Im Hörsaal nichts Neues (zur Gemeinderatswahl)
300 Studierende verfolgten die Podiumsdiskussion im Audimax der Universität. Moderiert wurde sie von Universitätspressesprecherin Julia Wandt. Für leichte Irritation sorgte, dass die SPD sowohl mit Jan Welsch als auch mit Bernd Sonneck von der Sozialliberalen Wählervereinigung Dettingen (SLWD) vertreten war. Es seien auch andere „Splitterlisten“ aus den Ortsteilen angeschrieben, so Wandt, die Universität sei an die Neutralitätspflicht gebunden
Was allerdings schon bei anderen Podiumsdiskussionen auffiel, bestätigte sich: Die Kandidierenden waren aktuell auf Stimmfang und verspracehn Neues für die Zukunft. Das Abstimmungsverhalten und die eingebrachten wie unterstützten Anträge der vergangenen Legislatur kümmerten da wenig. Am allerwenigsten wohl die Jura-Studentin Luisa Oßwald, die für die CDU auf dem Podium saß. Die 26-jährige Fraktionsassistentin der Unions-Gemeinderatsfraktion geißelte durchaus Ideen wie Securities am Herosé, sprach sich für eine Sperrzeitverkürzung im Gastronomiebetrieb aus und davon, dass man schnell neuen Wohnraum brauche. Wie diese Forderungen mit dem Agieren und Stimmverhalten der Unions-Altherrenriege im Gemeinderat zusammengehen, verschwieg Oßwald.
Nicht weniger kreativ in seinen Antworten gab sich FDP-Vertreter Heinrich Everke. Angeblich habe der Gemeinderat „kaum etwas mit Parteipolitik“ zu tun, stattdessen spreche er sich im Zweifelsfall für den Wettbewerb aus. Jan Welsch (SPD) widersprach und meinte, es mache schon „einen Unterschied, ob ein Klärwerk privatisiert oder in öffentlicher Hand ist.“ Zum Thema Jugendkultur skandierte Everke, man müsse verstärkt mit KoKo-Entertainment reden. Dass es nicht um ein Defizit kommerzieller Konzerte für obere-Mittelschicht-Kinder geht, scheint Everke bei seinem Arztgehalt wohl genauso wenig zu interessieren wie die soziale Spaltung, die er vorantreibt, wenn er fordert, die Preise in Parkhäusern der Innenstadt müssten „Angebot und Nachfrage angepasst werden.“ Das Kredo „Innenstadtverkehr nur für Reiche“ wollte er wohl nicht so laut aussprechen.
Zielgerichteter war da die Antwort von Linke.Liste-Kandidat Simon Pschorr: „Wir als LLK stehen für eine autofreie Innenstadt und fordern einen kostenlosen öffentlichen Personennahverkehr.“ Zu den Ausführungen von Gabriele Weiner (Freie Wähler), dass sie als Mitglied im Aufsichtsrat der Stadtwerke wisse, dass einige positive Veränderungen bei Buslinien geplant seien, entgegnete Pschorr: „Der Aufsichtsrat hat mehrfach Änderungen angekündigt, die dann nicht kamen.“ Überhaupt gingen ihm viele Dinge zu schleppend voran: „Der Bürgermeister hat in Gemeinderatssitzungen einen Lieblingssatz: ‚Das nehm‘ ich mit.‘ Und das nimmt er immer dann mit, wenn er will, dass gute Ideen versanden.“
Bernd Sonneck (SLWD) hatte auf dem Podium neben Luisa Oßwald wohl die schwierigste Aufgabe. Während Oßwald – bedingt durch die Sitzordnung – Fragerunden fast ausschließlich eröffnete, war Sonneck als gleichzeitiger SPD-Kandidat bemüht darum, die Eigenheiten der SLWD herauszustellen. Er versuchte mehrmals, mit seinem Plädoyer für kostenlosen W-LAN-Netzausbau in Stadt und Uni zu punkten.
Ansonsten war auf dem Podium kaum Neues zu hören. Freie Wähler und FDP wollten nicht so recht an die Sperrstunde heran. „Das sind Spätheimkehrer von der Disko, keine Studierenden, die am Herosé laut sind“, versuchte Everke den Eindruck zu erwecken, er spreche nicht von Studierenden. Luisa Oßwald hätte gern an der Sperrstunde gerüttelt, saß aber für die falsche Fraktion auf dem Podium.
Spannend wurde es eigentlich nur noch einmal bei der Frage nach bezahlbarem Wohnraum. Die FDP fordert, dass höher gebaut werden kann. Mehr Konkurrenz tue ebenfalls gut, denn es gebe in Konstanz schließlich nicht nur die Wobak. Stephan Kühnle (FGL) sprach davon, dass mindestens 30% des neuen Wohnraums, der durch die Wobak erschlossen wird, sozialer Wohnraum werden solle. Ob diese Quote allerdings reicht, darf bei dem hohen Bedarf in der Stadt und den ohnehin hohen Mieten bezweifelt werden. Kühnle wolle mit seinem Einzug in den Gemeinderat dafür sorgen, dass eine Bevölkerungs-Entwicklungs-Prognose erstellt würde, die es bisher nicht gebe. Eine Information, die so nicht stimmt. Bereits jetzt wird jährlich evaluiert, wie sich die Bevölkerung entwickelt, um junge Familien mit gutem Steueraufkommen an die Stadt zu binden.
Matthias Schäfer vom Jungen Forum Konstanz monierte, dass der Doppeljahrgang von Studierenden 2011/2012 nicht vom Himmel gefallen sei, die Politik hier falsche Entscheidungen getroffen habe und unterschlug dabei, dass der Doppeljahrgang längst nicht so gravierende Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt hatte, wie im Vorfeld befürchtet. Richtigerweise erwähnte Schäfer aber, dass man leerstehende Gewerbeflächen in Wohnraum umwandeln müsse. Dem schloss sich Simon Pschorr an, der zugleich dafür warb, das Döbele sowie das Vincentius-Areal mit Sozialwohnungen zu bebauen, beide Immobilien dürfe man „nicht dem freien Markt“ und somit der Mietspekulation überlassen.
Jan Welsch übte bezüglich des Wohnraums harsche Kritik am Stimmverhalten der Freien Grünen Liste. „Ich bin schon ein wenig verwundert, was manche hier so erzählen, was sie dann so nicht umsetzen. Außer SPD und Linke Liste sehe ich hier niemanden, der so gestimmt hat“, bekräftigte er und mahnte seinen Kommilitonen Stephan Kühnle, dass sich da bei der FGL was ändern müsse.
In der Fragerunde monierte lediglich ein CDU-wählender Herr im Publikum, die Wohnraumpolitik von Grünen und Linken gefährde das Alterseinkommen vieler älterer Menschen mit geringer Rente und sprach im Zusammenhang mit Änderungen der Zweckentfremdungsverbots-Regelung von Enteignung. Simon Pschorr, der seinerseits Jura studiert, klärte den Mann auf: „Mit dem Begriff Enteignung wäre ich vorsichtig, da empfehle ich jedem eigentlich immer einen Blick ins Grundgesetz Artikel 14 (3). Da steht genau geregelt, was eine Enteignung ist. Es ist im Moment gerade nicht der Plan, Ferienwohnungen zu vernichten, sondern die Möglichkeit zu schaffen, leerstehenden Raum unkompliziert als günstigeren Wohnraum zu vermieten.“[modal id=“19250″ style=button color=default size=default][/modal]
Autor: Ryk Fechner
Lieber Ryk Fechner,
schön, dass es zumindest auf Seemoz einen Bericht über die Podiumsdiskussion an der Uni gibt. Mit gut 200 Personen im Publikum wohl eine der größten Veranstaltungen zur Kommunalwahl in den letzten Wochen.
Nicht ganz passend finde ich jedoch den Titel „Im Hörsaal nichts Neues“, obwohl immerhin fünf der acht DiskutantInnen keine amtierenden GemeinderätInnen waren und auch einige neue Ideen aufkamen.
Dass es bei einigen Fragen durchweg Konsens auf dem Podium gab, mag nicht verwundern (Bedeutung der Uni für die Stadt Konstanz, Notwendigkeit die Uni besser anzubinden, mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen). Gleichzeitig gab es bei manchen Themen doch deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Gruppierungen.
So ist es aber auch zu begrüßen, dass sich inzwischen eine Mehrheit für das C-Konzept abzeichnet, das bereits vor ungefähr 20 Jahren von Manfred Heier (FGL) in die Debatte eingebracht wurde und dass sich inzwischen auch alle Fraktionen der langjährigen FGL-Positionen anschließen, den Stadtverkehr zu verlangsamen und Fahrradstraßen zu schaffen.
Unterschiede gab es beispielsweise beim umstrittenen Zweckentfremdungsverbot: So sprachen sich nur Linke, JFK, SPD und Grüne dafür aus, vor allem um beabsichtigten Leerstand zu verhindern. Die Argumentation auch Ferienwohnungen würden im Winter von Studierenden benutzt, bedeutet nur, dass sie im Sommer jede Miete für jede Baracke bezahlen.
Und nicht zuletzt haben sich die Freien Wähler geoutet, durch die Aufhebung des Konstanzer Grunderwerbsmodell den Weg freizumachen für die Erschließung von möglichst viel Bauland an die Meistbietenden. Bezahlbarer Wohnraum wird so sicher nicht geschafft.
Dass es bereits Bevölkerungsentwicklungsprognosen gibt, ist mir durchaus bewusst. Vielmehr zielte meine Argumentation jedoch darauf ab, bei künftigen Bauprojekten auch darauf zu achten, dass man Wohneinheiten flexibel umgestalten kann. So sind sie zu bestimmten Zeitpunkten für Studierende in Wohngemeinschaften attraktiv, später aber auch für junge Familien oder aber ältere Menschen, die andere Erwartungen an ihre Wohninfrastruktur haben.
Uns ist darüber hinaus natürlich klar, dass es unterschiedlicher Maßnahmen bedarf, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Kritisch sehen wir aber auch die Veräußerungen von Wohnungsbeständen (LBBW-Wohnungen) an Großinvestoren. Dies führt nicht zuletzt durch Verkauf der Wohnungen und Erhöhung der Mieten zur Verdrängung von Mieterinnen und Mietern, die bereits seit langer Zeit in diesen Vierteln und ihren gewachsenen Strukturen leben. Wir möchten durch die Schaffung einer Erhaltungssatzung (Milieuschutz, §172 BauGB) bestehende Wohnstrukturen erhalten. So soll verhindert werden, dass ganze Wohnviertel wegen Eigenbedarfskündigungen ausziehen müssen. Wir möchten damit auch verhindern, dass Menschen mit weniger Geld, aufgrund zu hoher Mieten aus der Stadt vertrieben werden. Die Erhaltungssatzung schafft einen Genehmigungsvorbehalt für die Stadt bei Verkauf größerer Wohnflächen an einzelne Investoren (diese kann ablehnen, wenn sie die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung aus städtebaulichen Gründen als gefährdet ansieht).
Ein Gebiet könnte Königsbau/Sonnenbühl sein, das damals mit dem Bau der Uni für einfache Angestellte erbaut wurde. Seit dem Verkauf der LBBW-Wohnungen an die Patrizia AG steigen die Mieten jährlich. Ob die Sozialcharta der Patrizia AG auch nach einem Weiterverkauf an Einzeleigentümer noch Bestand haben wird, werden die Gerichte klären müssen.
Ein bisschen was Neues war am vergangenen Dienstag dann vielleicht doch dabei.
Viele Grüße,
Stephan Kühnle
Der Artikel enthält noch einen sachlichen Fehler: SLWD ist die Abkürzung für Sozialliberale Wählergemeinschaft Dingelsdorf, nicht Dettingen, siehe auch http://www.slwd.de 😉