HundehalterInnen gehen auf die Barrikaden
Bei der morgigen Gemeinderatssitzung soll auf Antrag der Verwaltung auch eine flächendeckende Leinenpflicht für HundehalterInnen beschlossen werden. Somit will man – mit einer Ausnahme des Lorettowaldes – den Freilauf der Vierbeiner deutlich beschränken. Zudem wird es somit unmöglich, den Hunden ein Bad im See zu gönnen, da auch alle Uferwege einer Leinenpflicht unterworfen würden. Dagegen regt sich deutlicher Widerstand in der Stadt. Hier eine von mehreren kritischen Anmerkungen, die uns in den letzten Tagen erreicht haben.
(…) Die Beratung zu Änderung der PolVO ist nicht öffentlich, eine Bürgerbeteiligung ist gemäß Antrag und Begründung der Verwaltung nicht geplant. Damit liegt die Vermutung nahe, dass das Thema möglichst „unauffällig“, an den Bürgern vorbei entschieden werden soll, nachdem bei einem Änderungsversuch der PolVO in 2005 wohl nicht das gewünschte positive Feedback aus der Bürgerschaft gekommen ist.
Eine Änderung der PolVO im Hinblick auf die Leinenpflicht würde zu einer massiven Einschränkung aller Hundehalter der Stadt Konstanz führen. Für viele ist der Lorettowald schwer zu erreichen, wenn dann meist nur mit dem Auto. Was dies für die Verkehrssituation um den Lorettowald herum bedeuten würde, ist, denke ich, vorstellbar. Zudem würde es zu einem massiv höheren Hundeaufkommen im Lorettowald führen, was der von der Verwaltung in der Vorlage aufgeführten Verbesserung zum Schutz der Allgemeinheit konterkarieren würde.
Das von der Polizeihundestaffel in der Vorlage aufgeführte 2-seitige „Gutachten“ ist nach Durchsicht doch als sehr oberflächlich einzuordnen. Grundsätzlich sind alle bei der Polizei gemeldeten Vorkommnisse mit Hunden ein „Vorfall“ und werden in der Statistik aufgeführt. Dabei wird nicht aufgeführt, ob eine Verantwortung des Hundes, bzw. dessen Halters für den Vorfall vorliegt, bzw. gerichtsfest festgestellt wurde. Selbst „Vorfälle“, bei denen sich herausstellt, dass die Meldung unberechtigt, bzw. eine Schuld nicht feststellbar ist, verbleiben in der Statistik.
Insgesamt wird von 33 Vorkommnissen innerhalb eines Jahres gesprochen. Ein nicht unerheblicher Anteil dessen ist durch angeleinte Hunde geschehen. Leider gibt die Stellungnahme zur Anzahl der Vorfälle mit angeleinten Hunden keine genaue Aussage. Diese Vorfälle würden durch die erweiterte Leinenpflicht nicht vermieden, sollten also in der Statistik gar keine Relevanz haben.
Inwieweit diese Stellungnahme als Grundlage für eine massive Verschärfung der Leinenpflicht im Stadtgebiet dienen kann, ist sicherlich zumindest fragwürdig und es ergeben sich folgende Fragen: Wie viele Tiere waren exakt nicht angeleint? Bei wie vielen wurde der Hund, bzw. dessen Halter als Verursacher zweifelsfrei festgestellt? Sind das für eine Stadt mit über 84.000 Einwohnern viele Vorfälle? Gibt es Schwerpunkte in der Stadt an denen sich die Vorfälle häufen? Wurden sachverständige Gutachter zu der Situation gehört (die Hundestaffel ist in diesem Fall sicherlich nicht neutral und objektiv)?
Bei einer solch massiven Ausweitung der Leinenpflicht stellt sich zudem grundsätzlich die Frage der Verhältnismäßigkeit. Vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass die Stadt keine kontrollierten oder eingefriedeten Flächen für die Hundefreilauf und auch keine ausgewiesenen Hundestrände – wie sie z.B. in anderen Städten durchaus vorhanden sind – zur Verfügung stellt. Dies auch im Hinblick darauf, dass sich die Stadt ja als touristische Attraktion, bzw. als Urlaubsgebiet sieht. Mit der geplanten Änderung wird man sicherlich hundehaltende Urlauber abschrecken. Eine solche Änderung wird auf vielen Hunde(urlaubs)portalen veröffentlicht werden und damit potentielle hundehaltende Urlauber sicherlich nicht animieren, nach Konstanz zu kommen.
Deutschlandweit gibt es auch mehrere Verwaltungsgerichtsurteile, die eine generelle, pauschale Leinenplicht als unverhältnismäßig betrachten (z.B. OLG Dresden, 07.02.2007, Ss (Owi 395/06, Ss (Owi) 188/06, Ss (Owi) 301/06, OLG Hamm Az.: 5 Ss Owi 1225/00, OLG Düsseldorf, Az.: 2 b Ss (Owi) 32701 – (Owi) 34/02, OVG Lüneburg AZ: 11 KN 38/04, OLG Düsseldorf Az.: IV-5-Ss-OWi 205/06 – (OWi) 47/06 IV). Hier stellt sich im Hinblick auf die geplante Änderung die Frage, ob weniger eingreifende und pauschale Möglichkeiten geprüft wurden: Wurde z.B. die Möglichkeit einer jahreszeitlich oder uhrzeitlich eingeschränkten Leinenpflicht geprüft? Wurde eine ausschließliche Erweiterung der Leinenpflicht für innenstadtnahe Gebiete (Seeuferweg bis zum Hörnle, Herosé-Park) geprüft? Wurde die Möglichkeit von regulierten, bzw. eingefriedeten Freilaufflächen geprüft?
Last but not least ist ein genereller Leinenzwang für Hunde aus ethologischer Sicht abzulehnen und somit tierschutzrelevant. Wenn in Stadtgebieten ein „genereller Leinenzwang“ vorgeschrieben werden sollte, müssen aus Tierschutzgründen ausreichend viele, große und für alle Hundehalter gut erreichbare, strukturierte Freilaufareale für Hunde zur Verfügung gestellt werden (…)
Text: Oliver Bleher
Bild: Pixabay
Mittlerweile gibt es auch eine Online-Petition zum Thema.
Mich verwundert es, wie ohne ein wirkliches Problem, durch völlig unnütze Bürokratie die Bürger weiter eingeschränkt werden sollen. Die allermeisten Hundebesitzer gehen morgens um 8 an den See, man trifft dort zum Beispiel glückliche Senioren mit einem noch älteren Pflegehund aus dem Tierheim. Sollen die mit dem nicht mehr vorhandenen Auto auf den Bodanrück fahren? Die Herren der Polizeihundestaffel haben ehrlich gesagt mit der normalen Wirklichkeit der Konstanzer Hundesitzer wenig zu tun. Einen als Polizeihund trainierten Schäferhund kann ich ja nicht mit einem 15 Jahre alten Dackel gleichsetzen. Soll dieser Dackel auch an die Leine müssen wenn er froh ist noch 20 m von der Rosenau an den See zu kommen?
Und ganz ehrlich, Konstanz hat so viele Probleme (Integration, Schullandschaft, Klimawandel), da kann ich über solch fleissige Arbeit der Verwaltung nur noch den Kopf schütteln. Ich habe das Gefühl, bei den wirklich wichtigen Themen passiert ausser Symbolpolitik nichts. Auf einer Konstanzer Schule oder Behörde kann ich bisher noch keine Solaranlage entdecken, die Radwege sind ausser blauen Markierungen genauso schlecht wie vor 10 Jahren, und als ich letzte Woche ausserplanmässig mit meiner Tochter im Krankenhaus war, hat mich der Zustand des Gebäudes fassungslos gemacht. Man sieht hinter den Türen einen kaum mehr zu bewältigenden Investitionsstau. Bei den Schulen sieht es mit Ausnahme der Gemeinschaftsschule kaum besser aus. In den Vorhabenlisten kann ich zu diesen Themen auch wenig konkretes entdecken.
Wie so oft, ist der Umfang der Leinenpflicht leider nicht zu Ende gedacht
Zitat von oben:
„Die Polizeihundeführer empfehlen eine generelle Leinenpflicht für alle Hunde im Stadtgebiet Konstanz, weil das „die Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten wesentlich erleichtern“ würde!“
Um die Verfolgung noch einfacher zu machen, sollten auch mindestens alle Radfahrer; SUV Driver und generell alle Personen mit grünen Ausfuhrschein an die Leine gelegt werden. Präventiv gilt das auch für die Mäschgerle von 11.11 bis Aschermittwoch. Schon allein wenn man die sozialen Medien beobachtet, muss hier von einer hohen Dunkelziffer an (kulturellen) Ordnungswidrigkeiten ausgegangen werden, deren Verfolgung durch einen grundsätzlichen Leinenzwang erleichtert werden würde
Durch diese Massanhme könnte die Effizienz der Behörden noch weiter gesteigert werden.
In Konstanz ist vieles verboten, aber jeder macht trotzdem was er will, Konstanzer Charme eben. Die Stadt ist mit der Durchsetzung und Kontrolle der Verbote schlichtweg überfordert und das ist manchmal ganz gut so.
Die Beschlussvorlage zur Neufassung der Umweltschutz- und Polizeiverordnung sieht vor, dass der bisherige Bereich in dem Leinenzwang für Hunde gilt, erweitert wird. Bisher galt Leinenpflicht in der Innenstadt, in der Hafenstraße, im Stadtgarten sowie in der Seestraße, im Hoerle-Park und zeitweise auf dem Uferweg am Schänzle. Das reiche nun nicht mehr aus. Es wird ausgeführt, dass es im Herosépark zu Konflikten und Gefährdungen kam. Im Herosépark, am gesamten Rheinufer (auch am Winterersteig und Webersteig) sollten Hunde ganzjährig an die Leine genommen werden. Das kann ich nachvollziehen, aber nach der Beschlussvorlage soll die Leinenpflicht auf den gesamten „Innenbereich“ von Konstanz ausgeweitet werden, was weit über das Ziel hinausschießt. Dieser sogenannte Innenbereich umfasst nämlich quasi den gesamten bewohnten und bebauten Stadtbereich bis einschließlich Wallhausen und Dettingen! Dafür gibt es in der Erörterung der Vorlage absolut keine Rechtfertigung. Ein Blick in die online beigelegte Stellungnahme der Polizeihundeführerstaffel lässt aber erkennen, was eigentlich dahinter steckt. Die Polizeihundeführer empfehlen eine generelle Leinenpflicht für alle Hunde im Stadtgebiet Konstanz, weil das „die Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten wesentlich erleichtern“ würde! So sehr ich die Arbeit der Polizei auch schätze, es kann und darf nicht der Sinn des Tierhaltungsparagraphen der neuen Verordnung sein, deshalb einfach den Leinenzwang für Hunde maximal auszudehnen. Daher kann die Schlussfolgerung nur sein: JA ZUR ERWEITERUNG DES LEINENZWANGS, ABER NUR AUF DIE OBEN GENANNTEN, D.H., IN DEN ANMERKUNGEN UND ERLÄUTERUNGEN DER BESCHLUSSVORLAGE ANGEGEBENEN BEREICHE!
Die Vorgeschichte der im Gemeindetrat angesetzten Abstimmung über die Ausweitung der Leinenpflicht beleuchtet einmal mehr, dass die Stadtbürokratie die Bürgerschaft vor allem als lästigen Störfaktor empfindet: Heißt es doch in der Vorlage „Die ursprünglich in der Vorhabenliste angesprochene [Bürger]-Beteiligung wurde nicht durchgeführt, da die davon zu erwartenden Erkenntnisse in keinem angemessenen Verhältnis zum (Kosten-)Aufwand stehen.“
Auch die GemeinderätInnen, die solcherart Geringschätzung derBürgerschaft im vorberatenen Haupt- und Finanzausschuss ohne Gegenstimmen durchgewunken haben, sollten sich schämen!
Hundehalter beklagen: Keine ausgewiesenen Hundebadeplätze, keine eingefriedeten Areale zum Freilauf; stattdessen nach der kürzlichen Erhöhung der Hundesteuer nun auch ein erweiterter Leinenzwang. Dieser ist für sich allein auch nicht hilfreich, um „Vorfälle“ zwischen Hund und Mensch zu reduzieren. Die meisten Hunde reagieren angeleint in Stresssituationen deutlich aggressiver als ohne Leine, weil sie der vermeintlichen Bedrohung durch strontzige Artgenossigen, Jogger und Radler nicht weiträumig ausweichen können.