Herr Ruff feiert nicht mit

Wenn sich heute die Oberen von Bahn und Stadt zum Spatenstich für die Umbauarbeiten am Bahnhof Konstanz.treffen, werden Vertreter der SPD-Fraktion fehlen. Deren Vorsitzender Jürgen Ruff erklärt in einem Brief, den wir an dieser Stelle abdrucken, die Gründe für den Boykott.


Sehr geehrter Herr Groh, sehr geehrter Herr Bürgermeister,

ich bestätige den Eingang Ihrer Einladung zum Spatenstich für die Umbauarbeiten am Bahnhof Konstanz. Die SPD-Fraktion wird diesen Termin nicht wahrnehmen.

Lassen Sie mich dies kurz begründen:

Als 2009 das Land Baden-Württemberg gemeinsam mit der Deutschen Bahn das Bahnhofsmodernisierungsprogramm vorstellte, waren die Erwartungen groß. Dies hatte drei Gründe:

Erstens: Beim Bahnhofsmodernisierungsprogramm handelte es sich um einen Teil eines Konjunkturprogramms: Damit sollte den drohenden Folgen der Finanzkrise auf Arbeitsmarkt und Beschäftigung kraftvoll entgegengewirkt werden.

Zweitens galt das Programm als verkehrspolitischer Befreiungsschlag, der die vernachlässigte Schieneninfrastruktur im Land deutlich schneller verbessern und damit den Grundstein für eine weitere Stärkung des Verkehrsträgers Schiene legen sollte. Ohne leistungsfähigen Schienenverkehr lassen sich schließlich die Verkehrsprobleme in den Städten nicht lösen.

Bahnhöfe sind drittens stadtbildprägend. So auch in Konstanz, wo der Turm des Empfangsgebäudes Besuchern als Orientierung dient. Bahnanlagen sind gleichzeitig auch städtebaulicher Hemmschuh, weil sie Stadtzentren zerschneiden. Ihre Modernisierung bot also Chancen der Stadtentwicklung.

Aus diesen drei Gründen war es sachgerecht, dass das Bahnhofsmodernisierungsprogramm einen erheblichen Finanzierungsbeitrag der Städte an den Baumaßnahmen vorgesehen hatte. Bevor nun nach neun Jahren in Konstanz der Baubeginn gefeiert werden soll, macht es Sinn, die Umsetzung zu betrachten.

Als Konjunkturprogramm ist die Bahnhofsmodernisierung kläglich gescheitert. Handlungsbedarf gab es in den ersten Jahren nach 2009. Nach neun Jahren dagegen herrscht im Bau Hochkonjunktur. Die Kosten der Baumaßnahmen explodieren und auch der Bauablauf verzögert sich, weil es keine leistungsfähigen Firmen gab, die die Arbeiten zum ursprünglichen Termin und zu vertretbaren Kosten ausführen konnten oder wollten.

Gewiss: Nach vielen Jahren werden die Bahnsteige am Konstanzer Bahnhof barrierefrei ausgebaut. Für viele Reisende bringt dies Erleichterung. Doch die Bahn setzt mit dem Bau der Aufzüge und der Erhöhung der Bahnsteige nur ein Minimalprogram um. Leistungsfähiger wird unser Bahnhof dadurch nicht. Denn in der bestehenden Unterführung wird auch künftig qualvolle Enge herrschen. Somit steht auch fest: Mehr Reisende verkraftet der Bahnhof Konstanz gar nicht. Kann bei gleichbleibend schwacher Infrastruktur der Verkehrsträger Schiene gestärkt werden? Wohl kaum.

Gewiss: Es ist nicht Aufgabe der Bahn, Projekte der Stadtentwicklung zu bezahlen. Im Fall des Konstanzer Bahnhofs ist es anders: Die Stadt Konstanz bezahlt einen Beitrag an den Baukosten sowie die gesamte Planung einer Anlage der Bahn. Wenn aber das öffentliche Unternehmen das Geld von den Kommunen gerne annimmt, wäre zumindest Kooperationsbereitschaft bei der Stadtentwicklung zu erwarten. In all den Jahren der Diskussion über die Baumaßnahmen Bahnhof Konstanz haben wir diese nicht erlebt: Im Gegenteil!

Städtebaulich sinnvolle Lösungen, wie die bereits im Wettbewerb von 2006 skizzierte breite Unterführung in Richtung Hafen, sind auch an dieser Haltung der Bahn gescheitert. Damit steht fest: Selbst nach Abschluss der Bauarbeiten wird der Bahnhof Konstanz nicht der Bedeutung eines Oberzentrums entsprechen. Neidisch schauen wir weiterhin ins nahe Vorarlberg, wo die ÖBB gemeinsam mit den Kommunen das öffentliche Geld in den Bau moderner, leistungsfähiger und fahrgastfreundlicher Bahnhofsanlagen investiert hat.

Das Bahnhofsmodernisierungsprogramm ist – zumindest was den Bahnhof Konstanz betrifft – eine verpasste Chance. Diese feiern wir nicht.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Jürgen Ruff