzt werden, damit der Übergang wieder besser zu erkennen ist. Die „Folgekosten für die Instandhaltung der Beleuchtungsanlagen inkl. Energie-, Material- und Lohnkosten“ betragen für „einen FGÜ mit zwei Lichtmasten ca. 227 Euro brutto“ – pro Jahr.

Das ist wichtig

Nun mag sich manch jüngerer Mensch fragen, ob das den Aufwand wert ist. Die Antwort fällt eindeutig aus: Das ist es allemal. Durch den Autoverkehr werden nicht nur Schulkinder gefährdet, vernünftige Querungsmöglichkeiten können auch erhebliche Auswirkungen auf die sozialen Beziehungen mobilitätseingeschränkter, zumeist also älterer Menschen haben. Wer nur mit Mühe und unter großem Entsetzen über eine viel befahrene Straße kommt, um auf der anderen Seite andere SeniorInnen oder die UrenkelInnen zu besuchen und genau dort einzukaufen, wo es noch ein Schwätzchen zu den Maultaschen gibt, wird bei nachlassenden Kräften diesen Weg nicht mehr machen. Die Wege, die wir nehmen, werden nicht nur durch soziale Beziehungen und Zwänge bestimmt wie etwa durch Freundschaften oder die Notwendigkeit, seine Arbeitskraft zu Markte zu tragen. Sie regeln auch, wer es noch zur Bushaltestelle schafft oder nicht.

Sichere und stressfreie Wege sichern gerade für ältere Menschen die Möglichkeiten zur sozialen Teilhabe. Wer auch als jüngerer Mensch etwa nach einem Sportunfall mal versucht hat, mit seinen Gehhilfen nahe der Einmündung der Feldstraße auf Höhe des Margarete-Blarer-Hauses über die Gartenstraße zu kommen, weiß, wie sich das anfühlt: Zu viele Jäger sind dort unterwegs, die nur allzu leicht des bangen grauen Hasen Tod sind – und auch die Häsin nicht verschonen.

Text: O. Pugliese, Symbolbild: Michael Fertig auf Pixabay