Hoffnung für Konstanzer Obdachlose?
Während sich nach neuesten Berichten von „seezeit“ die Wohnungssituation von Studenten in Konstanz zu entspannen scheint, bleibt die Lage für Obdachlose weiter dramatisch: Deren Zahl steigt ständig – von 70 in 2011 auf 85 in 2012 und auf 87 allein in den ersten drei Quartalen 2013. Der Sozialausschuss des Gemeinderates will deshalb auf seiner heutigen Sitzung den Bau von 18 zusätzlichen Wohnungen anschieben – 25 Menschen mehr in dieser Stadt, die dann ein Dach über dem Kopf hätten
Mit Hilfe der städtischen Wohnungsbaugesellschaft WOBAK sollen am Mühlenweg 12 neue Ein- und 6 Zwei-Zimmer-Wohnungen für alleinstehende Personen und Paare entstehen. Im Gegenzug soll der derzeit noch von vier Menschen bewohnte Wohnwagenplatz nebenan aufgelöst werden – den Bewohnern wird dann eine Unterbringung in den neuen Wohnungen angeboten.
Das Sozialamt verkennt in seiner Vorlage zur heutigen Sitzung jedoch nicht, dass dieser Neubau nur ein kleiner Tropfen auf den berühmten heißen Stein sein dürfte: „Er darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass für andere Personenkreise wie beispielsweise Familien mit geringem Einkommen weiterhin zusätzlicher günstiger Wohnraum im ganzen Stadtgebiet benötigt wird“. Und daran ändern auch die gegenwärtigen WOBAK-Baumaßnahmen nicht viel: Im Rahmen der Landesförderung, also Wohnungen für Menschen mit geringem oder mittlerem Einkommen, sind aktuell im Programm: Bruder-Klaus-Straße: 109 Wohnungen (bezogen); Schreinerweg: 10 Wohnungen (bezogen); Unterseestraße: 16 Wohnungen (bezogen); Stockackerweg: 24 Wohnungen (im Bau); Hegaustraße: 30 Wohnungen (beantragt).
Denn immer noch, so die WOBAK in ihrem Rechenschaftsbericht, ist sie mit Notfällen konfrontiert. 2012 waren das allein 120 Notfälle, für die sie schnellstmöglich Lösungen finden musste, da die betroffenen Personen/Familien von Obdachlosigkeit bedroht waren und auf dem freien Wohnungsmarkt in Konstanz keine Wohnung finden konnten.
Immer mehr Räumungsklagen
Die Gefahr der Obdachlosigkeit wird in Konstanz zusätzlich durch die gerade in 2013 gestiegene Zahl von gerichtlichen Wohnungsräumungen erhöht – da werden Menschen, Familien aus ihren Wohnungen geschmissen, weil sie die ständig steigenden Mieten nicht mehr zahlen können. Häufig muss dann das Bürgeramt für die Unterbringung sorgen, um sozial benachteiligte Bürger und Bürgerinnen vor der drohenden Obdachlosigkeit zu schützen, für Menschen also, die keine Perspektive mehr haben, auf dem Konstanzer Wohnungsmarkt eine bezahlbare Wohnung zu finden.
„Das Bürgeramt hat immer noch 21 „dauerhafte Wohnungsunterbringungsfälle“ durch befristete Einweisungsbescheide in städtischen Wohnhäusern (Bismarcksteig 21, Haidelmoosweg 15, Leipziger Straße 10-16) zu verwalten, bei denen in absehbarer Zeit aufgrund der Wohnungsnot in Konstanz keine Aussicht auf einen neuen Mietvertrag besteht“, so das Sozialamt.
Auch AGJ stößt an seine Grenzen
Auch bei der AGJ (Wohnungslosenhilfe im Landkreis Konstanz) am Lutherplatz waren Ende September bereits 68 wohnungslose Menschen gemeldet, davon 12 Frauen und 56 Männer. 18 Personen, die im Anschluss an das „Betreute Wohnen für wohnungslose Menschen“ dringend eigene Wohnungen benötigen, lebten in von der AGJ angemietetem Wohnraum.
Der Sozialausschuss soll nun dem Gemeinderat, so der Vorschlag des Sozial- und Jugendamtes, empfehlen, „die Planungen für den Bau von 18 Wohnungen für Menschen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten und die Auflösung des Wohnwagenplatzes am Mühlenweg zu konkretisieren, die grundstücksrechtlichen Fragen zu klären und das Ergebnis dem Gemeinderat mit einer Kostenermittlung zur endgültigen Entscheidung vorzulegen“. Nur ein Tropfen auf den heißen Stein, wie gesagt, aber auch in der Verwaltung scheint sich langsam die Erkenntnis durchzusetzen, dass gegen die Wohnraumnot in Konstanz endlich etwas getan werden muss.
Autor: hpk
Richtig, die Planung und Erstellung von 18 Wohnungen im Mühlenweg kann nur ein Tropfen auf dem heißen Stein sein. Der Konstanzer Wohnungsmarkt steht unter immensem Druck, die Warteliste der WOBAK wird immer länger und so ist es kein Wunder, dass die Schwächsten kaum Aussicht auf erschwinglichen Wohnraum haben. Das Problem der Obdachlosigkeit wird in Konstanz immer drängender, nicht zuletzt durch vermehrte Zwangsräumungen. Im Sozialausschuss war der Bau im Mühlenweg umstritten, Stichworte sind Ghettoisierung, Verdrängung an den Stadtrand und ob die Sicherheit der künftigen BewohnerInnen gewährleistet werden kann. Deshalb sind auch Möglichkeiten der dezentralen Unterbringung und ein übergreifendes Konzept, das die verschiedenen Aspekte der Obdachlosigkeit und Lösungsmöglichkeiten berücksichtigt, unerlässlich.
Wünschenswert wäre auch, wenn die WOBAK den Kern ihres Unternehmenszwecks „Versorgung breiter Schichten der Bevölkerung mit bezahlbarem Wohnraum“ noch mehr (siehe Aufstellung der Wohnprojekte oben) in den Fokus rücken würde. So ist es bedauerlich, dass im Wollmatinger Eichendorffweg mehr als 15 Wohnungen in Einfachbauweise weggefallen sind und durch den Bau von 23 Reihen- und Doppelhäusern, die zum Verkauf stehen, ersetzt wurden. Wie viele Sozialwohnungen werden dort entstehen?