Hunderte demonstrierten in Singen gegen ECE

seemoz-Demo-Singen-1Rund 250 Menschen protestierten vergangenen Donnerstag in Singen gegen das geplante neue Einkaufszentrum in der Innenstadt. Nach einer Kundgebung der Bürgerinitiative „Für Singen“, formierte sich ein Demonstrationszug rund um das Areal, auf dem der riesige Konsumtempel entstehen soll. Forciert wird das Projekt vom Marktführer ECE, einem zum Otto-Konzern gehörenden Großimmobilien-Entwickler aus Hamburg.

Unter den TeilnehmerInnen waren viele Beschäftigte, Inhaber und Geschäftsführer von Einzelhandelsbetrieben in der Innenstadt. ECE ist darauf spezialisiert, lohnende Einzelhandelsstandorte für sogenannte Shopping Malls zu erschließen. Bestehende Betriebe, die der Großkonkurrenz nicht gewachsen sind, bleiben dabei häufig auf der Strecke, Betriebsschließungen und Personalabbau sind die Folge.

Sorgen um die Arbeitsplätze

Ver.di- Gewerkschafter Markus Klemt wies in seinem Redebeitrag darauf hin, dass der durch zunehmenden Konkurrenzdruck verursachte Trend zu drastischen Flächenausweitungen auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen werde. Während im traditionellen Fachhandel häufig Tarifverträge bestünden und Personal sozialversicherungspflichtig beschäftigt würde, setzten Billigketten auf eine wesentlich härtere Strategie zur Optimierung der eigenen Betriebsergebnisse auf Kosten des Personals, so Klemt.

In Singen wird in nicht wenigen Einzelhandelsbetriebe der Innenstadt noch nach Tarif bezahlt, teilweise gibt es auch Betriebsräte, wie bei Karstadt, Mode-Zinser oder Heikorn. Daneben haben sich natürlich auch schon Einzelhandelsbetriebe mit fast ausschließlich auf Abruf bereitstehenden Minijobbern und prekär Beschäftigten etabliert – das Geschäftsmodell, auf das ECE in großem Stil setzt. Markus Klemt macht sich deshalb „große Sorgen um die Arbeitsplätze“, er warnte vor einem Wettbewerb auf dem Rücken der Beschäftigten.

Billigjobs und Altersarmut drohen

Klemt unterstrich auch, dass die miserablen Arbeitsbedingungen in den asiatischen oder lateinamerikanischen Produktionsstätten der bei uns als Schnäppchen verkauften Billigware für die Zukunft des Einzelhandels nichts Gutes versprächen. Einkaufszentren wie das geplante ECE in Singen seien nur auf Basis dieses menschenverachtenden Geschäftsmodells möglich. Hierzulande münde das in Billigjobs und Altersarmut, so seine Warnung.

Singen braucht mehr Wohnungen

Transparente wie „Für bezahlbaren Wohnraum – gegen einen Centerkoloss“ brachten bei der Demonstration einen weiteren Kritikpunkt der ECE-GegnerInnen zum Ausdruck: Auch die Stadt am Hohentwiel ächzt inzwischen unter der Wohnungsnot. Die Realisierung des ECE-Projekts würde eine komplette Straße und ein mehr als 10 000 Quadratmeter großes Gebiet dem privaten Investor opfern und fast 50 Wohnungen ersatzlos vernichten. Die Bürgerinitiative lehnt den Verkauf großer, der Stadt gehörenden Flächen, ab und verlangt eine Verkleinerung, mindestens eine Halbierung des Centers. Sie tritt stattdessen für die Schaffung bezahlbaren Wohnraums auf dem Areal ein.

Droht eine Einkaufsruine?

Die vom Hamburger Investor angepeilte Zahl von 80 neuen Geschäften und Gaststätten sind für eine Stadt wie Singen mit ihren rund 45 000 Einwohnern einfach zu viel, darauf wies Regina Henke hin, die Sprecherin der Bürgerinitiative. Der Einkaufskoloss werde die Stadt „total verändern“. Die gesamte Fußgängerzone würde dafür dem Konsumtempel geopfert – in Städten wie Hameln oder Wetzlar bereits Realität. Und ginge das ECE-Geschäftsmodell nicht auf, wäre die Stadt mit einer riesigen Einkaufsruine belastet, wie im nahen Schwenningen zu besichtigen ist.

OB will Bürgerentscheid

Oberbürgermeister und Projektbefürworter Bernd Häusler hat auf den zunehmenden Druck aus der Bürgerschaft mit der Ankündigung reagiert, er werde dem Gemeinderat einen Bürgerentscheid empfehlen, wohl wissend, dass dafür im Gemeinderat eine Zweidrittelmehrheit erforderlich ist. Die gilt keinesfalls als sicher, die ECE-Emissäre haben ganze Vorarbeit geleistet und große Teile der kommunalen Entscheidungsträger auf ihre Seite gezogen. Die Bürgerinitiative „Für Singen“ will sich darauf deshalb nicht verlassen und bereitet nun selbst einen Bürgerentscheid über das Mammutprojekt vor.

Es bleibt also spannend in Singen. Die BI jedenfalls will den Druck auf die Stadt aufrechterhalten und kündigte prompt weitere Aktionen an. Schon am 28.4. soll es um 19 Uhr am Hanser-Brunnen erneut eine Kundgebung und Demonstration geben.

MM/jüg