Heiße Debatten nicht unerwünscht
Unter den 20 Tagesordnungspunkten, die der Konstanzer Gemeinderat in seiner Sitzung am morgigen Donnerstag abzuarbeiten hat, ist TOP 6 von besonderer Brisanz: StadträtInnen, Bürgermeister und zahlreiche ZuhörerInnen werden sich die Köpfe heißreden um das Thema, das derzeit alle Schlagzeilen beherrscht: Wohin mit den Flüchtlingen? Zur Diskussion stehen zwei Neubauten in Egg und „Zergle“, in denen Flüchtlinge eine mehr dauerhafte Bleibe finden sollen.
Anschlussunterbringung (AU) heißt das im Bürokraten-Deutsch, wenn Flüchtlinge mit Aussicht auf Asyl nach spätestens 24 Monaten die Gemeinschaftsunterkünfte verlassen. Dann ist nicht mehr die Massenunterkunft angesagt, sondern leidlich humane Wohnungen, in denen kleine Familien oder Wohngemeinschaften halbwegs privat leben können. Zwei solcher AUs sind gegenwärtig im Gespräch (aber viele werden noch hinzukommen) – um beide gab und gibt es heiße Diskussionen: In Bürgerversammlungen und bei Ortsterminen war der streckenweise auch fremdenfeindliche Widerstand der Anrainer unverkennbar.
AU in Egg: Lange war die „Egger Wiese“ als Baugrund im Gespräch. Bis die Suche nach alternativen Standorten doch noch Erfolg brachte: Nun soll eine Streuobstwiese am Flurweg bebaut werden, geplant sind elf Wohneinheiten plus eine Gemeinschafts-Wohnung. Aber die Verwaltung behält sich einen späteren Bau auf der „Egger Wiese“ im Ortskern vor, wie aus den Sitzungsvorlagen hervorgeht. Sollte der Gemeinderat am Donnerstag den Plänen der Verwaltung zustimmen, woran nicht zu zweifeln ist, sollen alsbald Verhandlungen mit dem Bauträger, der städtischen Wohnungsbau-Gesellschaft Wobak, aufgenommen werden. Bürgerinnen und Bürger werden dann am 26. 10. in einer „Bürger-Konsultation“ ausführlich informiert werden.
AU „Zergle“: Solche Änderungen wird es beim Neubau „Zergle“ am Mühlenweg wohl nicht geben. Wie schon auf der „Bürger-Information“ am 12. 10. (seemoz berichtete) heiß erörtert, soll ein 1440-Quadratmeter-Bau entstehen, der bis zu 70 Menschen genügend Platz bietet. 17 Wohnungen mit 53 Zimmern sind vorgesehen; geplant ist auch hier eine Wohnung als „Gemeinschaftsfläche“. Und auch hier soll die Wobak als Bauherr ran. Und wie in Egg sind auch für dieses Projekt bereits Fördermittel des Landes genehmigt, die allerdings einen zügigen Baubeginn bereits im kommenden Frühjahr voraussetzen.
Frontlinien allüberall
Um beide Bauvorhaben dürften morgen im Ratssaal heiße Debatten entbrennen. Denn die Frontlinien verlaufen nicht nur zwischen „besorgten Bürgern“ und genervter Verwaltung. Auch die beiden Interessen-Gemeinschaften, die sich mittlerweile in Egg und ums Zergle gegründet haben, wollen Erfolge vorweisen, um dann ihre weitere Existenzberechtigung zu rechtfertigen.
Und die Fraktionen im Gemeinderat wollen jeweils ihre Klientel bedienen: Während sich die CDU zum Fürsprecher der „Wutbürger“ macht, klebt die FGL an ihrer Zusage, nicht mehr als 40 Bewohner pro AU zuzulassen; während die FDP sich wohl nicht festlegen will, pocht die LLK auf ein Umdenken in der städtischen Wohnungsbau-Politik zugunsten Einkommensschwacher. Und die SPD ist einmal mehr unentschieden; auch bei den übrigen Fraktionen dürfte das Abstimmungsverhalten uneinheitlich bleiben.
Die nicht unerwünschte Diskussion also dürfte lang und heftig werden. Ausgang ungewiss.
hpk
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