Hungerlöhne bei der Katholischen Kirche
Dass die Kirchen keine fairen Arbeitgeber sind, wissen Kritiker schon seit langem. Was sich aber die Vinzenz Service GmbH leistet, schreit zum Himmel. Deren 300 Beschäftigte, überwiegend Frauen und überwiegend Teilzeitbeschäftigte, werden mit Hungerlöhnen abgespeist, die deutlich unter dem Tarifvertrag liegen. Politisch verantwortlich ist Bischof Fürst aus der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Und irgendwie auch Ministerpräsident Kretschmann.
Die Vinzenz Service GmbH ist eine Tochterfirma der Vinzenz von Paul eGmbh, welche dem Kloster Untermarchtal (Mutterhaus der Vinzentinerinnen im Alb-Donau-Kreis) untersteht. Der „Dienstleister im Bereich der Speisenversorgung“ wurde nicht zuletzt deshalb ausgegliedert, um nicht länger an den Kirchentarifvertrag gebunden zu sein.
Die politische Aufsicht über diesen Betrieb (Firmenwahlspruch: „Liebe sei Tat“) hat die Diözese Rottenburg-Stuttgart und somit Bischof Fürst. Und der streng gläubige Katholik Winfried Kretschmann ist Mitglied im Diözesanrat der Erzdiözese Freiburg und somit so etwas wie ein Aufsichtsrat über kircheneigene Firmen. Auch an ihn hat sich deshalb die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) mit der Forderung gewendet, dem Lohnraub bei der Vinzenz Service GmbH endlich ein Ende zu bereiten.
Abnehmer am Bodensee
Die Großküche in Sigmaringen beliefert Altenheime und Schulmensen von Tübingen bis Leutkirch, aber auch Einrichtungen in Salem, Pfullendorf und Weingarten, sogar Restaurants und Cafés gehören der Firma. Geschäftszahlen werden, wie bei Kirchenunternehmen üblich, nicht veröffentlicht, aber Branchenkenner sprechen von „einem sagenhaften Geschäft“. Ein Kunde, der nicht genannt werden will, verrät: „Die Vinzenz-Angebote sind immer die kostengünstigsten“. Aber die Vinzenz Service GmbH ist auch deshalb derart erfolgreich, weil sie ihre 300 Beschäftigten, überwiegend Frauen und überwiegend Teilzeitbeschäftigte, mit Hungerlöhnen abspeist.
8,40 brutto verdienen die Frauen pro Stunde im Durchschnitt in dem Kirchenbetrieb – 10,34 im Durchschnitt sollten es nach NGG-Berechnungen sein. Und obwohl der allgemein verbindliche Manteltarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe dort zur Anwendung kommen müsste, werden den Beschäftigten sowohl Fahrgeld-Erstattung bei wechselnden Arbeitsorten sowie der Anspruch auf Urlaubsgeld oder Weihnachtsgeld verweigert. Vinzenz-Geschäftsführer Peter Beck, der für seemoz nicht zu sprechen war, erklärt dazu unverfroren an anderer Stelle, diese Leistungen seien im Stundenlohn anteilig schon enthalten. Wohlgemerkt: Bei einem Stundenlohn von 8,40 Euro.
Bundesweite Protestaktion
Der Singener NGG-Geschäftsführer Markus Sonnenschein, gewerkschaftlicher Betreuer der Vinzenz-Belegschaft, fordert dann auch genau dieses: Eine kräftige Lohnerhöhung sowie den unkündbaren Anspruch auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Und etliche Betriebsräte und Gewerkschafter aus dem ganzen Bundesgebiet unterstützen diese Forderung: Vinzenz-Geschäftsführer Beck, aber auch Bischof Fürst und Ministerpräsident Kretschmann werden derzeit mit mails, Briefen und Protestnoten überhäuft, in denen ein Ende des Lohnraubs gefordert wird.
Gleichzeitig ist ein Prozess beim Arbeitsgericht Sigmaringen anhängig, in dem geklärt werden soll, ob das Kirchenunternehmen Vinzenz Service GmbH nicht doch die Tarifverträge des Hotel- und Gaststättengewerbe in Baden-Württemberg anwenden muss. Und vielleicht verhilft dann ein Richterspruch dem Unternehmen dazu, sein eigenes Versprechen einzuhalten. Auf seiner homepage bekennt sich Vinzenz-Geschäftsführer Peter Beck nämlich zu Werten, die „Glauben, Menschlichkeit und soziale Nähe wieder in den Fokus rücken“.
Autor: hpk